5. August 2019

Auch bei Ärzten ist ein verstärkter Fachkräftemangel zu verspüren. Der Einsatz von Honorarärzten ist grundsätzlich geeignetes Mittel, um in strukturschwachen Regionen etwaigen Versorgungsengpässen entgegenzuwirken: Honorarärzte sind kurzfristig und flexibel einsetzbar. Mit dem verstärkten Aufkommen von Honorarärzten in Krankenhäusern wurde die Frage nach deren Selbständigkeit präsenter.

Wegweisendes Urteil des BSG zu Honorarärzten

Das BSG fällte Anfang Juni ein wegweisendes Urteil zur Stellung von Honorarärzten im Krankenhaus (Az.: B 12 R 11/18 R als Leitfall). Es führte aus: „Ärzte, die als Honorarärzte in einem Krankenhaus tätig sind, sind in dieser Tätigkeit regelmäßig nicht als Selbständige anzusehen, sondern unterliegen als Beschäftigte des Krankenhauses der Sozialversicherungspflicht“. Nähere Ausführungen dazu finden Sie in unserem entsprechenden Blogbeitrag.

Dieses Urteil schuf für Krankenhäuser Klarheit, auch wenn diese ein anderslautendes Urteil ersehnt hätten. Das BSG betonte, dass ein etwaiger Fachkräftemangel im Gesundheitswesen keinen Einfluss auf die rechtliche Beurteilung des Vorliegens einer Versicherungspflicht haben könne.

Selbständige Tätigkeit des Honorararztes laut LSG Bayern möglich

Das LSG Bayern entschied durch Urteil vom 11.04.2019 (Az.: L 7 R 5050/17), dass es eine selbständige Tätigkeit von Honorarärzten geben kann. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, allerdings ist auch in Anbetracht des anderslautenden BSG-Urteils davon auszugehen, dass das Urteil des LSG Bayern Bestätigung finden wird.

Das Verfahren führten eine Einrichtung, die kassenärztliche Leistungen der „spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) erbringt, und ein niedergelassener, in einem medizinischen Versorgungszentrum tätiger Palliativmediziner. Dieser erbringt für die Einrichtung ambulante Palliativleistungen aufgrund eines Kooperations-Honorarvertrags. Die Kläger wehren sich gegen die Auffassung der Beklagten, es handele sich um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis mit der Folge der Sozial- und Rentenversicherungspflicht.

Das LSG Bayern entschied, dass im Rahmen einer Gesamtabwägung die Merkmale für eine selbständige Tätigkeit überwiegen. Maßgeblich zur Beurteilung sei auch der Wille, der aus der getroffenen Vereinbarung hervorgehe. Gegen ein Abhängigkeitsverhältnis spreche unter anderem, dass der Palliativmediziner zur höchstpersönlichen Leistung verpflichtet ist und bei Verhinderung eigenständig einen Vertreter einsetzen darf, dass ein Weisungsrecht der Einrichtung ausdrücklich ausgeschlossen ist, dass er zu Rufbereitschaft nicht verpflichtet ist und dass keine wesentliche Eingliederung in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation festzustellen ist. Auch die Pflicht des Palliativmediziners, seine Leistungen zu dokumentieren, begründe kein Abhängigkeitsverhältnis, sondern sei unvermeidliche Folge des Kooperationsverhältnisses und notwendig, um die bestmögliche Versorgung des Patienten sicherzustellen. Auch spreche die mögliche Eigenvorsorge aufgrund des hohen Arbeitsentgelts für eine selbständige Tätigkeit. Zudem seien die getätigten Aufwendungen für seine Zusatzqualifikation Zeichen eines bestehenden Unternehmerrisikos, da die Aufwendungen nicht dem Privatbereich zuzuordnen seien.

Vergleich und Ausblick

Im Unterschied dazu war Gegenstand des Urteils des BSG die Tätigkeit einer Anästhesistin, die unter anderem wiederholt Tag- und Bereitschaftsdienst übernahm, im OP arbeitete und als Teil eines ganzen Teams arbeitsteilig unter der Leitung eines Verantwortlichen zusammenarbeiten musste. Sie nutzte personelle und sachliche Ressourcen des Krankenhauses bei ihrer Tätigkeit und war in den Betriebsablauf eingegliedert.

Stellt man das Urteil des BSG und das des LSG Bayern gegenüber, zeigt sich, dass grundsätzlich gleichlaufende Kriterien zur Beurteilung herangezogen wurden. Es kommt im Hinblick auf die Frage nach der Selbständigkeit auf die Umstände und die vertraglichen sowie tatsächlichen Gegebenheiten an, sodass sich eine pauschale Einschätzung und Bewertung verbietet und eine Gesamtabwägung der Umstände im Einzelfall vorgenommen werden muss.

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