6. November 2023

Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 24.10.2023 eine Entscheidung getroffen, die für Unruhe und Unsicherheit in der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung im Notdienst geführt hat (siehe hierzu Pressemitteilung: Bundessozialgericht – Pressemitteilungen – „Pool-Arzt“ im vertragszahnärztlichen Notdienst nicht automatisch selbstständig).

Im Kern wurde entschieden, dass die Tätigkeit eines Zahnarztes, der als „Poolarzt“ im Notdienst tätig ist, nicht automatisch einer Selbständigkeit nachgeht, nur weil er dadurch an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnimmt. Vielmehr komme es für die Frage, ob eine selbstständige Tätigkeit (ohne Sozialversicherungspflicht) oder abhängige Beschäftigung (mit Sozialversicherungspflicht) vorliege, auf die konkreten Umstände im Einzelfall an. Im hier entschiedenen Fall des BSG wurde in letzter Instanz eine abhängige Beschäftigung eines Zahnarztes bejaht. In der Konsequenz bedeutet das, dass die Notdiensttätigkeit sozialversicherungspflichtig gewesen ist und damit für die Kassenärztliche Vereinigungen (Kven) und Kassenzahnärztliche Vereinigungen (KZVen) einen erheblichen finanziellen Mehraufwand darstellen.

Seit Monaten haben verschiedene ärztliche Verbände, KVen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Bundesärztekammer vor den erheblichen Auswirkungen gewarnt, die sich für die Poolärzte ergeben könnten, wenn der ärztliche Bereitschaftsdienst in die Sozialversicherungspflicht einbezogen würde. Bemühungen, im Bundesrat eine Sonderregelung für Ärztinnen und Ärzte zu erwirken, scheinen am Widerstand aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales gescheitert zu sein.

Der Fall

Geklagt hatte ein Zahnarzt, der 2017 seine Praxis verkauft und nicht mehr für die vertragszahnärztliche Versorgung zugelassen war. Seine zahnärztliche Tätigkeit beschränkte sich in den Folgejahren nur noch auf von der KZV organisierte Notdienste, die er überwiegend am Wochenende übernahm. Die KZV betrieb dafür ein Notdienstzentrum. Sie stellte auch die personellen und sächlichen Mittel zur Verfügung. Der erbrachten Behandlungsleistungen wurden nicht individuell vom Zahnarzt selbst abgerechnet. Vielmehr erhielt er ein festes Stundenhonorar.

Die Entscheidung zulasten der Poolärzte

Anders als die Vorinstanzen und auch anders als die Deutsche Rentenversicherung, die im Vorfeld mit dem Fall betraut waren, sah das BSG hier keine Selbständigkeit an. Dafür sprach nach Auffassung des 12. Senats, dass der Zahnarzt in diesem Fall in die organisatorischen Abläufe der KZV eingegliedert war und keinen entscheidenden und vor allem auch keinen unternehmerischen Einfluss hatte.

Er hat sich in eine von dritter Seite organisierte, fremdbestimmte Struktur eingefügt und wurde stundenweise bezahlt. Die eigene Abrechnungsbefugnis, die für Vertragszahnärzte typisch ist, fehlte zudem auch. Dass der Zahnarzt im Rahmen seiner Tätigkeit bei der konkreten medizinischen Behandlung frei und eigenverantwortlich handeln konnte, fällt nach Auffassung des BSG dagegen nicht entscheidend ins Gewicht.

Fazit und Kommentar

Ob sie wollen oder nicht: Nach den Honorarärzten sind nun auch Poolärzte im Notdienst in der Regel abhängige und damit sozialversicherungspflichtig Beschäftige im Sinne des § 7 SGB IV. Der Annahme, dass allein die Teilnahme am Notdienst eine Selbständigkeit begründet, weil man damit an der vertragszahnärztlichen Versorgung im Sinne von § 75 SGB V teilnimmt, erteilte das BSG eine Absage.

Ein Kernpunkt dabei sei nach wie vor, in welchem Ausmaß jemand in die Arbeitsorganisation und Struktur eines anderen eingegliedert ist. Hier muss stets sehr gründlich geprüft werden, ggf. auch an den gelebten Strukturen gearbeitet werden, wenn man den Status eines sozialversicherungspflichtig abhängig Beschäftigten bei Ärzten und Zahnärzten vermeiden will.

Das Urteil des BSG mag aufgrund der Gesetzeslage juristisch konsequent sein. Die praktischen Auswirkungen sind allerdings verheerend für die ärztliche Versorgung. Einzelne KVen und KZVen sahen sich nach dem Urteil unmittelbar gezwungen, den Notdienst sofort einzuschränken, da sie nicht mehr die Möglichkeit sahen, die Notdienste in der bisherigen Form weiterzubetreiben. Das ist tatsächlich dramatisch, denn am Ende geht dies nur zulasten der Sicherstellung der Notdienstversorgung und damit zulasten der Patientenversorgung.

Da hilft es auch nicht, wenn der Vorsitzende Richter Andreas Heinz des entscheidenden 12. Senats nach Angaben im Ärzteblatt betont hat, es handele sich um einen spezifischen Einzelfall, der nicht zwangsläufig landes- oder bundesweite Konsequenzen entstehen lassen müsse. Denn wenn eine Vielzahl der Poolärzte die gleichen Kriterien wie der Zahnarzt im konkreten Fall erfüllen, und so scheint es zu sein, ist es die logische Konsequenz nach dieser eindeutigen Entscheidung, diese erstmal aus dem Pool abzuziehen, um erhebliche Nachzahlungspflichten zu vermeiden.

Dass es eine gesetzgeberische Lösung braucht, ist keine Frage. Dass es eine solche nach wie vor noch nicht gibt, ist ärgerlich. Die aktuelle Gesetzeslage geht an der Realität vorbei und braucht Anpassungen, die der heutigen Lage gerecht werden. Wir haben schon jetzt zu wenig Personal im Gesundheitswesen. Die Unsicherheit um die Sozialversicherungspflicht und fehlende Lösungsansätze werden die Abwärtsspirale hierzu eher beschleunigen als aufhalten.

Es bleibt zu hoffen, dass das Urteil nochmal ein Weckruf war, alsbald effektive Lösungen für eine sichere Gesundheitsversorgung zu finden. Jedenfalls kann es nicht sein, dass die Sozialversicherungspflicht am Ende auf dem Rücken der willigen Ärzte und Zahnärzte und der behandlungsbedürftigen Patienten ausgetragen wird.

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