Das Heilmittelwerbegesetz (HWG) ist oft entscheidend, ob ein „unlautere Bevorzugung“ im Sinne des Antikorruptionsgesetzes besteht. Dazu tritt der eigene Sanktionskatalog sowie die Möglichkeit für Wettbewerber, bei HWG-Verstößen abzunahmen. Das OLG Stuttgart hat die Möglichkeiten für Produktwerbung an Fachkreisangehörige – Ärzte, Apotheker etc. – sehr klar begrenzt (Urt. v. 22.02.2018, Az.: 2 U 29/17). Dabei waren die Ausführungen des Gerichts, wenn man sich die Gerichtsentscheidungen der letzten Jahre vor Augen führt, zu großen Teilen erwartbar.
Konkrete Grundlage des Urteils war eine Abmahnung, die ein Pharmaunternehmen einem Mitbewerber zugestellt hat. Dieser Mitbewerber versandte ungefragt an Apotheker einen Produktkoffer mit sechs OTC-Arzneimitteln (Erkältungsmittel). Dabei wurde die kleinste Packungsgröße gewählt und bis auf ein Nasenspray der Hinweis „zur Erprobung“ angebracht. Der mittlere Gesamtverkaufspreis der Medikamente betrug 48,16 Euro.
Auf was kommt es an?
Das Gericht befand die Abmahnung als rechtmäßig und bekräftigte folgende Punkte:
- Relevant ist die Summe der Zuwendungen, nicht die einzelne Zuwendung. Konkret. Der gesamte Koffer.
- Bei Apothekern ist der Einkaufspreis in Höhe von 27,47 Euro maßgeblich und nicht der Verkaufspreis an den Verbraucher (dies spielte im konkreten Fall aber keine Rolle).
- Die Wertgrenzen gelten sowohl für Fachkreise als auch für „Verbraucher“ (Patienten, Apothekenkunden etc.) gleichermaßen.
- Bei erlaubten geringwertigen Zuwendungen kennt das Gesetz zwei Varianten: Entweder muss es sich um eine Zuwendung handeln, „die durch eine dauerhafte und deutlich sichtbare Bezeichnung des Werbenden oder des beworbenen Produktes oder beider gekennnzeichnet“ ist. Hier sieht die Rechtsprechung aktuell meist eine Wertgrenze von 5 Euro. Wenn kein Aufdruck vorhanden ist, muss es sich um eine geringwertige Kleinigkeit handeln. Dann liegt die Wertgrenze bei 1 Euro. Das Firmenlogo als Herstellerbezeichnung führt dabei zur zweiten Alternative.
Ø Das bedeutet: Man darf auch gegenüber Fachkreisen Proben oder Muster nur im Wert von allenfalls 1 Euro ausgeben.
Was ist noch sozialadäquat?
Das OLG macht schließlich umfangreiche Ausführungen zur Frage von Sozialadäquanz, Rabatten und Geschenken: Rabatte und Geschenke unterschieden sich. Bei Geschenken entwickle sich nämlich beim Empfänger ein stärkeres Gefühl, dass er etwas zurückzugeben habe. Dabei werden vom OLG bereits Zuwendungen in Höhe von 10 Euro als nicht mehr sozial-adäquat oder üblich erachtet. Das Gericht nennt Beispiele, was noch erlaubt sei: Luftballons, Taschentücher, Kugelschreiber, Notizblöcke und Streichhölzer. Hinzukam, dass die Ausnahmevorschrift für Arzneimittelproben zwar für Ärzte, nicht jedoch für Apotheker gilt. Übrigens: Bei Proben von Medizinprodukten gilt keine solche Ausnahmeregelung.
Produktwerbung bei Fachkreisen
Als Fazit bleibt somit festzuhalten: Mit Zuwendungen an Ärzte, Kliniken und Apotheker ist äußerst vorsichtig auf Seiten von Industrie und Handel umzugehen. Auf der anderen Seite sollten auch die Heilberufler als Empfänger diese Grundsätze beherzigen und im Zweifelsfall die Zuwendung ablehnen.