4. September 2015

Das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) ist seit dem 23.07.2015 in Kraft. Ziel dieses Gesetzes ist es, eine für alle Patientinnen und Patienten gut erreichbare medizinische Versorgung auf hohem Niveau auch in Zukunft sicherzustellen.

Das GKV-VSG sieht verschiedene Instrumente vor, um dieses Ziel zu erreichen. Zum Beispiel soll zum einen die Versorgung in derzeit unterversorgten Bereichen ausgebaut, zum anderen in überversorgten Bereichen reduziert werden. Letzteres auch durch Einziehung des Vertragsarztsitzes durch den Zulassungsausschuss. Der neu eingeführte § 103 Abs. 3a SGB V regelt hierzu, dass der Zulassungsausschuss den Antrag auf Durchführung einer Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes ablehnen soll, wenn eine Nachbesetzung aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist. Diese Regelung besteht zwar schon seit Inkrafttreten des Versorgungsstrukturgesetzes zum 01.01.2013. Da hiervon jedoch bisher kaum Gebrauch gemacht wurde, wurde aus der ursprünglichen „Kann“-Vorschrift nun eine „Soll“-Vorschrift, was faktisch bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen einem „Muss“ gleichkommt, insbesondere in Gebieten, in denen bereits 140% Überversorgung und mehr besteht. Diese Grenze für die Erforderlichkeit der Einziehung des Sitzes wurde mit dem GKV-VSG nun von 110% („kann“) auf 140% („soll“/“muss“) angehoben worden.

Wann ist eine Nachbesetzung aus Versorgungsgründen nicht erforderlich und wie gestaltet sich der Ablauf der Aufgabe des Vertragsarztsitzes konkret?

Möchte ein Arzt seinen Vertragsarztsitz an einen Nachfolger abgeben, stellt er den Antrag auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens. Über diesen Antrag entscheidet der Zulassungsausschuss: gibt er ihm statt, wird der Vertragsarztsitz von der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung ausgeschrieben; lehnt er ihn ab, wird die Zulassung von der KV eingezogen, wofür diese dem Arzt (oder seinen Erben) eine Entschädigung zahlen muss. Die Höhe der Entschädigung entspricht dem Verkehrswert der Praxis, wobei die Berechnung dieses Wertes einige noch nicht abschließend geklärte Fragen aufwirft. So sind sowohl der materielle als auch der immaterielle Wert der (GKV-)Praxis bei der Berechnung zu berücksichtigen, auch wenn der privatärztliche Teil fortgeführt wird; wohl ebenso berücksichtigt werden die dem ausscheidenden Arzt ggf. entstehenden Folgeschäden. Dabei besteht die Gefahr der Ablehnung eines Nachbesetzungsantrags lediglich in den Planungsbereichen, für die Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind. Diese Gefahr können Sie jedoch dadurch vermeiden, dass Sie sich bereits einen Nachfolger gesucht und diesen mindestens drei Jahre in einem Anstellungsverhältnis beschäftigt haben, bevor Sie den Antrag auf Nachbesetzung bei dem Zulassungsausschuss stellen (siehe unten bei „privilegierte Fälle“).

Die Ablehnung des Antrags auf Nachbesetzung ist zulässig, wenn die Praxis keine relevante Rolle mehr bei der Versorgung spielt und damit nicht mehr versorgungsrelevant ist. Dies ist der Fall, wenn keine nennenswerte Fallzahl mehr vorhanden ist, d.h. die Anzahl der Patienten bzw. „Scheine“ der Praxis erheblich unter dem Durchschnitt der entsprechenden Fachgruppe liegt. Je nach Zulassungsausschuss wird die Versorgungsrelevanz anders beurteilt, diese kann bei unter 25%, unter 50% oder unter 75% der Fallzahl des Durchschnitts der Fachgruppe als nicht mehr gegeben bewertet werden. Dabei haben die Zulassungsausschüsse einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der (nicht mehr) bestehenden Versorgungsrelevanz, der nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die absolute Untergrenze dürfte allerdings bei 20% der Fallzahl des Durchschnitts der Fachgruppe liegen, da bei einem solchen Ausmaß der reduzierten Versorgungsrelevanz auch nach bisheriger Rechtsprechung eine Ablehnung des Nachbesetzungsantrags als zulässig gewertet wurde. Eine weitere Ursache für die fehlende Versorgungsrelevanz kommt in Betracht, wenn in einem Planungsbereich bereits ausreichend Ärzte der gleichen Fachgruppe vorhanden sind.

Als mögliche Gründe für die positive Bescheidung eines Antrages auf Nachbesetzung kommen insbesondere die folgenden in Betracht:

  • besonderer lokaler oder qualifikationsbezogener Versorgungsbedarf
  • weiterer Bedarf nach dem Arztsitz einer speziellen Fachrichtung
  • Aspekte der Mitversorgung
  • Versorgungsbedürfnisse von Menschen mit Behinderung
  • Erhalt eines besonderen Versorgungsangebots eines medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) oder einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG)

Der Antrag auf Nachbesetzung muss in den sog. privilegierten Fällen, die das Gesetz vorsieht, zwingend positiv beschieden werden. Dabei handelt es sich abschließend um folgende Fälle:

  • Fortführung der Praxis durch den Ehegatten, Lebenspartner oder ein Kind des bisherigen Vertragsarztes
  • Fortführung der Praxis durch einen Angestellten oder Mitgesellschafter und Mitbetreiber des bisherigen Vertragsarztes, wobei die Anstellung bzw. gemeinsame Praxisführung bereits seit drei Jahren vor der Praxisübernahme bestand (Letzteres gilt nicht, wenn die Zusammenarbeit vor der ersten Lesung zum GKV-VSG am 05.03.2015 begründet wurde)
  • Verpflichtung des Praxisnachfolgers, die Praxis in ein anderes Gebiet des Planungsbereichs zu verlegen, in dem nach Mitteilung der KV wegen einer zu geringen Ärztedichte ein Versorgungsbedarf besteht
  • der Praxisnachfolger arbeitete bereits mindestens fünf Jahre in einem unterversorgten Gebiet und hat diese Tätigkeit nach Inkrafttreten des VSG erstmalig aufgenommen

Gegen die (negative) Bescheidung des Nachbesetzungsantrages ist ohne weitere verwaltungsrechtliche „Umwege“ die Klage beim zuständigen Sozialgericht zulässig. Diese hat jedoch keine aufschiebende Wirkung, d.h. der Vertragssitz würde trotz Klageeinreichung erst einmal eingezogen.

Fazit: Sollten Sie beabsichtigen, Ihre Praxis in den nächsten Jahren an einen Nachfolger abzugeben, dies vor dem 05.03.2015 noch nicht durch Anstellung eines Nachfolgers in die Wege geleitet haben und einen Praxissitz innerhalb eines Planungsgebietes mit Zulassungsbeschränkungen haben, empfehlen wir Ihnen, mindestens 4 ½ bis 5 Jahre vor dem geplanten Zeitpunkt der Praxisabgabe mit der Suche nach einem geeigneten Nachfolger zu beginnen: Diese Zeit benötigen Sie zum einen wegen des Erfordernisses der mindestens 3-jährigen vorherigen Zusammenarbeit und zum anderen wegen der ca. 1 bis 2 Jahre dauernden Zeit für die Bescheidung Ihres Nachbesetzungsantrages und das anschließend durchzuführende Nachbesetzungsverfahren.

Sprechen Sie uns an! Wir stehen Ihnen gerne mit kompetenter Beratung und jahrelanger Erfahrung bei der Planung und Durchführung Ihrer Praxisabgabe zur Seite! Ebenso beraten wir Sie gerne bei einer geplanten Praxisübernahme.

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