19. April 2011

Nicht nur die Ärzteschaft, sondern auch die Apotheker haben den Wandel der Zeit mitbekommen.

Verändert sich die Nachfrage, verändern sich die Angebote. Der Verbraucher gibt sich schon lange nicht mehr mit nur einer Leistung zufrieden, sondern weiß auch ein Rundumpaket zu schätzen. Hinzu kommt, dass zusätzliche Leistungen auch einen finanziellen Anreiz darstellen.

Das dies jedoch nicht mit dem eigentlichen Auftrag der Apotheker, nämlich die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, vereinbar sei, hat nun das VG Minden in seinem Urteil vom 26. Januar 2011 (Az. 7 K 1647/10) festgestellt.

Filialapotheke

In vorbezeichneter Entscheidung betrieb eine Apothekerin eine Filialapotheke, in deren Obergeschoss sie Kosmetikbehandlungen wie Peeling, Entspannungsmassage, Brauenkorrektur und Maniküre anbot, eben eine breite Palette an Gesichts- und Fußkosmetik. Die Kunden konnten diesen Raum durch eine Außentreppe erreichen und mussten anschließend durch einen Flur, von welchem aus auch die Vorratsräume und das Labor der Apotheke zugänglich sind. Flächenmäßig machte der Kosmetikbereich 5, 41 % der genehmigten Betriebsfläche aus. Die Kosmetikbehandlungen wurden von einer pharmazeutisch- technischen Assistentin, die zugleich eine Kosmetikausbildung absolviert hatte, für 5 Stunden pro Woche durch geführt. Der dadurch erwirtschaftete Umsatz lag, gemessen am Gesamtumsatz, unter 0,1 % im Monat.

In den mittlerweile veröffentlichten Urteilsgründen des VG Minden wir ausgeführt, die von der Klägerin angebotenen Kosmetikbehandlungen haben in dieser Ausgestaltung gegen die Regelungen der Apothekenbetriebsordnung (ApoBetrO) verstoßen.

Das Kernproblem dieses Sachverhaltes lag dabei in der Frage, ob die Kosmetikbehandlungen ein genehmigungspflichtiges Nebengewerbe gemäß § 3 Absatz 2 ApoBetrO, eine unselbstständige Nebenleistung nach § 25 ApoBetrO oder eine Nebentätigkeit darstellen, die nicht ausdrücklich in der ApoBetrO geregelt ist und somit nach Ansicht der Apothekerin auch nicht verboten werden könne.

Kosmetikbehandlungen keine zulässige Nebenleistung

Das Gericht erläuterte zunächst, dass die Kosmetikbehandlungen keine zulässige unselbstständige Nebenleistung nach § 25 ApoBetrO seien, da ausweislich des Internetauftritts ein Kosmetikbereich im Sinne eines vollständigen Kosmetikstudios beworben wurde und Leistungspakete im Einzelfall bis zu 150 Minuten hätten dauern können und ein Entgelt von bis €128,- zu entrichten gewesen wäre und damit die Kosmetikbehandlungen über das in § 25 ApoBetrO (in Verbindung mit § 2 Absatz 4)erlaubte Anbieten und Feilhalten von apothekenüblichen Waren hinaus gehe.

Zudem sage § 25 ApoBetrO nichts über die Erbringung/Zulässigkeit selbstständiger Dienstleistungen – von Nebengeschäften – aus. Auch im Übrigen findet sich keine Regelung zu solchen Nebengeschäften in der ApoBetrO. Zwar ist der Verordnungsgeber in § 21 Absatz 2 Nr. 8 ApoG ausdrücklich zur Regelung von Nebengeschäften ermächtigt, jedoch hat er hiervon bisweilen keinen Gebrauch gemacht. Dementsprechend war zwischen den Parteien unklar, wann denn ein solches Nebengeschäft vorliegt und wie es zu bewerten sei; ob dies mangels Regelung immer zulässig sei oder der Verordnungsgeber es bewusst nicht geregelt habe, da er eine grundsätzliche Unzulässigkeit annahm.

Das VG Minden äußerte hierzu, dass nicht schon aufgrund des Nichtgebrauchs der Ermächtigung auf eine Zulässigkeit aller Nebengeschäfte geschlossen werden könne; insbesondere nicht jene ohne „Apothekenbezug“ und bezog sich dabei auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 21. September 2000 (AZ: I ZR 216/98). Vielmehr sei die Tätigkeit des Apothekers immer auch an seinem gesetzlich in § 1 Absatz 1 ApoG normierten Auftrag zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zu messen. Dieser Vorrang des Arzneimittelversorgungsauftrages sei auch deutlich in § 2 Absatz 4 ApoBetrO heraus gestellt (§ 2 Absatz 4 ApoBetrO: „Der Apothekenleiter darf neben Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten die in § 25 genannten Waren nur in einem Umfang anbieten oder feilhalten, der den ordnungsgemäßen Betrieb der Apotheke und den Vorrang des Arzneimittelversorgungsauftrages nicht beeinträchtigt“).

Das VG Minden führte 3 Gründe an, weshalb die Apothekerin diesem Auftrag im vorliegenden Fall ohnehin nicht mehr nachkommen könne und es sich um ein gewerbliches Nebengeschäft handele. Erstens biete die Apothekerin ein Leistungsspektrum gleich eines vollständigen Kosmetikstudios an. Darüber hinaus sei eine Gefährdung der Arzneimittelversorgung zu befürchten, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Apothekerin bei gesteigerter Nachfrage die eingeplanten 5 Stunden pro Woche nicht überschreiten würde. Außerdem weise die Tätigkeit nur einen geringen „Apothekenbezug“ auf.

Im Übrigen habe die Apothekerin die Betriebsräume daher im Sinne von § 4 Absatz 5 ApoBetrO „anderweitig gewerblich“ genutzt und nicht hinreichend abgetrennt. Entsprechend liege ein Verstoß gegen § 4 Absatz 5 ApoBetrO vor und die Untersagung sei mithin rechtmäßig ergangen.

Fazit zur Entspannungsmassage

Das Urteil lässt noch so einige Fragen offen und erscheint in vielen Punkten unklar. Das Gericht erklärt wohl eindeutig, dass Sie die Arzneimittelversorgung gefährdet sehen, allerdings ist die Begründung hierzu sehr holprig; insbesondere bei der Erörterung der Zulässigkeit der nichtgeregelten Nebentätigkeiten unter Bezugnahme des vorbezeichneten BGH Urteils. Dabei verkennt es nämlich die Aussagen der BGH Richter aus diesem Urteil, die in Rn 19 ausführen: „Aus dem Fehlen von Bestimmungen über Nebengeschäfte kann jedoch nicht geschlossen werden, dass dem Apotheker solche generell untersagt sind. Das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Absatz 1 Satz 2 GG gebietet vielmehr, Nebengeschäfte, die nicht verboten sind, als erlaubt anzusehen. Da weder dem Apothekengesetz noch der Apothekenvertriebsordnung insoweit Einschränkungen zu entnehmen sind, ist das Anmessen und Anpassen von Kompressionsstrümpfen deshalb apothekenrechtlich selbst dann nicht zu beanstanden, wenn darin nicht lediglich eine unselbstständige Nebenleistung bei der Abgabe der Kompressionsstrümpfe, sondern ein eigenständiges Nebengeschäft zu sehen wäre.“

Damit wird klar, dass der BGH bei verbotenen Geschäften von solchen ausgeht, die auch im Rahmen des ApoG oder der ApoBetrO ausdrücklich eingeschränkt werden. Andernfalls sind diese im Lichte der Berufsausübungsfreiheit als zulässig zu erachten.

Ferner ist die Begründung der Gefährdung der Arzneimittelversorgung nur schwer nachvollziehbar. Denn die Kosmetikbehandlungen wurden von einer pharmazeutisch-technischen Assistentin für lediglich 5 Stunden die Woche durchgeführt, bei einem Umsatz von 0,1 % des Gesamtumsatzes. Inwiefern die Arzneimittelversorgung vorliegend gefährdet sein soll, wird von dem Gericht nicht differenziert dargelegt. Vielmehr begründet es seine Auffassung mit folgenden Ausführungen: „Des Weiteren wird die Klägerin (Apothekerin) nicht ernsthaft behaupten wollen, Kundinnen und Kunden bei entsprechend gesteigerter Nachfrage abzuweisen, wenn das für die im „Kosmetikbereich“ eingesetzte Bedienstete eingeplante wöchentliche Stundenkontingent von 5 Stunden bereits überschritten ist.“

Auch die Schlussfolgerung hieraus auf das Vorliegen von „anderweitig gewerblich“ genutzten Räumen gemäß § 4 Absatz 5 ApoBetrO ist nicht nachvollziehbar. Dies hätte nämlich auch zur Konsequenz, dass vorliegend ein genehmigungspflichtiges Nebengewerbe gegeben ist, für welches eine solche Genehmigung fehlt. Das Gericht lässt damit gegen Ende seiner Urteilsbegründung die Frage, ob es sich nun um ein nicht geregeltes eigenständiges Nebengeschäft, dass es aufgrund einer Gefährdung der Arzneimittelversorgung für unzulässig hält oder ein genehmigungspflichtiges Nebengewerbe handelt, unbeantwortet.

Mithin dürfte es sich bei vorliegendem Sachverhalt nicht um den letzten dieser Art handeln, der einer gerichtlichen Klärung bedarf.

Es bleibt also spannend!

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