„Urlaub und Urlaubsplanung“ ist in allen Arbeitsverhältnissen ein Thema: Mit den Arbeitnehmern wird eine bestimmte Anzahl an Urlaubstagen pro Kalenderjahr vereinbart und diese werden nach Abstimmung mit Kollegen und Vorgesetzten über das Jahr verteilt genommen. So alltäglich das Thema Urlaub ist, so vielfältig sind die Streitpunkte und Fragestellungen, die sich im Zusammenhang mit Urlaubsansprüchen ergeben. Was passiert beispielsweise, wenn der seit 5 Jahren in der Praxis bzw. im Unternehmen beschäftigte B im Januar und Februar seinen gesamten Jahresurlaub von 30 Tagen nimmt und das Arbeitsverhältnis schon zum 31.03. beendet wird? Kann der zu viel genommene Urlaub zumindest anteilig zurück gefordert werden?
Urlaub in natura verbraucht – Rückforderung des Urlaubsentgelts?
Grundsätzlich ist ein in Natura genommener Urlaub erst einmal verbraucht. Das Rad lässt sich nicht mehr zurückdrehen. Als denkbare Rückforderungsoption kommt für Arbeitgeber also nur eine Rückforderung des Urlaubsentgelts in Betracht, der im Zeitraum des Urlaubs gezahlt wurde.
Das Urlaubsentgelt ist der Durchschnittsverdienst, der in den letzten 13 Wochen vor Beginn des Urlaubs ausgezahlt wurde. In der Praxis entspricht das Urlaubsentgelt somit in aller Regel dem monatlichen Arbeitsentgelt und wird auch entsprechend gezahlt. Eine Rückforderung des zu viel gezahlten Urlaubsentgelts ist allerdings für die Arbeitgeberseite nur begrenzt möglich.
Wartezeit bei Urlaubsansprüchen
Nach dem Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) entsteht der Urlaubsanspruch grundsätzlich zu Beginn eines jeden Kalenderjahres in voller Höhe. Der vom Gesetz vorgesehene Mindesturlaubsanspruch beträgt dabei 24 Werktage pro Kalenderjahr (ausgehend von einer 6-Tage-Woche, § 3 BUrlG).
Lediglich zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses sieht das Gesetz eine Wartezeit vor, die erfüllt werden muss, um den vollen Urlaubsanspruch erstmalig zu erwerben. Diese Wartezeit beträgt 6 Monate (§ 4 BUrlG) und entspricht in zeitlicher Hinsicht der oftmals vereinbarten Probezeit. Während dieser Zeit erwirbt ein Arbeitnehmer lediglich einen Teilurlaub, und zwar in Höhe von 1/12 des Jahresurlaubs für jeden vollen Beschäftigungsmonat. Erst wenn diese 6 Monate erfüllt sind und das Arbeitsverhältnis fortgeführt wird, erwirbt ein Arbeitnehmer erstmalig den vollen Urlaubsanspruch, wie er im Vertrag vereinbart ist.
Hat ein Arbeitgeber während dieser Wartezeit bereits mehr Urlaub gewährt, als er hätte gewähren müssen und scheidet der Arbeitnehmer dann doch vor den 6 Monaten aus, dann zahlte der Arbeitgeber ohne Rechtsgrund Urlaubsentgelt. Dies kann er auch zurückfordern.
§ 5 Abs. 3 BUrlG und der richtige Zeitpunkt
Gemäß § 5 Abs. 3 BUrlG kann das Urlaubsentgelt dagegen ausdrücklich nicht zurückgefordert werden, wenn ein Arbeitnehmer nach erfüllter Wartezeit in der ersten Kalenderjahreshälfte ausscheidet und schon mehr Urlaub erhalten hat, als ihm zusteht. Diesen Fall hat der Gesetzgeber explizit geregelt.
Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass eine Rückforderung von zu viel gezahltem Urlaubsentgelt nur dann möglich ist, wenn der Arbeitnehmer noch nicht die Wartezeit erfüllt hat und wieder ausscheidet.
Bei einem Ausscheiden in der zweiten Kalenderjahreshälfte nach erfüllter Wartezeit kommt es dagegen darauf an, ob der Arbeitsvertrag eine entsprechende differenzierte Regelung zu dem gesetzlichen Mindesturlaub und weiterem vertraglichem Mehrurlaub vorsieht. In dem Fall ist zumindest für den vertraglichen Mehrurlaub, der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinaus geht, ein anteiliger Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers denkbar.
Bei Arbeitnehmern, die schon länger im Unternehmen beschäftigt sind, kommt es für eine mögliche Rückforderung des Arbeitgebers also darauf an, wann der Arbeitnehmer ausscheidet: Scheidet er noch in der ersten Kalenderjahreshälfte aus, obwohl er schon zu Beginn des Jahres den ganzen Jahresurlaub genommen hat, kann der Arbeitgeber das zu viel gezahlte Urlaubsentgelt nach § 5 Abs. 3 BUrlG nicht zurückfordern. Im Fall von B kann das Urlaubsentgelt für die zu viel gewährten 22 Urlaubstage nicht zurückgefordert werden. Der B muss sich allerdings den zu viel genommenen Urlaub in einem nachfolgenden Arbeitsverhältnis anrechnen lassen.
Wäre B dagegen in der zweiten Jahreshälfte ausgeschieden und gibt der Arbeitsvertrag eine entsprechende differenzierte Regelung für den gesetzlichen Mindesturlaub und darüber hinausgehenden vertraglichen Mehrurlaub her, kann der Arbeitgeber nach § 812 Abs. 1 BGB in Bezug auf den vertraglichen Mehrurlaub eine anteilige Rückforderung geltend machen.
Praxistipp
Scheidet ein Arbeitnehmer unterjährig aus dem Arbeitsverhältnis aus und hat schon viel Urlaub in Anspruch genommen, kommt es für etwaige Rückforderungsansprüche der Arbeitgeberseite vor allem auf den Zeitpunkt der Beendigung an. Darüber hinaus kommt es auf die genaue Vertragsgestaltung im Arbeitsvertrag an.
Im Falle, dass das Arbeitsverhältnis gekündigt ist, sollten jedenfalls keine einseitigen vorschnellen Lohnkürzungen vorgenommen werden. Arbeitgeber müssen genau darlegen und beweisen können, wie hoch der Urlaubsanspruch war und wann Urlaub genommen wurde und weshalb dies einen Rückforderungsanspruch rechtfertigt.
In unserer Beratungspraxis kommt es regelmäßig vor, dass die Anzahl der Urlaubstage nicht eindeutig im Arbeitsvertrag geregelt sind oder es werden nicht immer klare Absprachen zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter dazu getroffen, ob es sich bei einem freien Tag wirklich um einen Urlaubstag gehandelt hatte oder um eine Freistellung aus anderen Gründen. Um hier nicht Gefahr zu laufen, unberechtigt Lohnkürzungen vorzunehmen und damit einen kostspieligen Streit zu provozieren, sollte vorab rechtlicher Rat eingeholt werden.