24. Dezember 2020

Seit Wochen spitzt sich die Corona-Pandemie weiter zu. Täglich werden neue, höhere Infektionszahlen gemeldet und auch die Zahl derjenigen, die den Kampf gegen das Virus verlieren, steigt. Ärzte, Pflegekräfte, Krankenhäuser warnen seit Wochen davor, dass sie an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen, erst Recht wenn die Zahlen weiter steigen werden. Daher auch nur der erneute Lockdown. Aber was hilft die Warnung aller Akteure, wenn der Fall dann doch eintritt? Wir sind an einem Punkt angelangt, wo das Wort „Triage“ zunehmend an Bedeutung gewinnt und in den Fokus gelangt. Gemeint ist damit, die „Sortierung“ von Patienten nach Dringlichkeit im Falle, dass aufgrund von besonderen Krisen- oder Notsituationen eine Versorgung aller hilfsbedürftiger Patienten aufgrund fehlender ausreichender Ressourcen nicht mehr möglich ist. Die Ärzte werden gezwungen zu entscheiden, welche Patienten nun zuerst oder gar überhaupt intensivmedizinisch behandelt und betreut werden und welche erst später oder gar nicht mehr.

Dieses vielschichtige medizin-ethische und auch rechtliche Dilemma ist nicht nur für alle Entscheider, also insbesondere die behandelnden Ärzte an der Front tragisch belastend, da sie in kürzester Zeit weitreichenden Entscheidungen über Leben und Tod treffen müssen. Auch für jeden potentiellen Patienten ist die Situation geradezu beängstigend, wenn er befürchten muss, dass er oder sie am Ende nicht zum auserwählten Kreis gehören wird, die die medizinische Behandlung bekommen, die sie brauchen.

Rechtliche Vorgaben zur Triage

Die Frage, die sich daher unweigerlich stellt, ist die, ob es nicht konkrete rechtliche Vorgaben gibt, wie mit mangelnden Ressourcen auf der einen und zu vielen Patienten auf der anderen Seite angemessen und gerade in Bezug auf die Behandlerseite rechtssicher umzugehen ist.

Fakt ist, es fehlt bisher an einer einschlägigen Rechtsnorm, die genau diese Frage beantwortet. Dies auch obwohl bereits im Rahmen einer Bund-Länder-Risikoanalyse aus 2013 ausdrücklich erklärt wurde: „Bisher gibt es keine Richtlinie, wie mit einem Massenanfall von Infizierten bei einer Pandemie umgegangen werden kann. Diese Problematik erfordert komplexe medizinische, aber auch ethische Überlegungen und sollte möglichst nicht erst in einer besonderen Krisensituation betrachtet werden.“ (BT-Drs. 17/12051 vom 03.01.2013, S. 65, Fn. 7).

Empfehlungen von Fachgesellschaften zur Triage

Was es aktuell gibt sind Empfehlungen von Fachgesellschaften, so insbesondere die Klinisch-ethischen Empfehlungen der DIVI, DGINA, DGAI, DGIIN, DGNI, DGP, DGP und AEM „Entscheidung über die Zuteilung intensivmedizinsicher Ressourcen im Kontext der COVID-19-Pandemie“ . Diese dienen als Entscheidungsunterstützung für die verantwortlichen Ärzte, wenn sie in die Situation kommen, dass sie sich zwischen Patienten und der Art ihrer Behandlung entscheiden müssen.

Fazit

Ohne Zweifel werden auch Gerichte und die von diesen beauftragten Sachverständigen sich an solchen Handlungsempfehlungen orientieren müssen, wenn im Einzelfall die Frage im Raum stehen sollte, ob die Entscheidung für den einen und nicht den anderen Patienten wirklich „richtig“ war, sich also zumindest rechtfertigen lässt. Allerdings bleit gleichwohl festzuhalten, dass es sich um keine juristische Einordnung, sondern um reine Handlungsempfehlungen handelt. Diese sind rechtlich unverbindlich. Inwiefern sie vor Haftungs- oder gar Strafbarkeitsrisiken schützen, ist nach wie vor nicht geklärt. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers hier tätig zu werden, denn in grundlegenden normativen Bereichen hat er alle wesentlichen Entscheidungen, gerade im Bereich der Grundrechtsausübung, die einer Regelung zugänglich sind, selbst zu treffen.

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