15. Mai 2013

Schockmeldung aus den USA: Hollywood Diva Angelina Jolie ließ sich aus Angst vor Krebs aufgrund von monogener Vererbung beide Brüste amputieren. Die sogenannte Mastektomie ist in den USA und den Niederlanden weit verbreitet, in Deutschland hingegen wird sie nur sehr zurückhaltend von weniger als 10 % der betroffenen Frauen genutzt. Da die Mastektomie bei fehlender genetischer Diagnose als nur relativ indizierte medizinische Indikation gilt, gab es in der Vergangenheit einige Urteile die sich insbesondere auf die Aufklärungspflicht der durchführenden Ärzte bezog.

Wissenswert erscheint in Zusammenhang mit einer etwaigen Mastektomie, dass etwa 5-10 % der Fälle von Brust- und oder Eierstockkrebs eine monogene Ursache haben. Bei etwa der Hälfte der in dieser Gruppe Betroffenen werden Mutationen, also Veränderungen im BRCA 1 oder BRCA 2 Gen nachgewiesen. Bei BRCA 1 Mutationsträgerinnen kommt es in etwa 60-80 % aller Fälle zu Brust und etwa 40-55 % zu Eierstockkrebs. BRCA2 Trägerinnen entwickeln in etwa 45-80 % der Fälle Brust- und in etwa 10-20 % der Fälle Eierstockkrebs. Durch eine molekulargenetische Analyse kann festgestellt werden, ob eine Veränderung in einem der beiden Gene als Ursache für gehäuftes Auftreten von Brust und/oder Eierstockkrebs in einer Familie verantwortlich ist. Die meisten gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten eines solchen Gentest, jedoch handelt es sich hierbei um eine Einzelfallentscheidung. Bei den privaten Krankenversicherungen wird unterschieden, ob ein Betroffener (also ein bereits Erkrankter) oder ein Ratsuchender (Mitglied einer Risikofamilie) die Leistung in Anspruch nehmen will. Die Inanspruchnahme des Betroffenen ist klar vom Versicherungsumfang erfasst. Für den Ratsuchenden stellt sich die Situation anders dar, da eine Primärprävention zunächst eine versicherungsfremde Leistung ist. Jedoch gibt es eine Rahmenvereinbarung zwischen dem Verband der deutschen Krankenversicherung e.V. mit mehreren Kliniken und Zentren für „Familiären Brust- und Eierstockkrebs“ dem mittlerweile beinahe alle privaten Krankenkassen beigetreten sind, so dass eine Kostenerstattung erfolgen wird, obwohl die Genanalyse bei Ratsuchenden unverändert ein Forschungsprojekt darstellt. Sicherheitshalber sollte eine Kostenübernahmeerklärung der PKV in jedem Fall eingeholt werden.

Entscheidet sich eine Frau zu einer prophylaktischen Mastektomie ohne dass sie vorher eine genetische Untersuchung bezüglich der Mutation eines Tumorsuppressorgens (BRCA1 und BRCA2) vorgenommen hat, darf der behandelnde Arzt, bzw. der diese durchführende Chirurg nicht darauf vertrauen, dass der überweisende Gynäkologe mit der Patientin die Frage der Indikation ausreichend besprochen hat, sondern hat diese ebenfalls umfassend aufzuklären. Das OLG Köln hat in einem Urteil von 2010 (OLG Köln v. 17.03.2010 – 5 U 51/09) einen Chefarzt und den Träger der Klinik gesamtschuldnerisch zu Schadenersatz verurteilt. Der Chefarzt habe sich nicht darauf verlassen dürfen, dass der überweisende Gynäkologe die Patientin über die weitreichenden Folgen einer beidseitigen Mastektomie , hinreichend aufgeklärt habe. Dies insbesondere, da diese nur relativ indiziert war, da die Patientin diagnostische, genetische Untersuchungen ablehnte, die Patientin aber seit der Feststellung von Mikrokalk im Rahmen einer Mammographie von einer überdimensionierten Krebsangst getragen war. Auch Der BGH hat bereits mehrfach zu allenfalls relativ indizierten Mastektomien, die durch Krebsangst motiviert waren entschieden, dass der Arzt das Sicherheitsbedürfnis der Patientin sorgfältig ermitteln und die durch den Eingriff erzielbare Verbesserung der Sicherheit mit ihr besonders besprechen müsse (BGH NJW 1992, 2354; NJW 1998, 1784; NJW 1997, 1637 – letztgenannte Entscheidung zu einer Totaloperation). „Besonders besprechen“ bedeutet dabei, dass der Komplexität der Entscheidung der Patientin durch eine entsprechend eingehende, patientenbezogene und sorgfältige Aufklärung über die tatsächlichen Gefahren (durch Erkrankung an Krebs), über die Möglichkeiten, diese Gefahr näher einzugrenzen, und über die möglichen Folgen einer – insbesondere sich letztlich als unnötig darstellenden – Operation Rechnung getragen werden muss. Die Tragweite der Entschließung muss der Patientin deutlich vor Augen stehen (BGH NJW 1992, 2354 Rn. 22). Einer möglicherweise übertriebenen Furcht vor Erkrankung muss der Arzt gegebenenfalls entgegenwirken. Dies gilt erst recht, wenn Anlass zu der Annahme besteht, dass die Furcht der Patientin auf übertriebenen, objektiv nicht gerechtfertigten Äußerungen anderer Ärzte beruhen könnte. Sorgfältig nachzugehen hat der Arzt auch einem möglicherweise auf unzureichender Kenntnis beruhenden Verzicht der Patientin auf weitere diagnostische Maßnahmen. Der Operateur selbst muss sich dabei davon überzeugen, dass die Patientin in Kenntnis und objektiv richtiger Einschätzung aller wesentlichen Umstände in die Operation eingewilligt hat. Keinesfalls darf er sich darauf verlassen, dass eine gegenüber einem niedergelassenen Gynäkologen erklärte Einwilligung auf einer sachgerechten Aufklärung beruht. Er muss in Rechnung stellen, dass eine solche Aufklärung möglicherweise bisher nicht stattgefunden hat oder nicht den dargelegten Grundsätzen entspricht. Er muss vor allem in Rechnung stellen, dass sich der behandelnde Gynäkologe ganz oder zumindest maßgeblich auf weitere Aufklärungsgespräche mit den operierenden Ärzten verlässt. Er muss sich einen eigenen Eindruck von der Entscheidung und den Erwägungen, auf denen diese beruht, verschaffen (OLG Köln BeckRS 2010, 12731)

Sieht sich nun der Operateur einer Patientin gegenüber, die sich vorrangig von einer übertriebenen Krebsangst getrieben zu einer prophylaktischen Mastektomie entscheidet, ohne vorher alle genetischen Diagnostika ausgeschöpft zu haben, hat er eine erhöhte Aufklärungspflicht und hat die durch den Eingriff erzielbare Verbesserung der Sicherheit einer Erkrankung gesondert mit der Patientin zu besprechen und dieser dem Sicherheitsbedürfnis der Patientin gegenüber zu stellen, sowie sicherzustellen, dass die Patientin die Tragweite ihrer Entscheidung deutlich vor Augen hat.

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