25. Februar 2007

Wie wichtig die Dokumentation nicht nur des Behandlungsfortganges selbst, sondern auch die des interventionserforderlichen Ausgangsbefundes einer (zahn-)ärztlichen Maßnahme ist, hat das zweitinstanzliche Urteil des OLG Koblenz Az. 5 U 1591/ 05 am Falle einer Zahnbehandlung (hier: Überkronung) abermals gezeigt.

Das Gericht hat in seiner Entscheidung herausgestellt, dass es im Rahmen der Darlegungs- und Beweislast zu einer sogenannten „Beweislastumkehr“ zu Lasten des Behandlers kommen kann, wenn der behandelnde Arzt zwar die durchgeführte Behandlung ordnungsgemäß dokumentiert hat, nicht  den Ausgangsbefund.

„Beweislastumkehr“ bedeutet, dass der Patient seine Behauptung, es läge eine Fehlbehandlung vor, erst einmal nicht beweisen muss. Stattdessen muss der behandelnde Arzt Tatsachen vorbringen, die die vorgeworfene Falschbehandlung entkräften. Liegt also eine ordentliche Dokumentation sowohl des Ausgangsbefundes wie auch über den Behandlungsablauf vor, hat zunächst der Patient die Pflicht, seine Behauptungen zu beweisen.

Tipp:

In diesem Zusammenhang ist zu raten, sollte es einmal erforderlich werden, dass Behandlungsunterlagen herauszugeben sind, dass die Vollständigkeit der Unterlagen im Sinne des anstehenden Prozesses vorab von einem Rechtsanwalt geprüft wird. Werden zunächst lediglich unvollständige Dokumentationsunterlagen eingereicht, die dann im laufenden Gerichtsverfahren vervollständigt werden müssen, so ist damit zu rechnen, dass die Glaubhaftigkeit des Inhaltes der nachgereichten Unterlagen sowohl von der Gegenseite wie auch vom Gericht infrage gestellt wird.

Im Fall einer mangelhaften Dokumentation kann im Nachhinein nicht mehr beurteilt werden, ob eine Behandlung medizinisch indiziert war. Das OLG Koblenz hat konkret festgestellt, dass auch ein erhebliches Ausmaß an Füllungen alleine keine zwingende Indikation z.B. für eine Überkronung darstellt.

Tipp:

Der Umfang einer ordentlichen Dokumentation bemisst sich letztlich nach allen für eine Behandlung wichtigen Umständen, hat mithin von Behandlung zu Behandlung einen individuellen Charakter. In die Dokumentation müssen alle wesentlichen diagnostischen und therapeutischen Bewandtnisse, Gegebenheiten und Maßnahmen Eingang finden. Hierbei ist zu beachten, dass die Dokumentation primär nicht auf die Vermeidung von Haftungsfällen gerichtete ist, sondern sie dient dem therapeutischen Interesse des Patienten, so dass sich danach der Inhalt und der Umfang zu bestimmen hat.

Das OLG Koblenz hat aber auch festgestellt, dass eine unvollständige und/ oder lückenhafte Dokumentation alleine nicht ausreicht, dem Patienten Schadenersatz- oder gar Schmerzensgeldansprüche zu zusprechen. Schadenersatzansprüche verlangen vielmehr noch „weitere erhebliche Mängel“. Hier hat das OLG Koblenz in dem konkreten Fall darauf abgestellt, dass sich ein Schadenersatz bereits deshalb ergibt, weil die Passgenauigkeit der Kronenränder fehlt und die gesamte Prothetik neu hergestellt werden muss.

Häufig hat der Behandler die Kronen  gar nicht selbst gefertigt. Aber auch dann hat der Behandler dem Patienten die Schäden zu ersetzen. Ob die fehlende Passgenauigkeit von Zahnersatz letztlich dem beauftragten Zahnlabor zu zuschreiben ist oder der mit der Anfertigung der Abdrücke beauftragten Helferin, ist hierbei ohne Belang.

Im Hinblick auf die Mitarbeiterin wird der Arbeitgeber regelmäßig über die höchstkomplizierte Systematik der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Haftung für eventuelle Fehler der Mitarbeiterin einzustehen haben. Auch das Zahnlabor hat keine direkte Rechtsbeziehung zum Patienten, so dass wiederum der Behandler gegenüber dem Patienten gerade steht. Ein eventueller Rückgriff auf den Zahntechniker birgt regelmäßig die Schwierigkeit, dass der Techniker behaupten wird, die gelieferten Abdrücke hätten eine bessere Arbeit nicht zu gelassen.

Zur Vermeidung von Haftungsansprüchen sollten die delegierten Aufgaben zwingend noch einmal geprüft werden. Auch hierüber sollte eine Dokumentation erfolgen.

Stellt sich letztlich heraus, dass tatsächlich eine Fehlbehandlung erfolgt ist oder lässt sich aufgrund unzureichender Dokumentation eine fehlerfreie Behandlung nicht mehr beweisen, so kann es neben Schadenersatzansprüchen zu Schmerzensgeldansprüchen kommen.

Bestehen Schadenersatzansprüche regelmäßig aus den Kosten, die für eine nochmalige Behandlung bzw. eine lege artis Behandlung entstehen (materielle Schäden), so richten sich Schmerzensgeldansprüche nach den erlittenen Schmerzen (immaterielle Schäden). Hierbei sind nicht nur die Schmerzen zu berücksichtigen, die möglicherweise durch die erneute Behandlung entstehen, sondern auch die, die während der fehlerhaften Behandlung nicht abgestellt wurden und zwischen der fehlerhaften und der neuen Behandlung bestanden. Je nach der Zeitspanne zwischen der fehlerhaften und der erneuten Behandlung kann so eine erhebliche Summe auflaufen, zumal letztlich das Gericht nach eigenem Ermessen die Höhe des Schmerzensgeldes festlegt.

Im konkreten Fall musste die Brücken zwischen den Zähnen 23 und 26 sowie die überkronten Zähne 11 – 26, wobei sämtliche Zähne in der Erstbehandlung vollständig verblockt wurden, wieder entfernt und anschließend die gesamte Prothetik vollständig neu hergestellt werden. Das Gericht hat das Schmerzensgeld auf € 7.000,– festgesetzt.

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