28. Februar 2017

Die Initiative gesundheitswirtschaft rhein-main e.V. lud Feb. 2017 zu einer Veranstaltung zum Thema „ Antikorruptionsrecht und Compliance im Gesundheitswesen“ in die Räume der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen in Frankfurt ein. Höhepunkt der Veranstaltung war der Vortrag des Herrn Oberstaatsanwalts Alexander Badle, Leiter der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Korruption im Gesundheitswesen und in seiner Funktion auch Pressesprecher der Behörde.

Eröffnet wurde die Veranstaltung von Herrn Florian Gerstner, Vorsitzender der Initiative gesundheitswirtschaft rhein-main e.V. Herr Florian Gerstner führte aus, dass viele Sachverhalte, die bislang immer selbstverständlich waren, unter dem Blickwinkel des Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen problematisch sind. Andererseits wies er darauf hin, dass nicht alle Formen der Kooperation nun unter Korruptionsverdacht stehen. Insofern gelte es, die entsprechenden Sachverhalte genau zu beleuchten und einer Einzelfallbetrachtung zu unterziehen.

Zu Beginn der Veranstaltung wurde außerdem eine Umfrage unter den Teilnehmern durchgeführt, deren Ergebnis mittels Online-Voting ermittelt wurde. Die gestellte Frage lautete:

„Brauchen wir Strafrecht gegen Korruption im Gesundheitswesen?“ Mehr als 75% der Teilnehmer beantworteten diese Frage mit „ja“, den geringsten Anteil hatte die Antwort „nein“, der verbleibende Teil der Teilnehmer antwortete mit „weiß nicht“. Die Umfrage sollte am Ende der Veranstaltung wiederholt werden, um einen möglichen Stimmungswechsel durch die Veranstaltung herausfinden zu können. Auf die Wiederholung der Umfrage wurde dann jedoch wegen der fortgeschrittenen Zeit leider verzichtet.

Im Anschluss an die Umfrage erhielt Herr Oberstaatsanwalt Badle das Wort für einen kurzen Vortrag zum oben genannten Thema. Er stellte zu Beginn fest, dass er kein „Befürworter“ des Strafrechts und an diesem Abend auf der Suche nach neuen Ermittlungsverfahren sei, sondern vielmehr aufklären und damit Ermittlungsverfahren vermeiden möchte; er möchte die durch das Gesetz teilweise aufgekommene Angst nehmen. Wie bereits in seinem Vortrag bei einer Veranstaltung des Vereins für Management und Vertragsgestaltung in der Gesundheitswirtschaft e.V. im Herbst letzten Jahres (wir berichteten) erwähnt, sieht er im Moment mehr die Krankenhauslandschaft im „Fokus“ der Ermittlungsbehörden; die Pharmaindustrie habe sich schon längst zurückgezogen und zweifelhafte Handlungen, Verträge oder sonstige Sachverhalte aus der Realität verbannt.

Selbstverständlich bedeutet dies nicht, dass sich alle anderen Akteure im Gesundheitswesen beruhigt zurücklehnen können. Das Neue seit Inkrafttreten des Antikorruptionsgesetzes sind nicht die Verbote bestimmter Handlungen an sich, sondern die Sanktionsschärfe, die mit einer drohenden Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren deutlich zugenommen hat. Herr Badle wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Strafverfahren gegen natürliche Personen geführt werden – nicht gegen die Unternehmen, auch wenn dies oft fälschlicherweise in der Presse so dargestellt werde.

Herr Badle erläuterte das Zustandekommen des Antikorruptionsgesetzes und ging auch auf die an dem Gesetz geäußerte Kritik ein. Diese wies er zurück, indem er sagte, die Branche habe die Ursache selbst gesetzt und ca. 10 Jahre Zeit gehabt, sich auf das Gesetz einzustellen, es kam nicht überraschend. Herr Badle verteidigte das Gesetz und verdeutlichte, dass es letztlich um den Schutz des fairen Wettbewerbs im Gesundheitsmarkt gehe, woran doch jeder der Akteure ein wesentliches Interesse habe. Früher habe sich die Industrie mehr Gedanken darüber gemacht, wie man den Umsatz erhöhen könne; heute müsse man sich mehr Gedanken über die Spielregeln von Mitteln zur Umsatzsteigerung machen.

Was die derzeitige, mangels ausreichender Erfahrung und vorhandener Rechtsprechung bestehende Unsicherheit über die Auslegung der neuen strafrechtlichen Tatbestände betrifft, verwies Herr Oberstaatsanwalt Badle auf die Branchenkodizes der Medizinproduktehersteller (Kodex Medizinprodukte des Bundesverbandes Medizintechnologie e.V.) und der Pharmaindustrie (Verhaltens- und Transparenzkodizes des Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V.), die den Behörden als Auslegungsregeln dienen. Die Strafermittlungsbehörden haben nun nämlich bei der Beurteilung einer Strafbarkeit die bereits seit langem existierenden berufsrechtlichen, wettbewerbsrechtlichen und sozialrechtlichen Regelungen auszulegen; mit diesen werden sie in der Regel erstmals konfrontiert sein. Wenn man sich an diese Kodizes hält, so Badle weiter, wird man sich in den meisten Fällen im zulässigen Bereich bewegen; nur einzelne Sachverhalte seien nicht von den Kodizes erfasst. Auch unsere Kanzlei verwendet diese Kodizes von Beginn an als Auslegungsregeln in der Beratung.

In Hessen könne man auf seine Aussagen in diesem Zusammenhang vertrauen und ihn darauf „festnageln“, führte Herr Badle weiter aus. Dies mag aber nicht z.B. in Bayern gelten. Insofern seien seine Hinweise letztlich nicht das allgemeingültige „Nonplusultra“.

Den Akteuren im Gesundheitswesen riet Herr Badle, ihre Verträge – auch Altverträge, deren Geltung heute noch immer andauert – unbedingt unter dem Gesichtspunkt der neuen Straftatbestände prüfen zu lassen, und zwar von einem externen Rechtsanwalt, der nicht unbedingt der Ersteller des Vertrages sein sollte. Unternehmen können nicht selbst Täter einer Bestechung oder Bestechlichkeit im Gesundheitswesen sein, sie haben jedoch die schlechte Presse als negative Folge eines Ermittlungsverfahrens gegen z.B. den Geschäftsführer zu fürchten. Darüber hinaus bietet § 30 StGB die Möglichkeit, Unternehmen gerichtliche Verbandsgeldbußen aufzuerlegen, die sechs- oder siebenstellig sein können.

Am Ende seines Vortrages appellierte Herr Badle an das Problembewusstsein der beteiligten Akteure im Gesundheitswesen: es gelte, alte Verträge prüfen zu lassen, Compliance in den Unternehmen zu stärken und keine Umgehungstatbestände zu schaffen. Mit letzterem meinte er insbesondere fingierte Verträge und „Anwendungsbeobachtungen“, die bei genauerem Hinsehen keine seien, da tatsächlich keine Auswertungen stattfinden. In einem solchen Fall gebe es selbst auf der subjektiven Seite keinen Ausweg mehr, d.h. man könne sich nicht damit herausreden, man hätte nicht gewusst und nicht gewollt, dass man mit einem bestimmten Verhalten versucht, einen anderen zu beeinflussen, zu bestechen oder sich bestechen zu lassen.

Nach Herrn Badles Vortrag fand eine Podiumsdiskussion statt, an der neben ihm verschiedene Akteure im Gesundheitswesen teilnahmen: es handelte sich u.a. um Herrn Tobias Gottschalk (Geschäftsführer der Krankenhaus Nordwest GmbH) und Herrn Dr. Robert Porcher (ComCor Compliance Solutions GmbH).

Zunächst wurde Herr Badle nach den Erscheinungsformen von Korruption im Gesundheitswesen gefragt. Diese seien sehr unterschiedlich, antwortete er. Im Bereich Krankenhaus gebe es z.B. viele Kooperationsverträge, bei denen man sich sehr genau ansehen müsse, wofür genau der Arzt eine Vergütung erhält. Dabei sei nicht ausreichend, dass der Arzt eine angemessene Vergütung erhält und dafür tatsächlich eine Leistung erbringt. Wenn daneben nämlich die im Krankenhaus angestellten Ärzte nichts zu tun haben und der eingekaufte Arzt die ganze Arbeit leistet, müsse man sich auch fragen, warum die Leistung eines externen Arztes eingekauft hat, wenn man selbst genug verfügbare Ärzte hat, die die gleiche Arbeit leisten könnten. Herr Badle wies in diesem Zusammenhang auf die sog. Würzburger Erklärung zur Angemessenheit ärztlicher Vergütung als „einfache“ Lösungsmöglichkeit. Diese Erklärung bezieht sich auf Kooperationen zwischen Ärzten und Kliniken.

Danach kam Herr Gottschalk zu Wort, der sagte, es sei die Pharmaindustrie gewesen, die sich dieses Gesetz „eingebrockt“ hatte, und dass die Krankenhäuser am schlechtesten vorbereitet waren. Auf die Frage, ob er eine Verunsicherung in der Krankenhauslandschaft feststellte, antwortete Herr Gottschalk, eine Verunsicherung sei eher nicht zu spüren, man merke eher eine Sensibilisierung – auch unter den Kollegen in seinem Haus. Herr Gottschalk wies außerdem darauf hin, dass es auch um Kooperationsverträge mit der Pharmaindustrie gehe.

Im Anschluss daran führte Herr Dr. Porcher aus, er verstehe nicht die Überraschung, die das Gesetz in der Krankenhauslandschaft hervorgerufen habe. Es sei immer schon klar gewesen, dass für eine gezahlte Vergütung auch gearbeitet werden müsse. Es habe immer schon ärztliche Beratungsleistungen gegeben und es wird sie auch immer geben.

Zum Schluss legte Herr Badle noch einmal dar, dass eine lückenlose Dokumentation bzw. Transparenz im Allgemeinen ein starkes Indiz gegen Korruption sei, da die zur Erfüllung des Straftatbestands erforderliche Unrechtsvereinbarung so gut wie nie schriftlich fixiert werde. Bei der Frage nach dem Vorliegen einer Unrechtsvereinbarung bezog er sich auf eine „Formel“ des Strafrechtsprofessors Herrn Prof. Dr. Hendrik Schneider aus Leipzig, wonach auf der 1. Ebene zu fragen ist, ob es einen manifesten ökonomischen Nutzen für die [untersuchte] Vertragsvereinbarung gebe. Wenn man diese Frage schon mit „ja“ beantworten könne, habe man schon kein strafrechtlich relevantes Problem mehr. Beantwortet man die Frage nicht klar mit „ja“, ist auf der 2. Ebene zu fragen, welche (angemessene) Vergütung gezahlt werde. In diesem Zusammenhang brachte er das Beispiel mit dem eingekauften Arzt und den daneben „herumstehenden“ angestellten Ärzten, die nichts zu tun hätten.

Am Ende wurden einige Fragen aus dem Publikum gestellt und insbesondere an Herrn Oberstaatsanwalt Badle gerichtet. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen lauteten wie folgt: Ein durchschnittliches Ermittlungsverfahren dauert ca. 5 Jahre, bis der zugrunde liegende Sachverhalt ausermittelt ist und entschieden werden kann, ob Anklage erhoben oder das Verfahren – teilweise gegen eine Auflage – eingestellt wird. Im Hinblick auf die Verjährung wies Herr Badle darauf hin, dass diese erst mit der Beendigung des Delikts beginnt zu laufen. Da Bestechung und Bestechlichkeit Dauerdelikte sind, die über einen längeren Zeitraum andauern, ist es nicht so, dass die Verjährung bereits nach z.B. Vertragsabschluss zu laufen beginnt. Die Verjährungsfrist an sich beträgt 5 Jahre.

Fazit:

Die Veranstaltung der Initiative gesundheitswirtschaft rhein-main gab einen guten Einblick in und Überblick auf die verschiedenen Sachverhalte, die die unterschiedlichen Akteure im Gesundheitswesen beschäftigen. Zum wiederholten Male vermittelte Herr Badle das Gefühl, dass man die neuen Antikorruptionstatbestände nicht zu fürchten habe, solange man sich an gewisse Spielregeln halte, die letztlich selbstverständlich sein sollten. Andererseits ist dennoch Aufmerksamkeit und Problembewusstsein geboten – eine rechtssichere Beratung ist am Ende günstiger als das „Ausruhen“ auf alten, vermeintlich sicheren Verträgen oder ein nicht gelungenes Ausloten von Grenzen.

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