Die präzise und rechtssichere Berechnung anteiliger Lohnansprüche beschäftigt Praxisinhaber und HR-Abteilungen regelmäßig – insbesondere dann, wenn Mitarbeitende unterjährige Ein- oder Austritte haben oder variable Gehaltsbestandteile mit Lohnfortzahlung im Urlaubs- und Krankheitsfall Teil des Entgelts sind. Rechtsprechung und Praxis bieten dafür nicht die eine korrekte Lösung, sondern verschiedene Berechnungsmodelle der Lohnansprüche. Die Herausforderung besteht darin, arbeitsrechtlich korrekt und praxistauglich Teil- und Lohnfortzahlungen zu berechnen.
Anspruch auf (anteiliges) Arbeitsentgelt
Nach § 611a Abs. 2 BGB haben Arbeitnehmer grundsätzlich Anspruch auf das vereinbarte Arbeitsentgelt. Bei Eintritt oder Austritt im laufenden Monat stellt sich regelmäßig die Frage, wie das Entgelt rechtssicher und transparent anteilig zu berechnen ist. Das Gesetz gibt keine abschließende Regelung für die konkrete Berechnungsmethode vor – hier hat sich eine differenzierte Rechtsprechung und Praxis etabliert.
Die Kalendertagsmethode
Grundsatz: Das vereinbarte Monatsgehalt wird durch die Anzahl der Kalendertage eines Monats geteilt und mit der Zahl der anspruchsberechtigten Tage multipliziert.
Beispiel:
Monatsgehalt: 3.000 €
30 Kalendertage; Anspruch: 10 Tage
Berechnung: (3.000 € / 30 Tage) x 10 Tage = 1.000 €
Rechtsprechung: Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sieht die Kalendertagsmethode grundsätzlich als zulässig an, insbesondere wenn das monatliche Grundentgelt unabhängig von der tatsächlichen Arbeitsleistung (Arbeitstage, Wochenenden, Feiertage) gezahlt wird.
Die Arbeitstage-Methode
Grundsatz: Das Monatsgehalt wird durch die vertraglich festgelegte Zahl der tatsächlichen Arbeitstage im Monat geteilt und mit den tatsächlich geleisteten Tagen multipliziert.
Beispiel:
Monatsgehalt: 3.000 €
21 Arbeitstage im Monat; Anspruch: 8 gearbeitete Tage
Berechnung: (3.000 € / 21 Arbeitstage) x 8 = 1.142,86 €
Rechtsprechung: Vereinzelte Gerichte haben diese Methode anerkannt, da so die tatsächliche Arbeitsleistung abgerechnet wird. Die Methode ist aufwendiger und dabei exakter als die Kalendertagsmethode. Bei richtiger Anwendung ist davon auszugehen, dass auch diese Variante rechtlichen Bestand hat.
Lohnansprüche bei variablen/umsatzabhängigen Vergütungen
Das Bundesarbeitsgericht sieht umsatz- oder leistungsabhängige Vergütungsbestandteile („Provisionen“, „Umsatzbeteiligungen“) als Teil des regelmäßigen Arbeitsverdienstes. Damit sind Sie im Rahmen der Lohnfortzahlung bei Krankheit und Urlaub nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz/ Bundesurlaubsgesetz zu berücksichtigen.
Der zu berücksichtigende Referenzzeitraum beträgt regelmäßig 13 Wochen für die Entgeltfortzahlung, kann bei starken Schwankungen aber auch durchaus mit 12 Monaten angesetzt werden, jeweils rückwirkend vor Eintritt der Abwesenheit. Bei Sonderzahlungen (wie einmalige Prämien oder Gratifikationen) sind hingegen andere Regeln zu beachten – sie gehören regelmäßig nicht in die Bemessungsgrundlage für die Lohnfortzahlung.
Berechnung
Für variable Lohnbestandteile (z. B. Umsatzbeteiligung) kann die Berechnung kompliziert und aufwendig sein. Je exakter die Berechnung erfolgt, desto rechtssicherer ist das Ergebnis. In der Berechnung sind die konkret getroffenen Regelungen zu berücksichtigen.
Grundsätzlich wird ein repräsentativer Durchschnittszeitraum nach den gesetzlichen Vorgaben gebildet. Bei Urlaubsabwesenheit sind dies 13 Wochen vor der Fehlzeit. Anhand der Umsätze dieser 13 Wochen ist der Umsatz zu berechnen, der durchschnittlich an den Arbeitstagen der Abwesenheit erzielt worden wäre. Der so ermittelte Tagesdurchschnitt wird auf die Abwesenheit hochgerechnet und dem restlichen monatlichen Entgelt zugeschlagen.
Beispiel „Umsatzabhängige Vergütung“:
Arbeitnehmer fehlt 6 Arbeitstage (Urlaub): 6 x 3.000 € = 18.000 €
Der so ermittelte fiktive Umsatz wird dem tatsächlich im jeweils aktuellen Monat erzielten Umsatz zugeschlagen, und so die für den gesamten Monat maßgebliche Umsatzschwelle inklusive der fiktiven Umsatztage ermittelt. Soweit die Umsatzschwelle überschritten ist, kann daraus dann wie üblich die vereinbarte prozentuale Beteiligung von 30 % berechnetwerden
Beispiels-Formel (verkürzt): Fiktiver Umsatz für Ausfallzeit = (Gesamtumsatz letzte 13 Wochen / gearbeitete Tage) * ausgefallene Arbeitstage
Lohnsteuer- und sozialversicherungsrechtliche Aspekte
Umsatzabhängige Lohnanteile und Lohnfortzahlungen gelten als regulärer Arbeitslohn und müssen daher versteuert und verbeitragt werden. In vielen Praxen wird die umsatzabhängige Vergütung – ähnlich wie die KZV-Abrechnung – vierteljährlich berechnet. Für die Sozialversicherung ist dabei die Jahrestabelle maßgeblich.
Das heißt: Die quartalsweise gezahlte Umsatzbeteiligung wird in der Lohnabrechnung rechnerisch auf die Monate des gesamten Betrachtungszeitraums verteilt. So wird verhindert, dass durch das Überschreiten der Beitragsbemessungsgrenze in den Auszahlungsmonaten ein finanzieller Vorteil entsteht. Wird dies nicht korrekt berücksichtigt, kann das in der nächsten Prüfung auch für den Arbeitgeber teuer werden. Nach § 28g SGB IV dürfen nicht abgeführte Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nur innerhalb der nächsten drei Gehaltsabrechnungen nachträglich einbehalten werden. Danach ist eine Rückforderung von dem Arbeitnehmer nicht mehr möglich.
Ebenso riskant ist eine Nicht-Zahlung der fiktiven Umsatzbeteiligungen in der Lohnfortzahlung, selbst wenn dies in Absprache mit dem Arbeitnehmer erfolgt. Im Gegensatz zur Lohnsteuer entstehen die Sozialversicherungsbeiträge nicht erst in dem Zeitpunkt des Zuflusses beim Arbeitnehmer, sondern grundsätzlich mit der Fälligkeit des Arbeitsentgelts, unabhängig davon, ob das Entgelt tatsächlich an den Arbeitnehmer ausgezahlt wurde.
Fazit: Lohnansprüche
- Achten Sie bei Umsatzbeteiligungen darauf, dass der Referenzzeitraum (13 Wochen für Lohnfortzahlung, z.B.bei Urlaubsentgelt) korrekt dokumentiert wird.
- Prüfen Sie, ob für Ausfallzeiten (Krankheit, Urlaub) fiktiv berechnete Umsatzbeteiligungen auszuzahlen sind, um spätere Nachforderungen zu vermeiden.
- Gehaltsstruktur (Fixum/Umsatzbeteiligung) klar trennen und transparent machen.
- Vertragsklauseln und Berechnungsmethoden regelmäßig überprüfen (z. B. Anpassung an aktuelle Rechtsprechung).
- Berücksichtigung bei der Gestaltung von Umsatzbeteiligungen.
- Alle Ansprüche und Berechnungen nachvollziehbar dokumentieren.
Achtung: Die jeweils enthaltenen Berechnungen sind Beispiele und können nicht auf jeden Einzelfall übertragen werden. Es ist daher eine Einzelfallprüfung durch spezialisierte Steuerberater/Rechtsanwälte zu empfehlen.
Autoren:
Nadine Ettling, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht bei Lyck+Pätzold. healthcare. recht
Felix Roth, Wirtschaftsprüfer und Geschäftsführer der Erbacher, Lyck + Pätzold Steuerberatungsgesellschaft
