Künstliche Intelligenz ist dabei, die Arbeitswelt zu revolutionieren. Der aktuelle Hype um ChatGPT verspricht Effizienzgewinne und erobert viele Bereiche des Gesundheitswesens. Ob beim Verfassen von Patienteninformationen, der Strukturierung von Arztbriefen, der Erstellung von Vorlagen oder sogar beim Entwurf von Verträgen: Die Möglichkeiten scheinen auf den ersten Blick endlos. Doch wie bei jeder technischen Innovation gilt auch hier: Nicht alles, was technisch möglich ist, ist aus rechtlicher Sicht auch klug.
Während ChatGPT im organisatorischen Bereich und bei anonymen Vorlagen für Entlastung sorgen kann, stößt die Anwendung spätestens dann an ihre Grenzen, wenn es um Verträge und andere sensible Dokumente geht. Hier geraten Datenschutz, Geheimnisschutz und berufsrechtliche Vorgaben schnell in den Mittelpunkt – und genau an dieser Stelle lauern erhebliche Stolperfallen, die jede Praxis kennen sollte.
Datenschutz und Geheimnisschutz beim Hochladen von Vertragsentwürfen
Vertragsentwürfe aus der ärztlichen Praxis enthalten in der Regel zahlreiche personenbezogene und oftmals besonders schützenswerte Informationen. Dazu zählen unter anderem Daten zu Kooperationsmodellen, Vergütungsregelungen, Gesellschaftsbeteiligungen oder Beschäftigungsverhältnissen. Werden solche Dokumente samt Klarnamen der Praxis oder beteiligter Personen an ChatGPT übermittelt, erfolgt meist eine Datenübertragung an einen Anbieter außerhalb Europas – in der Regel OpenAI in die USA. Das hat erhebliche rechtliche Konsequenzen: Neben den Vorgaben der DSGVO greift auch der strafrechtlich geschützte Geheimnisschutz nach § 203 StGB.
Häufig fehlt für diese Art der Datenverarbeitung eine gesetzliche Grundlage. Es liegt weder ein Auftragsverarbeitungsvertrag vor noch kann gewährleistet werden, dass das europäische Datenschutzniveau eingehalten wird. Zudem ist in der Regel keine Einwilligung aller betroffenen Personen vorhanden und undurchsichtig bleibt, ob und wie OpenAI die übermittelten Daten weiterverarbeitet oder speichert. Gerade bei besonders sensiblen Angaben wie wirtschaftlichen Details oder internen Vertragsinhalten wird die Grenze zur Rechtswidrigkeit gemäß DSGVO schnell überschritten. Das Risiko reicht von hohen Bußgeldern und Unterlassungsansprüchen bis zu strafrechtlichen Folgen.
Eine besondere Gefahr besteht für ärztliche Berufsgeheimnisträger:innen sowie Praxisinhaber:innen und Geschäftsführer:innen. Die Weitergabe von Geschäfts- oder Patientengeheimnissen an nicht befugte Dritte – in diesem Fall OpenAI – kann eine gravierende Verletzung von § 203 StGB bedeuten. Im Gegensatz zu cloudbasierten Lösungen innerhalb der EU fehlt bei dem Einsatz von ChatGPT jegliche berufs- und datenschutzrechtliche Legitimation; die Verantwortung liegt vollumfänglich bei der Praxis.
Berufsrechtliche Anforderungen und Haftungsfallen durch ChatGPT-Verträge
Auch berufsrechtlich und in haftungsrechtlicher Hinsicht ist höchste Vorsicht geboten. Nach ärztlichem Berufsrecht sowie den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen ist bei der Vertragsgestaltung und beim Schutz aller Betriebs- und Berufsgeheimnisse größte Sorgfalt erforderlich. Die automatisierte Verarbeitung sensibler Vertragsinhalte durch KI-Tools wie ChatGPT droht diesen Standard der ordnungsgemäßen Berufsausübung zu unterschreiten.
Es ist ein weit verbreiteter Irrtum zu glauben, KI-gestützte Vertragsentwürfe seien automatisch fehlerfrei und rechtssicher. Tatsächlich unterscheidet sich die Nutzung von ChatGPT für Verträge kaum von der Übernahme von Musterverträgen aus dem Internet oder von Kollegen: In allen Fällen entsteht oft nur ein allgemeines, lückenhaftes Konstrukt, das die individuellen Anforderungen und Besonderheiten Ihrer Praxis nicht abbildet. Wichtige Regelungen und Details werden leicht übersehen oder unzureichend berücksichtigt – mit der Folge, dass im Streitfall erhebliche rechtliche Unsicherheiten bestehen. Werden solche Standardvorschläge ungeprüft übernommen oder gar vertrauliche Entwürfe extern verarbeitet, drohen im schlimmsten Fall unwirksame Verträge, erhebliche finanzielle Risiken und gravierende haftungs- oder berufsrechtliche Konsequenzen. Letztlich trägt immer die Praxisleitung die Verantwortung – und nicht die KI oder der Anbieter. Deshalb bleibt die individuelle, fachanwaltliche Prüfung unverlässlich.
Empfehlung und Risikominimierung
- Keine Übermittlung von Klarnamen und sensiblen Inhalten an ChatGPT – Vermeiden Sie das Hochladen von Dokumenten mit praxisbezogenen, personenbezogenen oder wirtschaftlichen Details.
- Anwendungsbereich klar begrenzen: Nutzen Sie ChatGPT ausschließlich für allgemeine, organisatorische und anonyme Texte – niemals für vertrauliche Vertragsdaten oder interne Details.
- Datenschutzkonforme Tools wählen: Setzen Sie vorzugsweise EU-gehostete, zertifizierte KI-Lösungen mit belastbarem Auftragsverarbeitungsvertrag ein.
- Aufklärung und Schulung aller Teammitglieder – Sensibilisieren Sie Ihre Mitarbeitenden regelmäßig für datenschutzrechtliche Fallstricke und legen Sie interne Leitlinien für die Nutzung von KI fest.
- Verträge individuell von Fachanwält:innen prüfen lassen: Nur eine juristische Prüfung gewährleistet, dass Ihre Verträge wirklich zu Ihrer Praxis passen und rechtssicher sind.
Fazit
Künstliche Intelligenz bietet Arztpraxen zahlreiche Chancen, insbesondere bei der Bewältigung täglicher Routineaufgaben, bei Schulungen und in der Öffentlichkeitsarbeit. Doch Vorsicht ist geboten: Sobald personenbezogene oder wirtschaftliche Daten in Klarnamen verarbeitet werden, wird der Einsatz von ChatGPT juristisch heikel – vor allem bei Verträgen und sensiblen Dokumenten. Hier sind zwingend klare Grenzen und eine abschließende anwaltliche Überprüfung erforderlich. Digitalisierung entfaltet ihren echten Nutzen erst dann, wenn Sie die rechtlichen Rahmenbedingungen beachten, Datenschutz und Berufsrecht konsequent umsetzen und alle sensiblen Prozesse professionell absichern. Ein generischer Vertrag – egal ob von der KI, aus dem Internet oder von einem Kollegen – ersetzt niemals eine auf Ihre individuelle Praxis zugeschnittene, juristisch geprüfte Vereinbarung.
Bei Fragen zur rechtssicheren Digitalisierung der Praxis, zu KI-Compliance oder zum datenschutzgerechten Einsatz neuer Technologien stehen wir gerne als spezialisierte Partner zur Verfügung.
