24. Februar 2011

Seit langem schon wird um das Modell der Pick-up Stellen für Arzneimittel gestritten. Nicht nur die Apotheker fordern seit jeher ein Verbot, auch politisch sorgt das Thema immer wieder für Brisanz. Nun hat Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger auf dem Apotheken- Kooperationsgipfel am 3. Februar 2011 in München für eine herbe Enttäuschung gesorgt, indem sie mitteilte, dass die Bundesregierung nach intensiver Prüfung von einem Verbot habe absehen müssen.

Hintergrund dieser ganzen Debatte ist das GKV- Gesundheitsmodernisierungsgesetz aus 2004. Mit dessen Einführung wurde § 73 AMG geändert und § 11a ApoG neu geschaffen. In diesen ist der Versandhandel mit Arzneimitteln, rezeptfreien sowie auch rezeptpflichtigen, geregelt. Demnach können Arzneimittel im Wege des Versandes an den Endverbraucher verbracht werden. Diese Regelungen wurde von den Apotheken begrüßt und neben dem „face-to- face- Handel“ ein zusätzlicher Versandhandel eingeführt oder aber schlicht nur ein Versandhandel im Rahmen von beispielsweise Online-Apotheken. Die eigentliche Brisanz ergab sich jedoch erst dadurch, dass aufgrund der Regelung auch andere in der freien Wirtschaft tätigen Unternehmen auf die Idee kamen, sich an dem Arzneimittelversandhandel zu beteiligen.

Konkret waren dies zum einen Drogeriemarktketten, die einen Bestell- und Abholservice, sog. Pick-up Stellen, einrichteten. Da diese neue Form der Arzneimittelversorgung zunächst für Verwirrung sorgte, dauerte es nicht lang, bis ein derartiger Fall letztlich vor dem Bundesverwaltungsgericht verhandelt wurde (Az. 3 C 27/07). Bei dem in 2008 entschiedenen Fall ging es um eine solche Drogeriemarktkette.

Diese hatte eine Kooperationsvereinbarung mit einer Präsenz- und Versandapotheke in den Niederlanden. Der Kunde konnte bei der Kette einen Bestellschein ausfüllen und diesen gegebenenfalls mit einem Rezept dort abgeben. Diese wurden dann von einem Angestellten der Kette gezählt und einem Kurierfahrer übergeben, welcher diese dem Kooperationspartner übergab. Die Bestellscheine und Rezepte wurden von einem Apotheker geprüft und die Arzneimittel durch ein Logistikunternehmen der Kette zugestellt, bei welcher der Kunde seine Arzneimittel schließlich abholen konnte.

Das Bundesverwaltungsgericht stellte in diesem Fall fest, dass der Begriff des Versandes und des Versandhandels (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG) nicht voraussetzt, dass die Ware individuell an die Anschrift des Empfängers zugestellt werde. Vielmehr umfasse der Begriff auch die Auslieferung der bestellten Ware über eine Abholstation. Die Richter gingen hierbei von einer weiten Auslegung des Begriffes „Versandhandel“ aus und begründeten dies mit dessen natürlichem Wortsinn. Sie betonten außerdem, dass auch die Geschichte und Systematik nicht zwingend für eine engere Auslegung und Sinn sowie Zweck des Apothekengesetzes dagegen sprächen. Die Arzneimittelversorgung sei zudem dadurch gesichert, dass die Abgabe nur durch öffentliche Apotheken gestattet sei (§ 11a Abs. 1 S. 1 ApoG, § 43 Abs. 1 S. 1 AMG). Diesen sei anstelle der unmittelbaren Übergabe an den Patienten der Versand erlaubt, so dass lediglich auf die räumliche Bindung des Abgabevorgangs verzichtet werde. Dabei dürfe sich die Apotheke auch eines Logistikunternehmens bedienen. Solange die Beteiligung eines Dritten nicht über die schlichte Transportfunktion hinausgehe, handele es sich nur um erlaubten Versandhandel. Da das niederländische Recht dem deutschen Versandhandelsrecht entspreche (vgl. § 73 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a AMG), sei auch dies vorliegend nicht zu beanstanden.

Mit diesem Urteil aus 2008 wurde klargestellt, dass solche Pick-up Stellen rechtmäßig sind, was auch andere Unternehmen dazu bewegte, eben solche Stellen einzurichten. Neben weiteren Befürwortern, wie Krankenkassen und Patientenverbänden, sahen und sehen Apotheker und auch viele Stimmen in der Politik (wie Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler) diese Entwicklung mehr als kritisch an und fordern ein Verbot. Zum einen wird auf die Gewährleistung der Arzneimittelsicherheit hingewiesen und zum anderen werde die Chancengleichheit des Wettbewerbs verzehrt.

Gehofft, hatten die Gegner der Pick-up Stellen auf eine entsprechende Regelung in dem am 01.01.2011 in Kraft getretenen Arzneimittelmarkt- Neuordnungsgesetz (AMNOG), welche allerdings ausblieb.

Die rechtliche Problematik ergibt sich vorliegend aus der grundgesetzlichen Berufsfreiheit, welchen eben auch für jene Pick-up Stellen gilt und nur ganz engen Beschränkungsmöglichkeiten unterworfen ist. Auch bei Regelungen, die die Ausgestaltung eines Berufes ermöglichen, gebe es nur begrenzte Möglichkeiten zu gesetzlich abgesicherten und verfassungsrechtlich haltbaren Einschränkungen zu kommen, erklärte die Bundesjustiministerin. Solange Arzneimittel über Pick-ups ordnungsgemäß bei den Bestellern ankommen würden, sei der Schutz der Apotheken vor dieser Konkurrenz alleine kein hinreichender Grund, um ein Verbot im Sinne der Einschränkung dieser Form der Berufsausübung auszusprechen.

Fazit

Die bisherige Entwicklung hinsichtlich der Pick-up Stellen zeigt, dass die Debatte noch lange nicht beendet ist. Die Regierung sowie die Apotheker werden auch in Zukunft versuchen einen Weg zu finden, verfassungsrechtliche Bedenken auszuräumen. Rechtlich betrachtet, dürfte sich dies allerdings zu einer anspruchsvollen Herausforderung entwickeln. Dass der Wettbewerb zwischen den Pick-up Stellen und den Apotheken evident verzehrt ist, liegt auf der Hand. Die Apotheken ziehen derzeit wirtschaftlich den Kürzeren, da diese zur umfassenden Beratung sowie Not- und Nachtdiensten verpflichtet sind und bei den oft sehr günstigen OTC-Produkten des Versandhandels nicht mitziehen können. Auch wenn diese nun in einem zulässigen Wettbewerb mit jenen Abholstellen stehen, darf nicht außer Betracht gelassen werden, dass der Bestand der Präsenzapotheken doch Grundlage für den Versandhandel ist, da die Arzneimittel auch hier nur durch öffentliche Apotheken abgegeben werden dürfen. Zugespitzt ausgedrückt könnte dies bedeuten, dass die Präsenzapotheken mehr und mehr von den Straßen verschwinden, da sie dem Wettbewerb nicht mehr stand halten können und der Versandhandel seine Arzneimittel dann über ausländische Apotheken (vgl. BVerwG-Urteil) bezieht. Dies wiederum würde zu einer Gefährdung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung führen, die nur durch die Not- und Nachdienste sowie die erforderliche Beratung der Präsenzapotheken gewährleistet ist.

Nicht zu verleugnen sind allerdings die praktischen Vorteile der Pick-up Stellen für Patienten, so dass den Apotheken, gerade im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Problematik eines Verbotes, zu raten ist, die neue Form der Arzneimittelversorgung für sich zu nutzen. Denn auch für Präsenzapotheken kann das Pick-up Modell wirtschaftlich vorteilhafte Modelle bieten, indem beispielsweise auf eine teure Filialapotheke an einer strategisch sinnvollen Lage verzichtet wird, um eine Abholstelle mit einer Beratungsstelle für zum Beispiel spezielle Krankheiten zu verbinden. Hier ist daher die Kreativität der Apotheken gefragt, die den Wandel der Zeit durchaus wirtschaftlich einsetzen können.

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