5. März 2014

Mit Urteil vom 28.01.2014 (Az: VI ZR 143/13) hat der BGH Ärzten die Aufklärung im konkreten Einzelfall erheblich erleichtert.

In dem Leitsatz des Urteils heißt es hierzu: „Das Gericht darf seine Überzeugungsbildung (…) auf die Angaben des Arztes über eine erfolgte Risikoaufklärung stützen, wenn seine Darstellung in sich schlüssig und „einiger“ Beweis für ein Aufklärungsgespräch erbracht ist. Dies gilt auch dann, wenn der Arzt erklärt, ihm sei das strittige Aufklärungsgespräch nicht im Gedächtnis geblieben.“

Das unterzeichnete Einwilligungsformular ist – sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht – ein Indiz für den Inhalt des Aufklärungsgesprächs.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Dem Kläger war in einer Klinik eine klappentragende Prothese der Aorta ascendens eingesetzt worden. Die Operation sollte unter Aufrechterhaltung des Blutkreislaufs mit Hilfe einer Herz-Lungen-Maschine erfolgen. Während des Eingriffs dehnte sich ein Aneurysma derart aus, dass die Herz-Lungen Maschine abgeschaltet werden musste und die Operation mit tiefhypothermem Kreislaufstillstand fortgeführt wurde. Nach der Operation klagte der Patient unter einer Nervenstörung mit Gangunsicherheit, Schwindel sowie Störungen der Augenmotorik und der Sprache. Nachbehandlungen blieben erfolglos. Der Patient meint, wegen unzureichender Aufklärung müssten Arzt und Klinik hierfür haften. Der schriftliche Aufklärungsbogen habe nur Informationen zur Operation bei laufender Herz-Lungen-Maschine gegeben. Dass es notwendig werden kann, die Maschine abzuschalten, sei auch im Gespräch nicht Thema gewesen. Dem widersprachen die Ärzte. An das konkrete Gespräch könnten sie sich zwar nicht im Einzelnen erinnern. Diese Situation sei aber routinemäßig immer Bestandteil ihrer Aufklärungsgespräche.

Der BGH sah dies als ausreichend an. Die Richter legten fest, dass „auch wenn man in der stationären Behandlung eine Dokumentation der Tatsache eines Aufklärungsgesprächs und des wesentlichen Inhalts erwarten kann, an das Fehlen einer Dokumentation keine allzu weitgehende Beweisskepsis geknüpft werden darf. Aus medizinischer Sicht sei – anders als bei Behandlungsmaßnahmen – eine Dokumentation der Aufklärung regelmäßig nicht erforderlich.

Des Weiteren sei es für den Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung nicht erforderlich, dass sich der Arzt an das konkrete Aufklärungsgespräch (Ort, Umstände, genauer Inhalt) erinnert. Angesichts der Vielzahl von Informations- und Aufklärungsgesprächen, die Ärzte täglich führen, könne dies nicht erwartet werden. Da an den vom Arzt zu führenden Nachweis der ordnungsgemäßen Aufklärung keine unbilligen oder übertriebenen Anforderungen zu stellen seien, dürfe das Gericht seine Überzeugungsbildung gemäß § 286 ZPO auf die Angaben des Arztes über eine erfolgte Risikoaufklärung stützen, wenn seine Darstellung in sich schlüssig und „einiger“ Beweis für ein Aufklärungsgespräch er-bracht ist.

Dies gilt selbst dann, wenn der Arzt erklärt, ihm sei das strittige Aufklärungsgespräch nicht im Gedächtnis geblieben. Einen wesentlichen Anhaltspunkt für die Tatsache, dass ein Aufklärungsgespräch stattgefunden habe, sei dabei durch das von dem Arzt und dem Patienten unterzeichnete Formular indiziert, mit dem der Patient sein Einverständnis zu dem ärztlichen Eingriff gegeben hat. Ist einiger Beweis für ein gewissenhaftes Aufklärungsgespräch erbracht, sollte dem Arzt im Zweifel geglaubt werden, dass die Aufklärung auch im Einzelfall in der gebotenen Weise geschehen ist“, heißt es daher in dem Urteil. Zwar seien schriftliche Aufzeichnungen über die Inhalte des Aufklärungsgesprächs „nützlich und dringend zu empfehlen“. Ihr Fehlen dürfe aber nicht dazu führen, dass Ärzte keine Beweismöglichkeit mehr haben. Selbst wenn ein Arzt keine Formulare benutzt, müsse er „eine faire und reale Chance haben“, den notwendigen Beweis zu führen. Gleiches gelte für Aufklärungsinhalte, die über den schriftlich dokumentierten Teil hinausgehen, betonten die Karlsruher Richter.

Auch wenn das Urteil hier erhebliche Beweiserleichterungen für die gesamte Ärzteschaft im Rahmen von Aufklärungsgesprächen statuiert, sollte in der Praxis auf eine gut dokumentierte und schriftlich nachweisbare Aufklärung nicht verzichtet werden. Denn Folge einer unzureichenden Aufklärung ist, dass der Arzt oder Zahnarzt für die aus der Behandlung resultierenden Schäden zivilrechtlich haftet, ohne dass ihm tatsächlich ein Behandlungsfehler unterlaufen sein muss. Weiterhin entstehen auch strafrechtliche Risiken, da der Patient aufgrund der mangelhaften Aufklärung nicht rechtwirksam in den Eingriff einwilligen konnte und damit eine nicht gerechtfertigte Körperverletzung vorliegt. Das BGH Urteil bietet mithin zwar einen Vertrauensvorschuss für die Ärzteschaft, sollte jedoch keinesfalls dazu animieren die Aufklärungspflichten zu vernachlässigen, da die Folgen einer mangelhaften Aufklärung, existenzbedrohende Ausmaße haben kann.

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