Kurzarbeit für Praxen war in der Vergangenheit geradezu abwegig und undenkbar. Die Corona-Pandemie hat Einiges auf den Kopf gestellt. Auch einige Praxen sahen sich im Frühjahr 2020 gezwungen, Kurzarbeit anzumelden, weil viele Termine abgesagt wurden. Wurden dann unerwartet doch mehr Patienten behandelt als gedacht, kam man schnell in den Bereich von Überstunden. Aber sind Überstunden während der Kurzarbeit überhaupt zulässig?
Sinn und Zweck von Kurzarbeit
Zweck der Kurzarbeit ist, die personellen Kapazitäten bei vorübergehendem Arbeitsausfall zu reduzieren, um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Das Kurzarbeitergeld fängt dabei den teilweisen Verlust des Lohnanspruchs der Mitarbeiter auf.
Voraussetzung für die Kurzarbeit und den Bezug von Kurzarbeitergeld (KUG) ist, dass der vorübergehende Arbeitsausfall auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht, unvermeidbar ist und der Ausfall der Agentur für Arbeit angezeigt ist. Der Arbeitsausfall muss zudem erheblich sein. Dies ist seit Corona der Fall, wenn mind. 10% der Beschäftigten von einem Arbeitsausfall im Umfang von mind. 10% betroffen sind.
Überstunden und Kurzarbeit sind also ersichtlich ein Widerspruch in sich. Überstunden während der Kurzarbeit sind vielmehr sogar ein Indiz dafür, dass gar kein unvermeidbarer Arbeitsausfall vorlag.
Lediglich ausnahmsweise können Überstunden zulässig sein, wenn dringende Arbeiten zu erledigen sind. Beispielhaft gelten hier Fälle, wenn dringende Reparaturarbeiten oder die Abwicklung eines eiligen Einzelauftrags erledigt werden muss. Denkbar erscheint auch, wenn sich aufgrund der Verteilung der Arbeitszeit während der Kurzarbeit ggf. Überstunden ergeben, weil Mitarbeiter in einer Woche voll arbeiten, in der anderen Woche gar nicht. Hier wird es im Ergebnis auf eine Betrachtung der Durchschnittsarbeitszeit ankommen. In jedem Fall sollte klar sein, dass es sich wirklich um ganz besondere Situationen und Einzelfälle handelt, die sich auch entsprechend darlegen lassen. Etwaige Überstunden dürfen daher nur die absolute Ausnahme sein und nicht zur Regel werden.
Sind Überstunden bei Kurzarbeit zu vergüten?
Ausnahmsweise geleistete Überstunden müssen selbstverständlich auch bezahlt werden. Dies gilt in Praxen jedenfalls für (zahn)medizinische Fachangestellte, für die regelmäßig eine Vergütungserwartung nach § 612 BGB besteht. Die Leistung von Überstunden dürfte sich im Einzelfall für die Mitarbeiter auch nicht spürbar negativ auswirken. Das Entgelt für die Überstunden wird vom sog. Soll-Entgelt bei der KUG-Berechnung abgezogen und beim Ist-Entgelt hinzugerechnet. Vom Arbeitgeber erhält der Mitarbeiter also das zusätzliche für Überstunden geleistete Entgelt, lediglich der Anspruch auf das Kurzarbeitergeld verringert sich.
Vorsicht bei falschen Angaben
Arbeitgeber sind verpflichtet, bei der Anzeige der Kurzarbeit die Voraussetzungen für die Kurzarbeit und den Bezug von Kurzarbeitergeld glaubhaft zu machen. Desweiteren sind die Praxisinhaber im Rahmen der Abrechnung am Ende des Monats verpflichtet, die tatsächlich geleistete Arbeit an die Bundesagentur für Arbeit richtig zu melden. Die Bundesagentur für Arbeit ist auch berechtigt, eine Überprüfung der Lohnberechnung vorzunehmen. Wenn im Rahmen einer Überprüfung nun festgestellt wird, dass wider besseren Wissens falsche Angaben gemacht wurden, kann das empfindliche strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen (z.B. Strafbarkeit wegen Betrug, Subventionsbetrug). Im Übrigen können zu Unrecht gezahlte Beträge zurückgefordert werden und auch Bußgelder verhängt werden. Problematisch ist dies in erster Linie für die Arbeitgeberseite. Für Arbeitnehmer kann dies allerdings auch Folgen haben, wenn sie z.B. bewusst falsche Stundenzettel ausfüllen. Dies könnte eine strafbare Beihilfeleistung darstellen.
Fazit zur Kurzarbeit in der Praxis
Überstunden während Kurzarbeit sind ein Widerspruch in sich und daher grundsätzlich unzulässig. Etwas anderes gilt nur in einzelnen Ausnahmefällen, insbesondere wenn dringende Einzelaufträge fertiggestellt werden müssen. Letztlich wird es darauf ankommen, dass der Arbeitgeber am Ende korrekte Arbeitszeiten an die Bundesagentur für Arbeit übermittelt und entsprechende Überstunden korrekt im Soll- und Ist-Entgelt berücksichtigt werden. Bewusst falsche Angaben können anderenfalls sogar strafrechtlich verfolgt werden.