4. Juni 2010

Der BGH hat den Freispruch eines Arztes, der dem später verstorbenen Verdächtigen auf polizeiliche Anordnung hin Brechmittel und Wasser über eine Magensonde verabreicht hatte, aufgehoben.

Das LG Bremen hatte den zur Tatzeit 41-jährigen Angeklagten von dem Vorwurf freigesprochen, am 27.12.2004 fahrlässig als Arzt den Tod des 35 Jahre alten C., eines Staatsangehörigen der Republik Sierra Leone, im Rahmen einer Exkorporation von Drogenbehältnissen (sog. „Brechmitteleinsatz“) verursacht zu haben.

Dem des illegalen Drogenhandels verdächtigen – unerkannt am Herzen vorgeschädigten – gefesselten C. wurden durch den Angeklagten auf polizeiliche Anordnung hin Brechmittel und Wasser über eine Magensonde verabreicht, um verschluckte Kokainbehältnisse sicherzustellen. Im Zuge dessen verlor C. kurzzeitig das Bewusstsein. In Anwesenheit eines herbeigerufenen Notarztes setzte der Angeklagte die Zufuhr von Wasser nach Bergen eines ersten Kokainkügelchens fort. C. fiel ins Koma und verstarb an einer infolge eingeatmeten Wassers eingetretenen Sauerstoffunterversorgung des Gehirns am 07.01.2005 im Krankenhaus. Gegen dieses Urteil legten die Mutter und ein Bruders des Verstorbenen als Nebenkläger Revision ein.

Der BGH hat den Freispruch aufgehoben und die Sache an eine Schwurgerichtskammer des LG Bremen zurückverwiesen.

Hierfür ausschlaggebend war, dass das Landgericht die getroffenen Feststellungen nicht unter allen den Angeklagten betreffenden beruflichen Sorgfaltspflichten bewertet hat. So habe der Angeklagte den Betroffenen nicht über gesundheitliche Risiken bei zwangsweisem Brechmitteleinsatz aufgeklärt und nach einer ersten Ohnmacht unter menschenunwürdigen Umständen weitergehandelt. Den unerfahrenen und mit einem solchen Eingriff stark überforderten Angeklagten treffe auch ein Übernahmeverschulden, das durch ebenfalls todesursächliche Pflichtverletzungen Dritter (Notarzt, Organisatoren des Beweismittelsicherungsdienstes) nicht beseitigt werden konnte. Diese seien – bisher unbehelligt gebliebene – Nebentäter. Der BGH hat zudem die Erwägungen als rechtsfehlerhaft bewertet, auf Grund derer das Landgericht eine s! ubjektive Pflichtverletzung des Angeklagten infolge der Anwesenheit und (beschränkten) Mitwirkung des Notarztes verneint hatte.

BGH, Urteil vom 29.04.2010, Az: 5 StR 18/10

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