29. Mai 2018

„Bildhübsche dynamische Mitarbeiterin gesucht…“ – Recruiting im Lichte des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindern und beseitigen. Das AGG gilt selbstverständlich auch am Arbeitsplatz, und zwar bevor ein Arbeitsverhältnis überhaupt begonnen hat. Ein Arbeitsplatz darf schon nicht unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ausgeschrieben werden. Deswegen ist es aus Arbeitgebersicht unerlässlich, den Wortlaut einer Stellenanzeige besonders sorgfältig zu wählen.

Eine Ungleichbehandlung ist gegeben, wenn Gleiches ungleich behandelt wird. Werden also beispielsweise Bewerber im Recruiting -Prozess in Bezug auf ihr Geschlecht, ihre Religion, ihre Hautfarbe, ihres Alters oder einer Behinderung ungleich behandelt, verstößt derjenige gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, der diese Ungleichbehandlung verursacht.

Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung im Einzelfall

Ausnahmen bestättigen die Regel. Das AGG lässt verschiedene Rechtfertigungsgründe zu. Doch sind diese regelmäßig in der zahnärztlichen Praxis eher irrelevant. Praktische Relevanz kann dagegen im Einzelfall das Kriterium unzureichender Sprachkenntnisse haben. Das Arbeitsgericht Berlin (Urteil v. 26.09.2007 – 14 Ca 10356/07) stellte fest, dass es gerechtfertigt sein kann, Bewerber wegen mangelnder Deutschkenntnisse nicht einzustellen, obwohl davon vorwiegend Menschen fremder ethnischer Herkunft betroffen seien.

Im Falle einer Diskriminierung im Recruiting -Prozess hat der Bewerber u.a. einen Entschädigungsanspruch gegen den Arbeitgeber. Mit einer Diskriminierung ist hier die Benachteiligung eines Bewerbers auf Grund bestimmter Wertvorstellungen gemeint. Das Gesetz sieht im Falle einer Nichteinstellung wegen einer solchen Benachteiligung eine Begrenzung der Entschädigung in Höhe von drei Monatsgehältern nur vor, wenn der Bewerber auch ohne die Diskriminierung nicht eingestellt worden wäre. Der Bewerber hat jedenfalls keinen Anspruch auf Einstellung, Berufsausbildung oder beruflichen Aufstieg, wenn gegen das AGG verstoßen wurde.

Wie erteilen Sie eine Absage „richtig“?

Wenn sich der Arbeitgeber nun am Ende des Recruitings für einen Bewerber entschieden hat und den anderen Bewerbern eine Absage erteilen muss, empfiehlt es sich, keine Gründe in dem Ablehnungsschreiben zu nennen. So wird dem Arbeitnehmer möglichst wenig Angriffsfläche für einen AGG-Vorwurf gegeben. Stattdessen sollte man ein standardisiertes Absageschreiben verwenden. Diese sollte im Wesentlichen aussagen, dass man aus der Vielzahl der eingereichten Bewerbungen eine Entscheidung treffen musste und die Bewerbung des jeweiligen Absageempfängers nicht berücksichtigen konnte.

„Wen haben Sie an meiner Stelle genommen?“

Viele Bewerber fragen im Anschluss an ein solches Schreiben noch einmal nach den genauen Gründen. In diesem Fall sollte man dem Bewerber nicht jegliche Auskunft über die Gründe für die Absage verweigern, denn dies könnte nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (Urteil v. 19.04.2012, Rs. Meister C 415/10) ein Indiz für eine unzulässige Benachteiligung sein, insbesondere dann, wenn der Bewerber für die Stelle hinreichend qualifiziert war. Vielmehr sollte man sich im Recruiting-Verfahren ausreichende Notizen machen, um im Falle einer konkreten Nachfrage eines Bewerbers objektive Gründe für die Absage nennen zu können. Diese wären z.B. Noten, Qualifizierung, Berufserfahrung oder ggf. Mängel in den Bewerbungsunterlagen. Einen Auskunftsanspruch des Bewerbers dahingehend, welcher der anderen Bewerber aus welchen Gründen eingestellt wurde, verneinte der EuGH jedoch; erst recht sind dessen Bewerbungsunterlagen nicht offen zu legen.

Marketing mit Mitarbeitern erfordert deren Einwilligung

Mitarbeiter sind heute oft Bestandteil des Praxismarketings, sei es durch Bilder auf der Homepage oder durch das Erscheinen im Praxis-Imagefilm. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Recht am eigenen Bild erfordern dazu die vorherige Einwilligung des Mitarbeiters in die Veröffentlichung seiner Fotos/Videos. Diese Einwilligung sollte schriftlich, bezogen auf den Einzelfall und zeitlich unbefristet erteilt werden.

Für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis endet, hat das Bundesarbeitsgericht (Urteil v. 19.02.2015 – 8 AZR 1011/13) entschieden: jedenfalls dann, wenn das Bild/der Film reinen Illustrationszwecken dient und keinen auf die individuelle Person Bezug nehmenden Inhalt (z.B. Position in der Praxis) transportiert, endet das unbefristet erteilte Einverständnis nicht automatisch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern der Mitarbeiter muss seine Einwilligung ausdrücklich widerrufen. Im Einzelfall muss eine Interessenabwägung dann vorgenommen werden: zu Gunsten des Praxisinhabers stehen sein Veröffentlichungs- sowie sein wirtschaftliches Interesse an einer zumindest kostendeckenden Verwertung der aufgewendeten Produktionskosten, für den Mitarbeiter spricht sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Soweit der Mitarbeiter keine Vergütung erhalten hat (was regelmäßig der Fall ist) und er nicht identifizierbar ist, sondern in einem allgemeinen Rahmen erscheint, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sein Persönlichkeitsrecht verletzt wird, sodass sein erklärter Widerruf nicht wirksam wäre.

Fazit

Selbst wenn ein Arbeitsverhältnis noch gar nicht begonnen hat und auch nie eines entstehen wird, ist aus Arbeitgebersicht Einiges zu berücksichtigen, um sich nicht angreifbar zu machen. Schon die Kommunikation der Auswahlentscheidung im Recruiting-Prozess hat bewusst und durchdacht zu erfolgen. Auch nach der Einstellung ist zu beachten, dass die Einwilligung der Mitarbeiter im Falle der Veröffentlichung von Fotos einzuholen ist. All dies sind im Grunde Kleinigkeiten, die jedoch oft nicht bedacht werden und im Einzelfall tatsächlich zu Streitigkeiten oder sogar Entschädigungsansprüchen führen können. Wenden Sie sich gerne an uns, wenn Sie sich bei der Formulierung einer Absage oder des Einwilligungsschreibens unsicher sind.

 

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