7. Oktober 2012

Das LG Köln hat in einem in den letzten Tagen vielfach diskutierten Urteil die Auffassung vertreten, dass die religiös motivierte Beschneidung eines nicht einwilligungsfähigen männlichen Kleinkindes  den Tatbestand der Körperverletzung nach § 223 I StGB erfüllt (LG Köln, Urteil vom 07.05.2012 – 151 Ns 169-11).

Der in diesem Verfahren angeklagte Arzt wurde gleichwohl freigesprochen, da das Gericht der Auffassung war, dass auf Grundlage der kontroversen Diskussionen in Literatur und Rechtsprechung ein für den Arzt nicht vermeidbarer Verbotsirrtum anzunehmen ist.

Die Entscheidung des Gerichtes ist im Ergebnis absolut zutreffend. Eine allein religiös motivierte Beschneidung erfüllt den Straftatbestand der Körperverletzung und es ist nicht zu begründen, warum die grundgesetzlich geschützte Glaubens- und Erziehungsfreiheit der Eltern das Recht des zu einer eigenen Entscheidung nicht fähigen Kindes auf körperliche Unversehrtheit überwiegen sollte.

Vor diesem Hintergrund verwundert es vielmehr, dass (wieder einmal) Politiker sich zu einer Richterschelte hinreißen lassen, obwohl sie ganz offensichtlich von keiner (juristischen) Sachkenntnis getrübt sind.

Ebenso richtig war es, dass das Gericht den betroffenen Arzt freigesprochen hat, weil es ihm einen nicht vermeidbaren Verbotsirrtums zugestanden hat. Mit der öffentlichen Diskussion um dieses Urteil dürfte es anderen Ärzten in Zukunft aber verwehrt sei, sich auf einen solchen Irrtum zu berufen. Jedenfalls wird ein solcher Irrtum nur noch mit viel Aufwand zu begründen sein.

Umso wichtiger ist es nun, dass der Gesetzgeber Rechtssicherheit für die betroffenen Ärztinnen und Ärzte schafft. Denn aktuell muss Ärzten  und auch den Eltern empfohlen werden, Beschneidungen nur noch bei einer nachweisbaren medizinischen Indikation durchzuführen. Nur so können strafrechtliche Risiken sicher ausgeschlossen werden.

Der Bundestag hat das Thema auch bereits aufgegriffen und am 19.07.2012 mit breiter Mehrheit eine Resolution verabschiedet, in der er sich dafür ausspricht, religiöse Beschneidungen gesetzlich zu erlauben. Er hält „eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich [für] zulässig“.

Unabhängig davon, wie der Bundestag angesichts einer derzeit an sich klaren gesetzlichen Regelung zu einer solchen Auffassung gelangt, fordert er die Bundesregierung zugleich auf, bis zum Herbst ein entsprechendes Gesetz vorzulegen.

Die Frage ist nun, was richtig ist. Bei einem Verbot der religiös motivierten Beschneidungen würde sicher Beschneidungen im Hinterzimmer oder ein „Beschneidungs-Tourismus“ drohen.

Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit für religiös motivierte Riten aufgeweicht werden darf.

In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der dpa sprachen sich 45 Prozent dafür aus, der Jahrhunderte alten Tradition einen Riegel vorzuschieben. Nur 42 Prozent waren gegen ein Verbot, 13 Prozent hatten dazu keine Meinung.

UPDATE (07.09.2012):  
Nunmehr liegt der Gesetzentwurf zur Beschneidung vor, der den Eingriff unter bestimmten Bedingungen straffrei stellt. Dem Gesetzentwurf zufolge können Eltern künftig einer Beschneidung ihres Jungen zustimmen, ohne damit ihre gesetzliche Fürsorgepflicht zu verletzen. Allerdings muss der Eingriff „nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden“.

Die neue gesetzliche Regelung soll als § 1631d in das BGB eingefügt werden. Im Gesetzesentwurf wurde klargestellt, dass Eltern natürlich auch weiterhin in eine Genitalverstümmelung ihrer Tochter keinesfalls einwilligen dürfen. Betroffene ältere Jungen sollen eine Art Recht zum Veto gegen den Eingriff erhalten, das auch respektiert werden muss. Der Einsatz von örtlichen Betäubungs- oder im fortgeschrittenen Alter von Narkosemitteln soll zur Schmerzminderung beitragen. Eltern sollen zudem umfassend über medizinische Risiken und mögliche Folgen des Eingriffs aufgeklärt werden. Die Abtrennung der Penisvorhaut darf dem Entwurf zufolge in den ersten sechs Lebensmonaten des Kindes auch von „besonders ausgebildeten“ Vertretern der Religionsgemeinschaften vorgenommen werden.

Der Vorgeschlagene Gesetzestext lautet wie folgt:

Vorschlag Regelungstext:

„Beschneidung des männlichen Kindes

(1) Die Personensorge umfasst auch das Recht, in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll. Dies gilt nicht, wenn durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird.

(2) In den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes dürfen auch von einer Re- ligionsgesellschaft dazu vorgesehene Personen Beschneidungen gemäß Absatz 1 durchführen, wenn sie dafür besonders ausgebildet und, ohne Arzt zu sein, für die Durchführung der Beschneidung vergleichbar befähigt sind.“

Wie die Ärztezeitung berichtet, beurteilt der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte  den Gesetzesentwurf sehr skeptisch. Dass Beschneidungen auch von Nichtärzten vorgenommen werden dürften, sei mit der Berufsordnung nicht vereinbar, so BVKJ-Präsident Dr. Wolfram Hartmann.

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