8 Punkte, die Arbeitgeber unbedingt wissen müssen
Praxisinhaber müssen von Anfang darauf vorbereitet sein, dass eine angestellte Zahnärztin/ Mitarbeiterin schwanger wird und sie ihr Kind auch nach der Geburt stillt. Denn sobald ein Arbeitgeber von der Schwangerschaft erfährt – meistens plötzlich und unvorbereitet am Morgen bei Arbeitsbeginn – muss er unverzüglich eine Entscheidung über die Weiterbeschäftigung treffen.
Noch vor Inkrafttreten des neuen Mutterschutzgesetzes (MuSchG) am 01.01.2018 hatten wir uns dem Thema Mutterschutz und Beschäftigungsverbot bei schwangeren Zahnärztinnen gewidmet. Dabei hatten wir auch auf die Initiative zweier Chirurginnen verwiesen, die gezeigt hat, dass es Möglichkeiten gibt, eine mutterschutzgerechte Weiterbeschäftigung von Ärztinnen im Interesse der beruflichen Weiterentwicklung auch während der Schwangerschaft zu ermöglichen.
Jetzt ist das MuSchG seit eineinhalb Jahren in Kraft. Ziel war es das veraltete Mutterschutzgesetz von 1952 an die geänderten gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen anzupassen. Das Gesetz wurde ergänzt und sprachlich neu gefasst. Wesentliche Kernelemente wie die Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung und Ergreifung von Schutzmaßnahmen sowie der Anspruch auf Mutterschutzlohn und Mutterschaftsgeld sind geblieben. Trotzdem: Das reformierte MuSchG war nur der Anfang. Es gibt noch einige praktische Hürden, die sich allein anhand des neuen Gesetzeswortlautes so nicht zufriedenstellend lösen lassen und gerade viele Zahnarztpraxen immernoch vor große Herausforderungen stellen. Gerade das Thema Beschäftigungsverbot während der Stillzeit ist zunehmend ein großes Thema, was immer wieder sogar zu Auseinandersetzungen führt.
Wir geben hier nochmal einen Überblick zu den 8 wichtigsten Punkten, die alle Arbeitgeber zum Thema Mutterschutz kennen müssen:
Mutterschutzfristen
Schwangere Frauen dürfen in den letzten 6 Wochen vor der Entbindung nicht beschäftigt werden, soweit sie sich nicht ausdrücklich hierzu bereit erklären (§ 3 MuSchG). Nach der Geburt darf eine Frau in jedem Fall für 8 Wochen nicht beschäftigt werden. Diese Schutzfrist verlängert sich in Einzelfällen (z.B. bei Mehrlingsgeburten auf 12 Wochen).
Für die Zeit der Mutterschutzfristen hat der Arbeitgeber einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld zu zahlen (§ 20 MuSchG). Dieser bestimmt sich nach dem kalendertäglichen Netto-Arbeitsentgelt der letzten 3 abgerechneten Kalendermonate vor Beginn der Schutzfrist unter Abzug des von den Krankenkassen zu zahlenden Mutterschaftsgeldes in Höhe von kalendertäglich 13 Euro.
Verbot der Mehr- und Nachtarbeit, Ruhezeit
Der Arbeitgeber muss sowohl für schwangere als auch stillende Frauen die gesetzlichen Höchstarbeitszeiten nach § 4 MuSchG beachten. Danach dürfen Frauen über 18 Jahre täglich nicht länger als 8,5 Stunden oder über 90 Stunden in der Doppelwoche beschäftigt werden. Zudem darf eine schwangere oder stillende Frau keine Mehrarbeit leisten und es muss stets eine ununterbrochene Ruhezeit von 11 Stunden gewährt werden.
Schließlich dürfen schwangere und stillende Frauen nicht zwischen 20 und 6 Uhr beschäftigt werden (§ 5 MuSchG). Eine Beschäftigung zwischen 20 und 22 Uhr ist nur zulässig, wenn die Frau sich ausdrücklich hierzu bereit erklärt und dies auch von der Aufsichtsbehörde genehmigt wird (§ 28 MuSchG). Auch eine Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen ist grundsätzlich unzulässig, es sei denn die Frau erklärt sich hierzu ausdrücklich bereit und das Arbeitszeitgesetz sowie die Ruhezeiten werden im Übrigen eingehalten (§ 6 MuSchG). Die Frauen sind berechtigt, ihre Erklärung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft zu widerrufen.
Freistellung für Untersuchungen und zum Stillen
Während der Schwangerschaft hat ein Arbeitgeber seine angestellte Zahnärztin/ Mitarbeiterin für die erforderlichen medizinischen Untersuchungen bezahlt von der Arbeit freizustellen (§ 7 Abs. 1 MuSchG). Während der Stillzeit hat eine Frau einen Anspruch darauf, für die zum Stillen erforderliche Zeit freigestellt zu werden (§ 7 Abs. 2 MuSchG). Das Mindesterfordernis beträgt 2 x täglich eine halbe Stunde oder 1 x täglich eine Stunde. Wenn in der Nähe der Arbeitsstätte keine Stillmöglichkeit besteht, soll einmal eine Stillzeit von mindestens 90 Minuten gewährt werden. Da es sich nur um ein Mindesterfordernis handelt, sind Arbeitgeber natürlich frei, auch längere Zeiten einzuräumen.
Gefährdungsbeurteilung – Beschäftigungsverbot ja oder nein?
Die in der Praxis spürbar größte Herausforderung bereitet der sog. betriebliche Gesundheitsschutz, nämlich die Beurteilung der Arbeitsbedingungen und das Treffen von Schutzmaßnahmen nach dem MuSchG. Arbeitgeber sind verpflichtet zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. D.h. jeder Arbeitsplatz muss einer generellen Gefährdungsbeurteilung unterzogen werden. Diese ist auch zu dokumentieren (§ 14 MuSchG). Es geht darum, festzustellen, welchen Gefährdungen schwangere oder stillende Frauen oder ihr Kind nach Art, Ausmaß und Dauer ausgesetzt sind oder sein können. Aufgrund des jeweiligen Ergebnisses muss der Arbeitgeber dann beurteilen, ob besondere Schutzmaßnahmen im Falle der Schwangerschaft oder während der Stillzeit getroffen werden müssen. Die Schutzmaßnahmen sind dabei wie folgt zu ermitteln:
- Kommt eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes in Betracht? Wenn nein:
- Kommt ein Arbeitsplatzwechsel in Betracht? Wenn nein:
- Die angestellte Zahnärztin/ Mitarbeiterin darf nicht beschäftigt werden. Es muss ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen werden.
Das Beschäftigungsverbot ist ultima ratio für den Fall, dass jegliche alternative Beschäftigungsmöglichkeit während der Schwangerschaft oder Stillzeit nicht zumutbar in Betracht kommt. Hintergrund ist, dass Frauen durch die Schwangerschaft und Stillzeit nicht in ihrem beruflichen Fortkommen und ihrer Erwerbstätigkeit gehindert und benachteiligt werden sollen.
Welche Tätigkeiten sind unzulässig?
Um zu beurteilen, ob eine Tätigkeit unzulässig ist, kommt es darauf an, ob diese eine unverantwortbare Gefährdung für Mutter und Kind darstellt. Allgemein wird vertreten, dass Gesundheitsgefährdungen, die durchaus möglich, wenn auch nur gering wahrscheinlich bleiben, kein zu vernachlässigenden Restrisiko darstellen und somit eine unverantwortbare Gefährdung darstellen.
In § 11 MuSchG (für schwangere Frauen) und § 12 MuSchG (für stillende Frauen) hat der Gesetzgeber Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen aufgezählt, die generell als unverantwortbare Gefährdung für Mutter und Kind eingestuft werden und damit unzulässig sind. Dazu gehören Tätigkeiten mit fruchtschädigenden und reproduktionstoxischen Gefahrstoffen, Biostoffe der Risikogruppe 2-4, physikalische Einwirkungen, körperliche Belastungen oder mechanische Einwirkungen sowie Akkordarbeit, Fließarbeit oder getaktete Arbeitstätigkeiten.
§ 11 und § 12 MuSchG regelt darüber hinaus aber auch, wann eine unverantwortbare Gefährdung von Gesetzes wegen als ausgeschlossen gilt. Keine unverantwortbare Gefährdung liegt danach vor, wenn
- für den jeweiligen Gefahrstoff die arbeitsplatzbezogenen Vorgaben eingehalten werden und es sich um einen Gefahrstoff handelt, der bei Einhaltung der Vorgaben als sicher bewertet wird, oder
- der Gefahrstoff nicht in der Lage ist, die Plazentaschranke zu überwinden oder aus sonstigen Gründen ausgeschlossen ist, dass eine Fruchtschädigung eintritt, oder
- wenn der jeweilige Gefahrstoff nicht als reproduktionstoxisch bewertet wird.
In Bezug auf Biostoffe der Risikogruppe 2-4 gilt eine unverantwortbare Gefährdung bei einer schwangeren Frau als ausgeschlossen, wenn diese über einen ausreichenden Immunschutz verfügt. Für stillende Frauen enthält § 12 Abs. 2 S. 4 MuSchG in Bezug auf Biostoffe eine gleichlautende Regelung.
Ob im Einzelfall die Voraussetzungen für den Ausschluss einer unverantwortbaren Gefährdung für eine angestellte Zahnärztin und ihr Kind im Ganzen vorliegen, können letztlich nur entsprechende Fachleute beurteilen, d.h. insbesondere Betriebsmediziner. In der Literatur finden sich derzeit folgende Empfehlungen: Absolute Umgangsverbote mit Biostoffen der Risikogruppe 4, keine zahnpflegerischen oder zahnärztlichen Tätigkeiten an Patienten, bei denen die Gefahr einer Infektion mit blutübertragenden Erregern besteht, keine Tätigkeit mit Nothilfecharakter (Notfallambulanz, Schockraum), keine Reinigungsarbeiten in infektiösen Bereichen, kein Umfang mit infektiösem Abfall (vgl. Aufzählung in Pepping in: Rancke, Handkommentar MuSchG und BEEG, § 11, Rz. 73 mit weiteren Nachweisen).
Nach bisher überwiegend vertretener und praktizierter Auffassung ist eine zahnärztliche Tätigkeit am Patienten während der Schwangerschaft und auch Stillzeit unzulässig. Von Seiten der Zahnärztekammern, Aufsichtsbehörden und Krankenkassen wird dies auch genauso vertreten. Es gibt aber wohl – wenn auch nur vereinzelt – kritische Stimmen, die dies aufgrund der sowieso geltenden Hygienevorschriften kritisch in Frage stellen, insbesondere in der Stillzeit. Arbeitgeber sind daher gut beraten, sich hierzu sowohl medizinischen als auch rechtlichen Rat einzuholen. Auch die Aufsichtsbehörden sind dafür zuständig, den Arbeitgeber bei der Erfüllung seiner Pflichten nach dem MuSchG zu beraten (§ 29 MuSchG).
Aushangpflicht, Dokumentations- und Mitteilungspflichte
Arbeitgeber, die regelmäßig mehr als 3 Frauen beschäftigen, müssen eine Kopie des Mutterschutzgesetzes an geeigneter Stelle auslegen oder aushängen (§ 26 MuSchG). Hierfür reicht es auch, dass das Mutterschutzgesetz in einem elektronischen Verzeichnis, also z.B. auf dem Computer, jederzeit für alle zugänglich ist.
Sobald ein Arbeitgeber von der Schwangerschaft seiner angestellten Zahnärztin/ Mitarbeiterin erfährt, hat er unverzüglich die Aufsichtsbehörde zu benachrichtigen (§ 27 MuSchG). Die Aufsichtsbehörden stellen auf ihrer Homepage hierfür Mitteilungsformulare zur Verfügung.
Arbeitgeber müssen das Ergebnis ihrer Gefährdungsbeurteilung dokumentieren (§ 14 MuSchG). Dazu gehört auch, dass der Bedarf sowie die Festlegung der Schutzmaßnahmen und das Ergebnis der Überprüfung der Schutzmaßnahmen dokumentiert sein muss. Auch müssen alle Mitarbeiter über das Ergebnis der generellen Gefährdungsbeurteilung informiert werden. Wichtig ist vor allem, dass der Arbeitgeber der schwangeren oder stillenden Frau ein Gespräch über weitere Anpassungen ihrer Arbeitsbedingungen anbieten und den Zeitpunkt eines solchen Gesprächs auch dokumentieren muss.
Kommt ein Arbeitgeber seinen Verpflichtungen nicht nach, droht ein Bußgeld von bis zu € 5.000,00 (§32 Abs. 2 MuSchG). Beschäftigt ein Arbeitgeber eine schwangere oder stillende Frau entgegen der Tätigkeitsverbote des MuSchG, kann sogar ein Bußgeld bis zu € 30.000,00 verhängt werden (§ 32 Abs. 2 MuSchG). Handelt er hierbei auch noch vorsätzlich und gefährdet damit Frau und Kind, macht er sich sogar strafbar (§ 33 MuSchG).
Folgen eines arbeitsplatzbezogenen Beschäftigungsverbots – Mutterschutzlohn
Liegen die Voraussetzungen für ein individuelles, arbeitsplatzbezogenes Beschäftigungsverbot vor, besteht das Arbeitsverhältnis zwar fort, die (werdende) Mutter darf jedoch nicht tätig werden. Um hierdurch keinen finanziellen Nachteil zu erleiden, erhält die (werdende) Mutter den sog. Mutterschutzlohn gemäß § 18 MuSchG. Der Mutterschutzlohn berechnet sich nach dem Durchschnittsverdienst der letzten 3 Monaten vor Eintritt der Schwangerschaft. Welche Gehaltsbestandteile hierbei als laufende Vergütung zu berücksichtigen sind, bestimmt § 21 MuSchG.
In der Praxis zeigt sich aber immer wieder, dass gerade dieser Punkt zu Streitigkeiten führt, weil nicht klar ist, welche Zahlungen zum laufenden Entgelt gehören und in die Durchschnittsberechnung einfließen und welche nicht. Dies kann vor allem auch zu Streitigkeiten mit den Krankenkassen führen. Grundsätzlich haben Arbeitgeber in vollem Umfang gegenüber den Krankenkassen einen Anspruch auf Erstattung der Mutterschutzlohnkosten nach § 1 Abs. 2 Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG). Berechnet der Arbeitgeber aber einen Teil der im Vertrag vereinbarten Zahlungen an die Zahnärztin/ Mitarbeiterin in den Durchschnittsverdienst mit ein, die nach Auffassung der Krankenkasse nicht erstattungsfähig ist, weil es sich z.B. nur um eine Einmalzahlung handeln soll („Bonus“), kann es sein, dass die Krankenkasse die Erstattung an den Arbeitgeber zumindest in Teilen verweigert. Auch kann es dazu kommen, dass gerade im Falle eines Still- Beschäftigungsverbots Krankenkassen die Zahlungen nach dem 12. Lebensmonat verweigern. Dies kann mittelbar auch das Arbeitsverhältnis belasten. Wichtig ist es daher, dass schon bei Abschluss des Arbeitsvertrags eine klare Regelung zur Vergütung getroffen wird, um Unstimmigkeiten in diesem Punkt zu vermeiden.
Was passiert mit dem Urlaub?
Gemäß § 24 MuSchG ist vorgesehen, dass für die Berechnung des Urlaubsanspruchs auch die Ausfallzeiten aufgrund eines Beschäftigungsverbots als Beschäftigungszeiten gelten. Hat eine Frau ihren Urlaub vor Beginn eines Beschäftigungsverbots nicht vollständig erhalten, kann sie nach dem Gesetzeswortlaut noch nach dem Ende des Beschäftigungsverbots den Resturlaub im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr beanspruchen. Der Gesetzgeber hatte damit vor allem den Fall vor Augen, dass eine Frau während der Schwangerschaft oder insbesondere aufgrund der Schutzfristen vor und nach der Geburt ihre Tätigkeit nicht ausüben darf, sie aber danach an ihren Arbeitsplatz zurückkehrt. Problematisch wird es allerdings im Falle eines arbeitsplatzbezogenen Beschäftigungsverbots während der Stillzeit und wenn das Arbeitsverhältnis während oder danach endet. Arbeitgeber müssten dann den Resturlaub sowie den während des Beschäftigungsverbots angeblich entstandenen Urlaubsanspruch vollständig finanziell abgelten. Je nach Dauer des Beschäftigungsverbots können sich schnell 30, 60 oder gar mehr Urlaubstage ansammeln. Für eine Einzelpraxis kann das finanziell ruinös sein. Wir sehen hier eine planwidrige Regelungslücke, die aber höchstrichterlich noch nicht geklärt ist. Denn im Falle, dass die Mutter Elternzeit beantragt, haben Arbeitgeber nach § 17 Abs. 1 BEEG die Möglichkeit, den Urlaub in Höhe von 1/12 pro Elternzeitmonat zu kürzen. Eine bewusst geschaffene Regelung im Interesse der Arbeitgeber, um den Urlaubsanspruch an das aktive Arbeitsverhältnis anzupassen. Die Möglichkeit haben Praxisinhaber nicht, wenn sich die angestellte Zahnärztin/ Mitarbeiterin nicht für die Beantragung von Elternzeit entscheidet, sondern sich auf das finanziell attraktivere Beschäftigungsverbot während der Stillzeit beruft.
Praxistipp
Das Thema Schwangerschaft und Mutterschutzgesetz gehört auf die Tagesordnung jeder Praxis und Klinik. Alle Arbeitgeber müssen hier sowohl im eigenen Interesse als auch im Interesse der schwangeren und stillenden Zahnärztin/ Mitarbeiterin ihre Hausaufgaben machen, damit von Anfang an Klarheit darüber besteht, was im Falle der Schwangerschaft zu tun ist und was auf einen zukommt. Gleichzeitig sorgt das neugefasst Mutterschutzgesetz durchaus noch nicht in allen Punkten für die gewünschte Klarheit und Einheitlichkeit. Auch deswegen müssen Arbeitgeber besonders wachsam sein und sollten sich sowohl betriebsmedizinische als auch rechtliche Unterstützung holen, um die Arbeitgeberaufgaben in diesem wichtigen Bereich optimal erfüllen zu können.