Der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs hat in seinem Beschluss vom 29. März 2012 (GSSt 2/11) festgestellt, dass niedergelassene Vertragsärzte weder als Amtsträger im Sinne von § 11 Absatz 1 Nummer 2c StGB noch als Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen im Sinne von § 299 StGB anzusehen sind. Damit wurde Klarheit darüber geschaffen, dass im Vertragsarztsystem Zuwendungen, die zur unlauteren Beeinflussung des Verordnungsverhaltens im Sinne einer wettbewerbsbezogenen Bevorzugung gefordert, angeboten und gewährt werden, weder der Vorteilsannahme noch dem Tatbestand der Bestechlichkeit oder Bestechung im geschäftlichen Verkehr unterfallen.
Der Gesetzgeber ist daher zum Handeln gezwungen, wenn er diese Regelungslücke schließen möchte, denn die derzeitigen berufs- und sozialrechtlichen Vorschriften sind für eine effektive Bekämpfung der bestehenden Missstände nach Auffassung vieler nicht geeignet. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte eigenständige sozialrechtliche Ahnung von Verstößen gegen das Zuwendungsverbot laufe, so der GKV-Spitzenverband, ins Leere.
Die Regelung des § 128 Abs. 3 SGB V beinhaltet weder eine wirksame Abschreckung, noch empfindliche Sanktionen (danach können die Leistungserbringer lediglich für die Dauer von bis zu zwei Jahren von der Versorgung der Versicherten ausgeschlossen werden).
Auch ein möglicher Entzug der kassenärztlichen Zulassung gemäß § 95 Abs. 6 SGB V gestaltet sich unter der derzeitigen Rechtslage als schwierig. Denn durch die Straflosigkeit, wie sie der Bundesgerichtshof konstatiert hat, haben die zuständigen Zulassungsausschüsse nicht mehr die Möglichkeit auf rechtskräftige Urteile oder Strafbefehle zurückzugreifen, um damit eine gröbliche Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten zu begründen.
Die Bundesländer Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern haben daher am 28.5.2013 einen Gesetzesantrag für ein Strafrechtsänderungsgesetz zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen dem Bundesrat vorgelegt. Der Gesetzentwurf sieht die Schaffung eines neuen Straftatbestandes der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen vor, der als § 299a Strafgesetzbuch (StGB) eingeführt werden soll. Für besonders schwere Fälle soll sogar durch die Ergänzung des § 100a Strafprozessordnung (StPO) die Telekommunikationsüberwachung entsprechend der bestehenden Regelung zu § 299 StGB zugelassen werden.
Der Bundesgerichtshof hatte in seinem Beschluss vom 29.3.2012 festgestellt, dass der niedergelassene Vertragsarzt gerade nicht als Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen im Sinne von § 299 StGB anzusehen ist. Der neue Tatbestand des § 299a StGB ist daher unter anderem konkreter gefasst, als der § 299 StGB, denn hier heißt es in Abs. 1: „Wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, im Zusammenhang mit der Ausübung dieses Berufs,…“. In § 299 Abs. 1 StGB hingegen heißt es lediglich: „Wer als Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes im geschäftlichen Verkehr…“.
Durch die vorgeschlagene Erweiterung um die Tatbestandsvariante des „Beeinflussen-Lassens“ in sonstiger, und damit wettbewerbsunabhängiger, unlauterer Weise, soll ein Schutz der Unabhängigkeit medizinischer Entscheidungen erreicht werden.
Am 5. Juli 2013 hat der Bundesrat beschlossen, den Gesetzentwurf beim Deutschen Bundestag einzubringen. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzesentwurf so Realität wird.
Autor: Rechtsanwalt Marc von Harten,
Fachanwalt für Strafrecht
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Bad Homburg/Frankfurt am Main