In Zeiten von qualifiziertem Fachkräftemangel gewinnt die Erfüllung bestimmter Kriterien seitens des Arbeitgebers für potenzielle Mitarbeiter zunehmend an Bedeutung. Um engagierte, verantwortungsbewusste, flexible und loyale Teamplayer mit einem freundlichen Auftreten zu finden und langfristig zu binden, müssen Praxisinhaber zunächst folgende Fragen beantworten: Was zeichnet mich als Arbeitgeber aus? Warum sollte ein Mitarbeiter gerade in meiner Praxis tätig werden wollen und nicht anderswo? Der Arbeitsvertrag spielt dabei eine entscheidende Rolle und sollte keinesfalls als bloße Formalität betrachtet werden. Der Arbeitsvertrag fungiert als Visitenkarte eines jeden Praxisinhabers und stellt dem Mitarbeiter ein Angebot zur beruflichen Tätigkeit dar. Es ist die Möglichkeit, sich an die Praxis zu binden, bestimmte Aufgaben zu erfüllen und dieses in der jeweiligen Funktion nach außen hin zu repräsentieren.
Besonders relevant wird die Gestaltung von Arbeitsverträgen, wenn ein neuer Praxisinhaber eine bestehende Praxis übernimmt. Gemäß § 613 a Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist der neue Inhaber verpflichtet, sämtliche bestehenden Arbeitsverhältnisse zu übernehmen. Daher ist es für den neuen Chef von großer Bedeutung, vorab alle laufenden Verträge, insbesondere die Arbeitsverträge, einzusehen, um die daraus resultierenden Verpflichtungen zu kennen. Die Entscheidung zur Praxisübernahme geht einher mit der Übernahme des bestehenden Praxispersonals.
Es ist zu bedenken, dass sich aufgrund von Kündigungsverboten im Zusammenhang mit Praxisübernahmen oder langjähriger Betriebszugehörigkeit das Trennen von Mitarbeitern nicht unproblematisch gestalten kann. Eine solche Entscheidung erfordert sorgfältige Überlegung und sollte vorab rechtlich geprüft werden, um mögliche gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. In diesem Blogbeitrag werfen wir einen genaueren Blick auf die rechtlichen Aspekte, die sowohl für den abgebenden Praxisinhaber als auch den übernehmenden Existenzgründer von Bedeutung sind.
Regelungen zum Betriebsübergang
Beim Aufeinandertreffen von neuem Praxisinhaber und eingespieltem Praxisteam ist eine sensible und vorausschauende Planung erforderlich. Hierbei spielen vor allem rechtliche Faktoren eine entscheidende Rolle, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten. Der Betriebsübergang, gemäß Paragraf 613a Absatz 1 BGB, bedeutet, dass der Praxisnachfolger sämtliche Rechte und Pflichten aus den bestehenden Arbeitsverhältnissen übernimmt. Kündigungen durch den alten oder neuen Chef aufgrund der Praxisübernahme sind gemäß Paragraf 613 Absatz 4 BGB unwirksam. Der Arbeitsvertrag bleibt für die Mitarbeiter wirksam.
Schriftliche Mitarbeiterinformation
Eine wichtige Maßnahme im Vorfeld der Übergabe ist die schriftliche Information der Mitarbeiter gemäß Paragraf 613 a Absatz 5 BGB. Diese Information muss den Zeitpunkt des Übergangs, den Grund dafür, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen sowie die geplanten Maßnahmen für die Arbeitnehmer enthalten. Auch ruhende Arbeitsverhältnisse, beispielsweise mit Mitarbeitern in Elternzeit, müssen berücksichtigt werden. Mitarbeiter haben das Recht, binnen eines Monats dem Betriebsübergang zu widersprechen, wobei die Konsequenzen für sie explizit aufgeführt werden müssen.
Folgen eines Widerspruchs
Ein Widerspruch führt dazu, dass das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Praxisinhaber bestehen bleibt. In diesem Fall könnte der alte Praxisinhaber nur bei betriebsbedingten Gründen ordentlich kündigen. Daher ist es ratsam, das Personal frühzeitig zu informieren, um mögliche Kollisionen im Falle von Widersprüchen zu vermeiden. Bei ausbleibendem Widerspruch geht das Arbeitsverhältnis nahtlos auf den neuen Praxisinhaber über, ohne Änderungen in den bestehenden Vertragsbedingungen.
Kündigungsmöglichkeiten? Gestaltungsoptionen im Arbeitsvertrag?
Kündigungen, die aufgrund der Praxisübernahme erfolgen, sind gemäß Paragraf 613 a Absatz 4 BGB nicht zulässig. Kritisch sind jedoch Kündigungen, die einen zeitlichen Zusammenhang zur Übernahme aufweisen. Hier ist eine genaue Prüfung notwendig, um die Wirksamkeit von Kündigungen sicherzustellen. Gestaltungsoptionen für Arbeitsverhältnisse sollten individuell und im Einzelfall geklärt werden, da Vertragsänderungen nicht einseitig vom Arbeitgeber vorgenommen werden dürfen.
Praxistipp zum Arbeitsrecht bei Praxisübernahme
Arbeitsrechtliche Aspekte werden bei Praxisabgaben oft unterschätzt oder gar nicht bedacht. Sorgfältig ausgearbeitete Arbeitsverträge können den Praxiswert für den Verkauf steigern, während unzureichende Verträge das finanzielle Risiko für den Praxisübernehmer erhöhen. Vor einer Praxisübergabe sollte daher jeder Praxisabgeber die Arbeitsverträge seiner Praxis prüfen lassen und gegebenenfalls neu verhandeln. Im Umkehrschluss sollte der Praxisübernehmer sich vor der Entscheidung zum Kauf der Praxis oder eines Praxisanteils die Arbeitsverträge zeigen lassen, um langfristige Verpflichtungen zu vermeiden, die im Nachgang zum Kauf nicht tragbar sind.
Insgesamt ist eine frühzeitige, rechtliche Beratung und eine sorgfältige Planung im Hinblick auf Arbeitsverträge entscheidend, um einen erfolgreichen und reibungslosen Übergang zu gewährleisten. Wir kennen die Besonderheiten in der Praxis und beraten Sie gerne dazu. Schreiben Sie uns unter: https://www.medizinanwaelte.de/kontakt
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