Der online „Blätterwald“ hatte in den letzten Tagen eine „schöne“ neue Schlagzeile der Kuriositäten : Eine 33 Jahre alte Opernsängerin aus den USA hat ein Problem. Seit einem Dammschnitt bei der Geburt ihres Sohnes 2012 muss sie bei jedem gesungenen Ton pupsen. Deshalb verlor sie jetzt ihren Job. Ihrer Ansicht nach war der Schnitt nicht notwendig, und noch schlimmer, er geschah ohne ihre Zustimmung. Deshalb verklagen sie nun das „Blanchfield Army Community Hospital“ auf 2,5 Millionen Dollar Schmerzensgeld und Schadenersatz.
Wäre dies in Deutschland geschehen, so ist eins sicher, die geforderte Schadenersatzsumme würde in keinem Falle ausgeurteilt werden. Doch wie sieht es mit der Klage dem Grunde nach aus?
Hier ist zunächst zwischen den von der Opernsängerin gemachten Vorwürfen zu unterscheiden:
Soweit Sie sich darauf beruft, dass der Dammschnitt Ihrer Ansicht nach nicht notwendig war, so ist zu untersuchen, ob eine medizinische Indikation zur Episiotomie vorlag. Dies wird sich zum einen nach der medizinischen Dokumentation des Geburtsverlaufs richten. Materiell-rechtlich liegt dann ein Behandlungsfehler vor, wenn aus der gebotenen Sicht ex ante keine Indikation vorlag. Bei Vorliegen einer Indikation ist, wie der BGH in ständiger Rechtsprechung bisher bestätigt hat (z.B. BGH in NJW 2007, 2774) auch die Anwendung einer Außenseitermethode im Sinne einer nicht anerkannten Heilmethode grundsätzlich erlaubt und führt nicht ohne weiteres zur Haftung des Arztes. Bei der Therapiewahl, welche primär Sache des Arztes ist, ist der Arzt nicht stets auf den jeweils sichersten therapeutischen Weg festgelegt, wenn ein höheres Risiko in den besonderen Sachzwängen des konkreten Falles oder in einer günstigeren Heilungsprognose eine sachliche Rechtfertigung findet. Sofern also der Geburtsverlauf genügend dokumentiert wurde und ein Arzt die medizinische Indikation zum Dammschnitt bestätigt hat, dann wäre dieser an sich nicht behandlungsfehlerhaft gewesen.
Das OLG Köln hat in einem ähnlich gelagerten Fall im Jahre 2007 entschieden, dass die Durchführung eines Dammschnitts zu den Basistätigkeiten eines Berufsanfängers gehört, die er nach einer Anlernzeit alsbald selbstständig vornehmen darf. Des Weiteren hatte es entschieden, dass sofern der Schnitt ausreichend dokumentiert wurde, dieser nicht zu beanstanden sei. Sofern keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Schnitt oder die Schnittführung fehlerhaft seien, läge kein fehlerhaftes Verhalten vor. Dass es zu einem Dammriss IV. Grades gekommen ist, indiziert für sich genommen, nach diesem Urteil, keinen Fehler beim Dammschnitt, vielmehr könne es auch bei fehlerfrei durchgeführter Episiotomie zu einem Weiterreißen bis hin zu einem Dammriss IV. Grades kommen (vgl. insoweit OLG Köln: Urteil vom 27.06.2007 – 5 U 148/05). In diese Richtung geht auch ein Urteil des OLG Braunschweigs, welches anerkennt, dass ein Dammschnitt vor einer vaginal-operativen Geburtsbeendigung anerkannter Standard ist, so dass das Anlegen der Episiotomie keinen Behandlungsfehler darstellt (OLG Braunschweig, Urteil vom 26. 11. 1998 – 1 U 31/98) Damit bleibt festzuhalten, dass die Opernsängerin, sofern sie sich auf die fehlende medizinische Notwendigkeit beruft, wohl mit ihrer Klage scheitern würde.
Soweit sich die Opernsängerin dann auf die fehlende Aufklärung beruft, so ist ebenfalls auf das vorab zitierte Urteil des OLG Braunschweig Bezug zu nehmen. Dieses legt bereits in seinem Tenor fest, dass über mögliche gesundheitliche Folgen eines Dammschnittes nicht aufgeklärt zu werden braucht. Details über die Versorgung der Episiotomie sind im Operationsbericht nicht zu dokumentieren. Dies begründeten die Richter in diesem speziellen Fall insbesondere damit, dass einerseits ein Kaiserschnitt nicht indiziert war und andererseits der Dammschnitt bei der vaginalen Geburt zum medizinischen Standard gehört. Mithin sahen die Richter den Dammschnitt als eine dem Arzt zu überlassende Behandlungsmethode und das Risiko von der Kl. als notwendige Folge einer vaginalen Geburt zu tragen. In puncto Aufklärung ebenfalls Aufschluss gibt dann noch das Urteil des OLG Köln, welches statuiert, dass ein etwaiger Aufklärungsmangel der sich jedenfalls nicht zum Nachteil der Klägerin auswirkt, nicht beachtlich ist. Selbst wenn also die Ärzte die Opernsängerin über den Dammschnitt und dessen etwaige Folgen aufgeklärt hätten, hätte diese darlegen müssen, dass diese Aufklärung dazu geführt hätte, diesen nicht durchführen zu lassen und sich etwa für einen Kaiserschnitt entschieden hätte. Ob ihr dies gelingen würde, ist zweifelhaft.
Mithin bleibt festzuhalten, dass die Opernsängerin mit Ihrer Klage in Deutschland wenig Aussicht auf Erfolg hätte. Wie die Gerichte in den USA entscheiden werden bleibt abzuwarten. Bis dahin sollte sie sich vielleicht einfach bemühen ihre Stimme zu trainieren um im Falle des Unterliegens lauter als Ihre „Lüftchen“ singen zu können…