17. Juli 2023

Im September 2022 hatte das Bundesarbeitsgericht in einer viel beachteten Entscheidung (Beschl. v. 12.09.2022, Az.1 ABR 22/21) rechtsfortbildend die klare Verpflichtung für Arbeitgebende geschaffen, die Arbeitszeit der Arbeitnehmenden zu erfassen. Seit fast neun Monaten müssen alle Beschäftigten ihre Arbeitszeit erfassen. In der Praxis geschieht das allerdings nicht. Um dies zu ändern, wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales nach langer Wartezeit der Entwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes vorgelegt, mit dem die bestehenden europarechtlichen Vorgaben zur Arbeitszeiterfassung auch im nationalen Recht umgesetzt werden sollen. Die Arbeitgeber sind nach geltender Rechtsprechung dazu verpflichtet, die Arbeitszeit zu erfassen. Diese Aufgabe können sie an die Arbeitnehmer delegieren. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat in einem kürzlich veröffentlichten Urteil festgehalten, dass sich die Arbeitgebenden auf eine einwandfreie Dokumentation der Arbeitszeit durch die Mitarbeitenden verlassen dürfen. Nutzen diese wissentlich und vorsätzlich das dafür bereitgestellte Arbeitszeiterfassungssystem falsch, so stellt dies einen schweren Vertrauensmissbrauch und Arbeitszeitbetrug dar. Wird die Tat dann auch noch geleugnet, ist sogar die fristlose Kündigung gerechtfertigt.

Was war passiert?

Eine bereits 8 Jahre bei Ihrem Arbeitgeber tätige Raumpflegerin war während ihrer Arbeitszeit rund 10 Minuten mit einer weiteren Person zum Kaffeetrinken im gegenüberliegenden Café. Im vorgegebenen elektronischen Arbeitszeiterfassungssystem hatte sie diese Pause nicht vermerkt – weder durch Auschecken auf dem Weg zu Café, noch durch spätere Korrektur.

Zuvor hatte sie ihre Abwesenheit vorbereitet, indem sie Kollegen sagte, dass sie in den Keller gehen würde. Vom Arbeitgeber mit dem heimlichen Cafébesuch konfrontiert, leugnete sie diesen und beteuerte, im Keller gewesen zu sein. Erst nachdem der Arbeitgeber sie über bestehende Beweisfotos in Kenntnis gesetzt hatte, gab sie schließlich zu, sich zur Kaffeepause weder aus – noch wieder eingeloggt zu haben.

Der Arbeitgeber kündigte ihr fristlos, ohne vorherige Abmahnung. Hiergegen klagte die Raumpflegerin.

Was entschied das Gericht?

Sowohl das Arbeitsgericht Gelsenkirchen (1 Ca 1708/21) als auch das mit der Berufung der Raumpflegerin beschäftige Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm (13 Sa 1007/22) befanden die außerordentliche Kündigung der für wirksam. Beide Gerichte sahen in dem vorsätzlichen Verstoß der Arbeitnehmerin gegen ihre Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit richtig zu dokumentieren, an sich schon einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung.

Als besonders schweren Vertrauensbruch sah das LAG das spätere Lügen ins Gesicht des Arbeitgebers an, was letztlich den Ausschlag in der Abwägung über die Verhältnismäßigkeit der fristlosen Kündigung gab. Denn sie hatte eben nicht nur ihre Arbeitszeit falsch erfasst, sondern hat den um Aufklärung bemühten Arbeitgeber, der ihr Gelegenheit zur Stellungnahme geben wollte, dann auch noch angelogen, um ihre Tat nachhaltig zu vertuschen. Das Gericht war der Auffassung, dass sie durch dieses Leugnen ihr auf Heimlichkeit und Verschleierung angelegtes Verhalten in einem solchen Maße vertieft habe, dass der Arbeitgeber auch nicht mehr damit rechnen brauchte, dass eine Abmahnung zur (zukünftigen) Einsicht führe. Er durfte damit fristlos kündigen.

Wann liegt Arbeitszeitbetrug vor?

Der Begriff Arbeitszeitbetrug umfasst eine ganze Palette an mutwillig oder vorsätzlich begangenen Verstößen rund um das Thema Arbeitszeit.

Durch den Arbeitsvertrag stehen Arbeitnehmende in der Pflicht zu arbeiten. Die Zeit, die sie mit der Arbeit verbringen, wird vergütet. Diese gegenseitige Verpflichtung ergibt sich aus § 611a BGB. Ein Arbeitszeitbetrug ist jede Tätigkeit, die den Mitarbeiter davon abhält, seine Aufgaben zu erledigen. Es handelt sich um eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmenden. Der Toilettengang, eine Tasse Kaffee holen oder ein Schwätzchen mit dem Kollegen fallen nicht darunter.

Im Zusammenhang mit einer Zeiterfassung bedeutet Arbeitszeitbetrug, dass der Angestellte laut System arbeitet oder anwesend ist, auch wenn das nicht stimmt. Häufig genannte Fälle sind Raucherpausen, für die Beschäftigte sich nicht ausstempeln, oder Kollegen, die bereits gegangene Mitarbeiter später ausstempeln.

Die Manipulation von Arbeitszeitsystemen geschieht vorsätzlich und ist Betrug. Surft der Mitarbeitende während der Arbeitszeit privat im Internet oder telefoniert privat, ist dies ebenfalls ein Arbeitszeitverstoß. Der Arbeitgeber würde die Mitarbeitenden für Freizeitaktivitäten bezahlen, was in der Regel nicht dem Arbeitsvertrag entspricht.

Was bedeutet die Entscheidung?

Die Bedeutung für Arbeitnehmende ist klar und einfach: sei ehrlich!

Arbeitgebende sollten, stellen sie eine fehlerhafte Aufzeichnung der Arbeitszeiten im eigenen Betrieb fest, zunächst das Gespräch suchen und die Umstände bestmöglich dokumentieren. In den meisten Fällen ist bei einem ersten Fehlverhalten eine Abmahnung angemessen und geeignet, um zukünftige Verstöße gegen die Pflicht zur korrekten Arbeitszeiterfassung zu vermeiden.

Bei wiederholt falsch dokumentierter Arbeitszeit trotz Abmahnung oder besonders schwerwiegender Umstände, wie im hier entschiedenen Fall, kann eine (fristlose) Kündigung in Betracht kommen. Um in einem dann möglicherweise folgenden Arbeitsrechtsstreit entstehende Nachteile zu vermeiden, sollten die rechtlichen Voraussetzungen im Vorfeld geklärt werden. Gerne stehen wir Ihnen auch hierbei beratend zur Seite.

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