14. Januar 2014

Eine Google-Adwords-Anzeige für ein Arzneimittel verstößt nicht allein deshalb gegen § 4 HWG, weil die Pflichtangaben nicht in der Anzeige selbst enthalten sind. Es ist vielmehr ausreichend, dass die Anzeige einen eindeutig als solchen klar erkennbaren elektronischen Verweis enthält, der unzweideutig darauf hinweist, dass der Nutzer über ihn zu den HWG-Pflichtangaben gelangt; der elektronische Verweis muss zu einer Internetseite führen, auf der die Pflichtangaben unmittelbar, das heißt ohne weitere Zwischenschritte leicht lesbar wahrgenommen werden können.

Dies hat der BGH bereits am 06. Juni 2013 entschieden. In dem entschiedenen Fall hatte der Verband Sozialer Wettbewerb e.V. gegen einen Arzneimittelhersteller geklagt, der für ein Arzneimittel mit folgenden Adwords-Anzeigen warb:

„Bei entzündeten Atemwegen
Kleine Kapsel – große Wirkung.
S.   bekämpft die Entzündung“

und

„Bei entzündeten Atemwegen
Kleine Kapsel – große Wirkung.
S.   bekämpft die Entzündung
www.    .de/Pflichttext_hier“

Die Überschriften der Anzeigen waren als elektronische Verweise (Links) ausgestaltet, über die der Suchmaschinenbenutzer mit einem Klick auf die Internetseite der Beklagten gelangen konnte. Auf dieser konnte der Nutzer nach mehrfachem Scrollen die Bezeichnung des Arzneimittels, die Angabe seiner Anwendungsgebiete und den Zusatz “Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker” auffinden.

Der Verband Sozialer Wettbewerb e.V. hielt die Werbung der Beklagten für wettbewerbswidrig, weil die gemäß § 4 HWG erforderlichen Pflichtangaben nicht in der Anzeige selbst enthalten waren. Im Hinblick auf die zweite angegriffene Anzeige hat er zudem geltend gemacht, dass die Angabe „www.    .de/Pflichttext_hier“ nicht als Link ausgestaltet war und auch die Eingabe dieser Pfadangabe in die Adressleiste eines Internetbrowsers nicht unmittelbar zu den Pflichtangaben führte.

Infolgedessen verlangter der Verband Sozialer Wettbewerb e.V. von dem Arzneimittelhersteller, diese Form der Werbung zu unterlassen und war damit letztlich in allen Instanzen erfolgreich.

Der BGH bestätigte, dass die beanstandeten Anzeigen gegen § 4 HWG verstoßen. Gemäß § 4 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 3 HWG müssen in der Werbung für Arzneimittel außerhalb der Fachkreise die Bezeichnung des Arzneimittels und seine Anwendungsgebiete angegeben werden. Nach § 4 Abs. 4 HWG müssen diese Angaben von den übrigen Werbeaussagen deutlich abgesetzt, abgegrenzt und gut lesbar sein. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 HWG ist zudem der Text “Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker” gut lesbar und von den übrigen Werbeaussagen deutlich abgesetzt und abgegrenzt anzugeben.

All diese Erfordernisse blieben in der hier beanstandeten Werbung unbeachtet.

Allerdings wie der BGH darauf hin – und dies macht die Entscheidung so interessant – dass die Anzeigen der Beklagten nicht bereits deshalb gegen § 4 HWG verstoßen, weil die Pflichtangaben nicht in den Google-Adwords-Anzeigen selbst enthalten sind. Es ist vielmehr ausreichend, wenn die Pflichtangaben mittels eines elektronischen Verweises in der Adwords-Anzeige zugänglich gemacht werden.

Wichtig ist stets, dass die Pflichtangaben, die vom Gesetzgeber als notwendiges Gegengewicht und Korrektiv zu regelmäßig nur positiven Werbeaussagen gedacht sind, vom Werbeadressaten als sachlich informativer Teil der Gesamtwerbung erkannt werden. Darüber hinaus erfordert die Gewährleistung der vom Gesetzgeber beabsichtigten Gesamtinformation insbesondere, dass die Wahrnehmung der Pflichtangaben dem Leser keinen zusätzlichen Aufwand oder besonderen Einsatz abfordert; denn nach der Lebenserfahrung wird ein erheblicher Teil der Angesprochenen eine für die nähere Wahrnehmung erforderliche Mühe scheuen und sich auf das Lesen des vom Werbenden ausgesuchten regelmäßig auffälliger und leicht lesbar gestalteten positiven Teils der Werbung beschränken.

Grundsätzlich sind daher Maßnahmen, mit denen dem Leser die leichte Wahrnehmung der Pflichtangaben erschwert wird, mit dem Schutzzweck des Gesetzes unvereinbar.

Bei der Bestimmung dessen, was ohne besondere Konzentration und Anstrengung wahrgenommen werden kann, sind allerdings nach Auffassung des BGH die jeweiligen Umstände des Einzelfalls maßgebend, namentlich die Besonderheiten des Werbemediums. Bei einer Werbung im Internet ist zu berücksichtigen, dass der durchschnittliche Nutzer mit den Besonderheiten des Internets vertraut ist; er weiß, dass Informationen zu angebotenen Waren auf mehrere Seiten verteilt sein können, die untereinander durch elektronische Verweise („Links“) verbunden sind und vom Nutzer unschwer durch einfachen Mausklick aufgesucht werden können.

Zu berücksichtigen ist ferner die Besonderheit von Adwords-Anzeigen auf der Internetseite des Suchmaschinenbetreibers Google. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass sie regelmäßig nur schlagwortartige werbliche Kurzangaben enthalten, die – ähnlich einer Überschrift – dazu einladen, den in der Anzeige enthaltenen Link zu benutzen, um ausführlichere Informationen zu erhalten.

Aus diesen Grundsätzen ergibt sich, dass es den Anforderungen des § 4 Abs. 3 und 4 HWG genügt, wenn eine Adwords-Anzeige für ein Arzneimittel einen eindeutig als solchen klar erkennbaren elektronischen Verweis enthält, der unzweideutig darauf hinweist, dass der Nutzer über ihn zu den Pflichtangaben gelangt, und der auch tatsächlich zu einer Internetseite führt, auf der die Pflichtangaben unmittelbar, das heißt ohne weitere Zwischenschritte leicht lesbar wahrgenommen werden können.

Dies kann dadurch geschehen, dass der elektronische Verweis unmittelbar, das heißt ohne weitere Mausklicks zur einer Internetseite führt, auf der sich allein die Pflichtangaben befinden.

Enthält die Internetseite dagegen noch weitere Inhalte, ist das Unmittelbarkeitskriterium nur dann erfüllt, wenn der elektronische Verweis den Verbraucher direkt zu der Stelle der Seite führt, wo sich die Pflichtangaben befinden. Nicht ausreichend ist es dagegen, wenn der Verbraucher – wie im hier entschiedenen Fall – lediglich die Möglichkeit hat, auf der verlinkten Seite durch Scrollen die Pflichtangaben aufzusuchen.

In der ersten der beiden angegriffenen Anzeigen fehlte es zudem bereits an einem klar erkennbaren elektronischen Verweis, der unzweideutig darauf hinweist, dass der Nutzer über ihn zu den Pflichtangaben gelangen kann. Dass die Überschrift „Bei entzündeten Atemwegen“ als Link ausgestaltet war, genügt nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass der Begriff „Pflichtangaben“ oder eine entsprechend eindeutige Formulierung in der Anzeige selbst verwendet wird.

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