Die Bundesagentur hat nach Protesten in der Ärzteschaft eingelenkt und per Weisung kundgetan, dass Angestellte in Vertragsarztpraxen grundsätzlich Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben. Zuvor hatte die Bundesagentur in einer internen Weisung Vertragsarztpraxen per se vom Kurzarbeitergeld ausgeschlossen. Die Begründung lautete: Vertragsarztpraxen können die beschlossenen Ausgleichszahlungen beantragen, welche wie eine Betriebsausfallversicherung wirken würde. Für die Auszahlung von KUG bestünde daher kein Raum mehr.
Diese rechtliche Bewertung schätzt den Sinn und Zweck von KUG jedoch falsch ein: die Durchführung von Kurzarbeit soll betriebsbedingte Kündigungen verhindern, weil von einer konjunkturellen Schwankung auszugehen ist, die sich jedoch zukünftig legen wird. Dem Betrieb sollen folglich wertvolle Fachkräfte erhalten bleiben. Einen anderen Zweck verfolgt der Schutzschirm für Praxen: hier soll der Arbeitgeber, sprich die Praxis selber geschützt werden. Praxisschließungen sollen abgewendet werden, weil während der Pandemie eine reduzierte Inanspruchnahme durch die Patienten zu vermerken war. Beide Instrumente setzen jedoch an unterschiedlichen Stellschrauben an, einmal auf Arbeitnehmer und einmal auf Arbeitgeberseite. So ersetzt der Schutzschirm keine Einnahmeverluste aus privatärztlicher oder arbeitsmedizinischer Tätigkeit, welche gerade dazu führen können, dass Praxispersonal nicht beschäftigt werden kann und die Voraussetzungen von § 95 SGB III vorliegen.
Diese rechtliche Auslegung haben wir bereits zu Beginn der Krise vertreten und möchten noch einmal zu den Voraussetzungen von Kurzarbeit informieren.
Wann kommt Kurzarbeit in Betracht?
Kurzarbeit kommt nach der Gesetzesänderung in Betracht, wenn ein unabwendbares Ereignis zum Rückgang von Arbeitsauslastung führt und mindestens 10% der Belegschaft einen Arbeitsentgeltausfall von mindestens 10% haben.
Die Bundesagentur für Arbeit hat – zuletzt in einer Pressemitteilung vom 28.02.2020 – darauf hingewiesen, dass ein aufgrund oder infolge des Corona-Virus und/oder der damit verbundenen Sicherheitsmaßnahmen eingetretener Arbeitsausfall im Regelfall auf einem „unabwendbaren Ereignis“ oder auf „wirtschaftlichen Gründe“ im Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. 1 SGB III beruht und daher Kurzarbeitergeld bei vorübergehendem Arbeitsausfall zu gewähren ist.
Kann ich Kurzarbeit einseitig anordnen?
Nein, eine einseitige Anordnung durch Sie als Praxisinhaber und Arbeitgeber ist nicht möglich. Denn arbeitsrechtlich setzt die Kurzarbeit voraus, dass entweder eine entsprechende Kurzarbeitsklausel im Arbeitsvertrag enthalten ist oder Sie einzelvertraglich mit Ihren Mitarbeitern eine solche Regelung vereinbaren. Die meisten Arbeitsverträge aus dem Gesundheitsbereich kennen keine Kurzarbeitsklausel- in jedem Falle ist hier eine Prüfung im Einzelfall geboten. Ordnen Sie dennoch einseitig gegenüber Ihrem Praxispersonal Kurzarbeit an, müssen Sie darauf hoffen, dass Ihre Arbeitnehmer dem nicht widersprechen. Die rechtsicherste Lösung ist daher stets eine einzelvertragliche Regelung mit den jeweiligen Mitarbeitern zu schließen.
Besteht Einigkeit entfällt für das Praxispersonal die Pflicht zur Arbeitsleistung und für den Praxisinhaber die Pflicht zur Zahlung der Vergütung im Umfang der Arbeitszeitreduzierung.
Wie melde ich Kurzarbeit an?
Damit die Bundesagentur für Arbeit Kurzarbeit gewährt, müssen Sie bei der Agentur für Arbeit die Kurzarbeit über die vorgegebenen Antragsformulare anzeigen und die entsprechenden Anträge stellen. Dies ist elektronisch möglich. Hier muss bereits der Nachweis erbracht werden, in welchem Umfang ein Arbeitsrückgang vorliegt.
Wichtig ist hier, dass zumindest nach dem bisherigen Stand kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht, wenn die Praxis aus freier Entscheidung zur Risikominimierung beschließt, den Betrieb vorübergehend einzustellen. Es liegt keine ursächliche Veranlassung durch Corona vor. Der Arbeitgeber bleibt zur Zahlung der vollen Vergütung verpflichtet, ohne Kurzarbeitergeld nutzen zu können.
Welchen Betrag erhält mein Praxispersonal durch Kurzarbeitergeld?
Vereinbaren Sie mit Ihrem Praxispersonal Kurzarbeit, erhält das Praxispersonal 60% der Nettoentgeltdifferenz bzw. bei einem überhöhten Leistungssatz nach den Vorschriften über das Arbeitslosengeld 67%. Beachten Sie allerdings, dass kein Kurzarbeitgeld für Praxispersonal geleitstet wird, welches oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze von derzeit 6.900 Euro liegt.
Neu ist durch die erlassenen Sonderregelungen, dass anfallende Sozialversicherungsbeiträge für ausgefallene Arbeitsstunden nunmehr zu 100% von der Agentur für Arbeit übernommen werden. Diese musste zuvor der Praxisinhaber leisten.
Fazit: Frühzeitig über mögliche Handlungsschritte informieren
Wir empfehlen, dass Sie als Praxisinhaber frühzeitig überlegen, welche Handlungsschritte sich für Ihre Praxis aktuell anbieten. Gibt es Praxispersonal, auf das Sie aktuell verzichten können? Gibt es Praxispersonal was sich aktuell eine Stelle teilen könnte? Gerne gehen wir mit Ihnen mögliche Optionen durch, um eine wirtschaftliche Lösung zu finden, die für beide Seiten zukunftsgerichtet ist.
Merkblatt der Bundesagentur für Arbeit
Hinweise zum Antragsverfahren
Erläuterungen zu den Auswirkungen