7. August 2024

Das Arbeitsrecht im Gesundheitswesen ist ein vielschichtiges und komplexes Feld, das oft Unklarheiten hervorruft und sowohl für Praxisinhaber als auch für Mitarbeiter eine Reihe von Herausforderungen mit sich bringt. Die Vorschriften zu Arbeitszeiten, Urlaubsansprüchen und Überstunden sind häufig kompliziert und nicht immer klar formuliert. Dies kann selbst für erfahrene Praktiker zu Schwierigkeiten führen, wenn es darum geht, die Regelungen korrekt anzuwenden und die Rechte und Pflichten sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer zu verstehen.

Dieser Blog zielt darauf ab, wichtige Fakten und aktuelle Entwicklungen im Arbeitsrecht zu beleuchten, die speziell für Praxen von Bedeutung sind. Indem wir die arbeitsrechtlichen Themen genauer beleuchten, bieten wir praxisnahe Einblicke und Tipps, wie Sie Ihre Praxis effektiv managen und gleichzeitig ein attraktiver Arbeitgeber bleiben. Sie vermeiden nicht nur rechtliche Fallstricke und binden Ihre Mitarbeiter langfristig und motiviert.

Praxisübernahme und Praxisverkauf: Was Sie wissen müssen

Der Verkauf oder die Übernahme einer Praxis sind ein wichtiger Schritt, der sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich bringt. Eine Praxis lebt von den Menschen, die in ihr arbeiten, und Personalkosten sind ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor, der sorgfältig geprüft werden muss. Bei einem Praxisverkauf gehen die Arbeitsverträge gesetzlich auf den Käufer über, ebenso wie alle Rechte und Pflichten, es sei denn, die Mitarbeitenden widersprechen.

Eine gründliche arbeitsrechtliche Prüfung der bestehenden Arbeitsverträge ist unerlässlich. Ältere Verträge sind häufig in einzelnen Klauseln unwirksam und entsprechen nicht mehr den aktuellen gesetzlichen Anforderungen. Zu lange oder zu kurze Kündigungsfristen, Ansprüche auf Sonderzahlungen und ungünstige Urlaubsregelungen können Probleme verursachen. Eine frühzeitige Optimierung der Verträge hilft, Risiken wirtschaftlich zu kalkulieren und einen reibungslosen Übergang sicherzustellen.

Anstellungstrend und Gehaltsgestaltung im Arbeitsrecht

In den letzten Jahren hat sich ein deutlicher Trend zur Anstellung von Ärzten und Zahnärzten in Praxen und medizinischen Versorgungszentren entwickelt. Dieser Wandel erfordert ein Umdenken in der Gehaltsgestaltung, da der Wettbewerb um qualifiziertes Fachpersonal intensiver geworden ist. Angesichts des anhaltenden Fachkräftemangels sind attraktive Vergütungsmodelle unerlässlich, um qualifiziertes Personal nicht nur zu gewinnen, sondern auch langfristig zu halten.

Um die besten Talente anzuziehen und zu binden, setzen viele Praxen und Kliniken auf innovative Vergütungsstrategien. Eine Umsatzbeteiligung hat sich als effektives Mittel erwiesen, um Mitarbeiter zu motivieren und ihre Bindung an die Praxis zu stärken. Durch diese Beteiligungsmodelle fühlen sich Mitarbeiter stärker mit dem Erfolg der Praxis verbunden, was sowohl ihre Leistung als auch ihre Zufriedenheit erhöhen kann.

Darüber hinaus ist es wichtig, flexible und wettbewerbsfähige Gehaltsstrukturen zu entwickeln, die den individuellen Bedürfnissen und Leistungen der Mitarbeiter gerecht werden. Dies kann Boni, Weiterbildungszuschüsse und andere Anreize umfassen, die die Praxis als attraktiven Arbeitgeber positionieren und die Mitarbeiterbindung fördern. Letztlich erfordert dieser Anstellungstrend von Praxisinhabern ein umfassendes Verständnis der aktuellen Marktdynamiken und die Bereitschaft, Vergütungsmodelle kontinuierlich anzupassen, um den sich wandelnden Erwartungen der Belegschaft gerecht zu werden.

Vorteile und Herausforderungen der Umsatzbeteiligung

Während eine Umsatzbeteiligung viele Vorteile bietet, birgt sie auch rechtliche Herausforderungen. Die Vergütung muss auch während Urlaubs- oder Krankheitszeiten gezahlt werden, was zusätzlichen Verwaltungsaufwand mit sich bringt. Praxisinhaber müssen die Höhe der umsatzabhängigen Vergütung sorgfältig kalkulieren und sicherstellen, dass die Umsätze korrekt ermittelt und die Beteiligungen transparent ausgezahlt werden.

Ein durchdachtes Vergütungskonzept ist entscheidend, um finanzielle Risiken zu minimieren und Streitigkeiten zu vermeiden. Es ist wichtig, die relevanten Umsatzzahlen festzulegen, die Bedingungen für die Auszahlung der Umsatzbeteiligung zu klären und möglicherweise eine Umsatzschwelle zu vereinbaren.

Rechtliche Aspekte während Urlaub und Krankheit

Im Arbeitsrecht ist wichtig zu wissen, dass die Umsatzbeteiligung auch während des Urlaubs oder bei Krankheit als Teil des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes betrachtet wird. Dies kann zu Missverständnissen führen, da Arbeitgeber oft annehmen, dass ohne Arbeitsleistung keine Umsatzbeteiligung fällig ist. Die rechtliche Lage sieht jedoch anders aus: Das Urlaubsrecht und die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sind Ausnahmen von der Regel „Kein Lohn ohne Arbeit“. Mehr dazu in unserem Blog unter: Umsatzbeteiligung

Die Inflationsausgleichsprämie: Letzte Chance zur Auszahlung

Die steuer- und sozialabgabenfreie Inflationsausgleichsprämie bietet Arbeitgebern eine wertvolle Möglichkeit, ihre Mitarbeitenden finanziell zu unterstützen und gleichzeitig die steigenden Lebenshaltungskosten abzufedern. Diese Prämie kann noch bis Ende 2024 gewährt werden und stellt eine steuerfreie Zusatzleistung dar, die die finanzielle Belastung durch Inflation ausgleicht. Die maximale Höhe der Prämie beträgt 3.000 €, was sie zu einem attraktiven Anreiz für Mitarbeiter macht.

Die Inflationsausgleichsprämie bietet Flexibilität in ihrer Auszahlung, da sie entweder als Einmalzahlung, in mehreren Einzelzahlungen oder in monatlichen Teilbeträgen erfolgen kann. Diese Flexibilität ermöglicht es Arbeitgebern, die Prämie so zu gestalten, dass sie den finanziellen Bedürfnissen ihrer Mitarbeiter gerecht wird. Dabei ist es wichtig, dass die Prämie explizit als Sonderzahlung zur Inflationsanpassung gewährt wird, um die steuerlichen Vorteile zu nutzen.

Bei der Entscheidung, die Prämie in monatlichen Teilbeträgen auszuzahlen, ist besondere Vorsicht geboten. Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass die steuerlichen Voraussetzungen eingehalten werden, um die Prämie nicht versehentlich in eine dauerhafte Lohnerhöhung zu verwandeln, die steuer- und sozialabgabenpflichtig wäre. Es ist wichtig, dass die monatlichen Zahlungen klar als Teil der Inflationsausgleichsprämie gekennzeichnet und nicht mit regulären Gehaltserhöhungen vermischt werden.

Um rechtliche und finanzielle Fallstricke zu vermeiden, sollten Arbeitgeber unbedingt qualifizierte Beratung in Anspruch nehmen. Eine fundierte Beratung kann helfen, die Prämie optimal zu gestalten und sicherzustellen, dass alle steuerlichen und rechtlichen Anforderungen erfüllt sind. Dies ist besonders wichtig, um mögliche negative Konsequenzen für die Praxis oder die Mitarbeiter zu vermeiden.

Die Inflationsausgleichsprämie ist eine wertvolle Gelegenheit, die Mitarbeiterzufriedenheit zu erhöhen und gleichzeitig steuerliche Vorteile zu nutzen. Durch eine sorgfältige Planung und Umsetzung kann sie dazu beitragen, die Bindung und Motivation der Mitarbeiter zu stärken, während gleichzeitig die finanziellen Herausforderungen der Inflation gemildert werden.

Kündigung und Krankschreibung: Glaubwürdigkeit und rechtliche Rahmenbedingungen

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat einen hohen Beweiswert, auch wenn sie im zeitlichen Zusammenhang mit Konflikten am Arbeitsplatz steht. Laut Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 8.9.2021 – 5 AZR 149/21) ist der Beweiswert erschüttert, wenn die Bescheinigung genau die Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses nach einer Kündigung abdeckt. Arbeitnehmer müssen dann weitere Beweise für ihre Arbeitsunfähigkeit vorlegen.

Glaubwürdig bleibt eine Krankschreibung, wenn sie vor Zugang der Kündigung beginnt und bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses verlängert wird. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Urteil v. 08.03.2023, Az.: 8 Sa 859/22) hält dies für plausibel. Auch das LAG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil v. 13.7.2023 – 5 Sa 1/23) sieht in der Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach einer eigenen Kündigung keinen Grund, den Beweiswert automatisch anzuzweifeln.

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Mitarbeiterführung und Bindung durch strategische Arbeitsverträge

Die sorgfältige Gestaltung von Arbeitsverträgen ist ein entscheidender Faktor, um Ihre Praxis als attraktive Arbeitgebermarke zu positionieren und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Ein gut strukturierter Arbeitsvertrag schafft nicht nur rechtliche Klarheit, sondern trägt auch dazu bei, dass sich Mitarbeiter wertgeschätzt und verstanden fühlen. Hier sind einige wichtige Aspekte, die bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen berücksichtigt werden sollten:

Berücksichtigung neuer rechtlicher Entwicklungen

Abgeltungsklauseln: Diese Klauseln regeln, wie nicht genommener Urlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegolten wird. Es ist wichtig, dass diese Klauseln klar und rechtskonform formuliert sind, um Missverständnisse und rechtliche Streitigkeiten zu vermeiden.

  • Urlaubsregelungen: Die gesetzlichen Bestimmungen zum Urlaubsanspruch sind komplex und unterliegen regelmäßigen Änderungen. Ein Arbeitsvertrag sollte eindeutig regeln, wie der Urlaubsanspruch berechnet und gewährt wird, einschließlich der Regelungen für Teilzeitkräfte und Mitarbeiter mit unregelmäßigen Arbeitszeiten.
  • Nachweisgesetz: Das Nachweisgesetz verpflichtet Arbeitgeber, wesentliche Vertragsbedingungen schriftlich festzuhalten. Dies betrifft unter anderem die Höhe des Arbeitsentgelts, die Arbeitszeit sowie die Kündigungsfristen. Ein gut gestalteter Arbeitsvertrag erfüllt diese Anforderungen und vermeidet so mögliche Bußgelder.
  • Datenschutzrechtliche Aspekte: Mit der Einführung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sind die Anforderungen an den Umgang mit personenbezogenen Daten gestiegen. Ein Arbeitsvertrag sollte daher Regelungen zum Datenschutz enthalten, die den Mitarbeitern ihre Rechte und Pflichten in Bezug auf die Verarbeitung ihrer Daten erklären.

 

Feine Details mit großer Wirkung im Arbeitsrecht

Neben den rechtlichen Aspekten spielen auch kleine Details eine große Rolle bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen:

Kündigungsregelungen: Diese sollten nicht auf den ersten Seiten des Vertrags stehen, um nicht gleich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses einen negativen Eindruck zu erwecken. Es ist besser, diese Regelungen weiter hinten im Vertrag zu platzieren, wo sie dennoch klar und verständlich formuliert sind.

Vertragssprache: Die Verwendung einer freundlichen und zugänglichen Sprache, wie etwa die Du-Form, kann dazu beitragen, eine positive Beziehung zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter zu fördern. Dies zeigt, dass Sie als Arbeitgeber Wert auf eine offene und wertschätzende Kommunikation legen.

Individuelle Anpassungen: Jeder Mitarbeiter ist einzigartig, und ein guter Arbeitsvertrag sollte flexibel genug sein, um individuelle Bedürfnisse und Vereinbarungen zu berücksichtigen. Dies kann besondere Regelungen zu Arbeitszeiten, Homeoffice-Möglichkeiten oder Weiterbildung umfassen.

Fazit

Die richtige Gestaltung von Arbeitsverträgen ist ein komplexer, aber entscheidender Prozess, der sowohl rechtliche als auch menschliche Aspekte berücksichtigen muss. Ein gut gestalteter Vertrag trägt dazu bei, ein positives Arbeitsumfeld zu schaffen, das Mitarbeiter motiviert und langfristig bindet. Durch die Berücksichtigung neuer rechtlicher Entwicklungen und die sorgfältige Beachtung kleiner, aber wichtiger Details können Sie Ihre Praxis als attraktive Arbeitgebermarke positionieren und dem Fachkräftemangel erfolgreich entgegenwirken. Eine durchdachte und mitarbeiterorientierte Vertragsgestaltung ist somit ein wesentlicher Baustein für den langfristigen Erfolg Ihrer Praxis.

 

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