4. Mai 2015

Die Erfahrung aus unserer täglichen Praxis zeigt, dass gerade in (Zahn)Arztpraxen das Arbeitsrecht beinahe ausnahmslos unterschätzt wird! Unabhängig von der Praxisgröße lässt sich feststellen, dass die Chancen und Risiken des Arbeitsrechts unberücksichtigt gelassen werden und zuweilen riskante Zustände herrschen. Ein erheblicher Risikofaktor liegt z.B. in dem regelmäßig anzutreffenden, selbst gestrickten Arbeitsverträgen. Nicht selten finden wir Arbeitsverträge vor, die bereits in einem Anstellungsverhältnis des Vorgängers Verwendung gefunden haben. Es kommt sogar vor, dass beim Versuch, den alten Arbeitsvertrag auf das neue Arbeitsverhältnis anzupassen, wesentliche Gesichtspunkte nicht korrigiert werden. So werden häufig Berufsanfängern 30 oder mehr Urlaubstage gewährt oder aber eine großzügige Gratifikationsregel, die eigentlich durch den Weggang des alten Mitarbeiters beendet werden sollte, bleibt bestehen.

Nachweisgesetz

Sicher, solche Fehler lassen sich grundsätzlich im Einvernehmen mit dem Mitarbeiter korrigieren, jedoch kommt auf Arbeitgeberseite die Erkenntnis oft erst dann, wenn im Rahmen einer Trennung die Klageschrift mit den erhellenden Forderungen auf den Tisch kommt. Das Nachweisgesetz geht davon aus, dass im schriftlich fixierten Arbeitsvertrag gerade die wesentlichen Interessen des Arbeitgebers geregelt wurden, da dieser anderenfalls für die nicht schriftlich festgehaltenen Gesichtspunkte beweispflichtig wäre, kommt der Arbeitgeber dann regelmäßig in arge Bedrängnis.

Natürlich kann man als Praxisinhaber einen Arbeitsgerichtsprozess auch über sich ergehen lassen und die streitigen Punkte durchfechten, jedoch sieht das Gebührenrecht in arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen vor, dass jede Partei die bei sich anfallenden Kosten selbst zu tragen hat, unabhängig vom Ausgang eines Verfahrens. Ein Arbeitgeber, der sich im Rahmen einer arbeitsgerichtlichen Streitigkeit gegen den Arbeitnehmer durchsetzen konnte, hat demzufolge regelmäßig dennoch seine Verfahrens- und Rechtsanwaltskosten zu tragen. Bereits bei einem monatlichen Bruttogehalt des Arbeitnehmers von € 1.750,– können sich die Kosten schnell auf bis zu € 2.000,– summieren.

arbeitsgerichtliche Rechtsprechung

Das Arbeitsrecht, das wesentlich durch das sogenannte Richterrecht geprägt wird, also durch die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung -insbesondere die des Bundesarbeitsgerichtes-, ist für den Laien kaum durchschaubar. Denn die Flut an Rechtsprechungen und entsprechender Fachbeiträge ist selbst für den versierten Juristen oftmals unübersichtlich, wenn er sich nicht im Arbeitsrecht überwiegend einem Schwerpunktthema widmet, wie z.B. dem Arbeitsrecht für Zahnärzte.

Die grundlegenden Veränderungen in diesem Bereich finden meist still und leise Eingang in das Arbeitsrecht. So wurden im Zuge der großen Schuldrechtsreform im Jahre 2002 auch die bis dahin nicht betroffenen Arbeitsverträge in die sog. AGB-Kontrolle einbezogen.

Hintergrund war, dass mit der Schuldrechtsreform das selbständige AGB-Gesetz in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) integriert wurde. Hieraus hat sich ergeben, dass die einzelnen Arbeitsvertragsklauseln der Überprüfung der AGB-Regelungen standhalten müssen. In vielen Fällen werden althergebrachte Klauseln daher einer aktuellen rechtlichen Prüfung nicht mehr standhalten.

Ein anschauliches Beispiel stellen Gratifikationsregelungen dar. Unabhängig davon, ob Gratifikationen und/ oder Sonderzulagen überhaupt ein probates Mittel sind, Mitarbeiter im Sinne der Praxisziele zu führen, wird in Arbeitsverträgen beinahe ausnahmslos von „freiwilligen“ und/ oder „widerruflichen“ Gratifikationen (Weihnachts- und/ oder Urlaubsgeld) oder sogar von „freiwillige, jederzeit frei widerruflichen Sonderzahlungen“ gesprochen. Solche ehemals gebräuchlichen Formulierungen halten schon seit einiger Zeit einer Überprüfung anhand des geltenden Arbeitsrechts nicht mehr stand. Die Folge daraus kann z.B. sein, dass Sonderzahlungen nicht mehr arbeitgeberseitig zurückgenommen werden können bzw. fester Bestandteil der arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung werden, was letztlich zu erheblichen finanziellen Engpässen führen kann.

Auch Regelungen über variable Lohnbestandteile sind oftmals problematisch, da eine solche variable Vergütung regelmäßig umsatzgebunden ist. Was aber ist, wenn der Arbeitnehmer krank wird oder urlaubsbedingt ausfällt und er in dieser Zeit keinen Umsatz erwirtschaften kann? Aufgrund der Regelungen des Entgeltfortzahlungs- und Bundesurlaubsgesetzes ist dem Arbeitnehmer in solchen Zeiten ein „durchschnittliches“ Gehalt zu zahlen. Große Unternehmen können diese rechtlichen Konsequenzen verschmerzen. Bei einer durchschnittlich großen Zahnarztpraxis kann dies ganz anders aussehen.

Der falsche Umgang oder aber die unzureichende Nutzung der vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten des Arbeitsrechts sind zudem mit Ursache für die Häufigkeit von Arbeitsunfähigkeiten. Es ist falsch zu glauben, Arbeitnehmer seien nur über die Vergütung zu motivieren. Letztlich handelt es sich hierbei nur um einen von diversen Punkten die zu einer höheren Mitarbeitermotivation führen. Ein arbeitsvertraglich zugesichertes Arbeitsumfeld oder festgeschriebene Mitarbeitergespräche sind regelmäßig eben soviel wert wie eine Einmalzahlungen oder zur Gewohnheit gewordenes Weihnachts- und Urlaubsgeld.

Deshalb noch mal zum Anfang: Nutzen Sie die Vielgestaltigkeit der rechtlichen Möglichkeiten und betrachten Sie das Arbeitsrecht als Gestaltungsmittel, um Ihre Ziele zu erreichen.

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