16. September 2019

Wenn der Mitarbeiter geht, stellt sich immer wieder die Frage: Wie viel Urlaub ist noch zu gewähren? Bzw. in welcher Höhe sind vorhandene Resturlaubsansprüche abzugelten? Oder gibt es Urlaubsabgeltung trotz Beschäftigungsverbot? Wie ist es mit der Urlaubsabgeltung in der ersten Jahreshälfte? Gibt es Urlaubsabgeltung im Rahmen der Probezeit?

Wie viel Urlaub ist noch zu gewähren?

Grundsätzlich gilt, dass Urlaub in Freizeit zu gewähren ist. Die Urlaubsabgeltung ist also nur eine Ausnahme für den Fall, dass eine tatsächliche Gewährung des Urlaubs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich ist, § 7 Bundesurlaubsgesetz (BurlG). Tritt dieser Fall ein, müssen Praxisinhaber im Einzelnen prüfen, wie viele Resturlaubsansprüche noch bestehen und damit abzugelten sind. Folgende Punkte sind relevant:

  • Wieviele Urlaubstage pro Kalenderjahr wurden vereinbart?
  • Wann endet das Beschäftigungsverhältnis?
  • Befand sich die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter noch in der Probezeit?
  • Wieviel Urlaub wurde bereits gewährt und in Anspruch genommen?
  • Wie hoch ist der brutto Arbeitslohn pro Kalendertag?

Urlaubsabgeltung im Rahmen der Probezeit?

Es ist ein Irrglaube, dass man während der Probezeit keinen Urlaub nehmen darf. Urlaubsansprüche entstehen vom ersten Arbeitstag an. Im Bundesurlaubsgesetz ist lediglich geregelt, dass der volle Jahresurlaub erst nach 6-monatigem Bestehen des Beschäftigungsverhältnisses entsteht (§ 4 BUrlG). Zuvor entsteht der Urlaubsanspruch gleichwohl anteilig, nämlich in Höhe von 1/12 für jeden vollen Monat des Bestehens des Beschäftigungsverhältnisses (§ 5 BUrlG). D.h. endet das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der 6 Monate, besteht immerhin ein anteiliger Urlaubsanspruch in Abhängigkeit zur bisherigen Dauer der Praxiszugehörigkeit.

Dies bedeutet also auch im Umkehrschluss, dass Praxisinhaber sich auch selbst keinen Gefallen damit tun, wenn sie in den ersten 6 Monaten eines Arbeitsverhältnisses keinen Urlaub gewähren. Denn Mitarbeiter, die während der ersten Zeit gar keinen Urlaub nehmen, häufen ihre Urlaubstage an, die im restlichen Kalenderjahr dann noch genommen werden müssen. Organisatorisch kann das zu Schwierigkeiten führen. Besteht zudem die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter die Probezeit nicht, muss der Praxisinhaber die in dieser Zeit entstandenen, aber nicht genommenen Urlaubstage in Geld vergüten.

Urlaubsabgeltung in der ersten Jahreshälfte?

Scheidet eine langjährige Mitarbeiterin oder ein langjähriger Mitarbeiter in der ersten Jahreshälfte aus und hat sie oder er im laufenden Jahr noch keinen Urlaub genommen, besteht nur ein Anspruch auf anteilige Urlaubsabgeltung, ähnlich wie im Falle der Probezeit. Den vollen Jahresurlaub haben sich Mitarbeiter erst nach dem zweiten Quartal verdient. Davor steht ihnen nur anteiliger Urlaub und somit auch nur ein anteiliger Abgeltungsanspruch in Höhe von 1/12 für jeden vollen Beschäftigungsmonat des Kalenderjahres zu.

Urlaubsabgeltung trotz Beschäftigungsverbot?

Besonderheit besteht im Falle, wenn Mitarbeiterinnen schwanger werden und nach dem Mutterschutzgesetz auf Grundlage der zu erstellenden Gefährdungsbeurteilung nicht mehr in der Praxis weiter beschäftigt werden dürfen. Dann spricht man von einem Beschäftigungsverbot. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine zumutbare Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder ein Arbeitsplatzwechsel in der jeweiligen Praxis nicht möglich ist. Dies greift in der Regel die angestellten schwangeren Zahnärztinnen gerade in kleinen Praxisstrukturen, für die keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit abseits des Behandlungsstuhls besteht.

Dies hat zur Folge, dass die Mitarbeiterin von heute auf morgen nicht mehr beschäftigt werden darf. Nun könnte man meinen, dass während des Beschäftigungsverbot auch etwaiger Urlaubsanspruch entfällt. Schließlich arbeitet die Mitarbeiterin nicht und „hat frei“.

Rechtlich wird die Situation allerdings anders bewertet. Gemäß § 24 S. 2 Mutterschutzgesetz (vor dem 01.01.2018: § 17 Abs. 2 MuSchG a.F.) behält die schwangere Mitarbeiterin ihren Urlaubsanspruch, wenn sie vor Beginn des Beschäftigungsverbots diesen nicht oder nicht vollständig erhalten hat. Nach dem Ende des Beschäftigungsverbots kann sie den Resturlaub im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr beanspruchen.

Durch die eindeutige Regelung im Mutterschutzgesetz wird verhindert, dass der Urlaubsanspruch aufgrund des Beschäftigungsverbotes erlischt. Dies gilt vor allem auch für den Fall, dass der Urlaub vor Bekanntgabe der Schwangerschaft schon genehmigt, aber schließlich wegen des Beschäftigungsverbots nicht mehr genommen werden konnte. Dies hatte das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil vom 09.08.2016 (9 AZR 575/15) ausdrücklich entschieden.

Eine gleichlautende Regelung wie in § 24 S. 2 Mutterschutzgesetz findet sich auch in § 17 Abs. 2 Bundeselterngeld und Elternzeitgesetz (BEEG). Hat ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin den ihm oder ihr zustehenden Urlaub vor Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig erhalten, hat der Arbeitgeber den Resturlaub nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr zu gewähren. Endet das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit und wird es im Anschluss an die Elternzeit nicht fortgesetzt, so hat der Arbeitgeber gemäß § 17 Abs. 3 BEEGden noch nicht gewährten Urlaub abzugelten.

Praxistipp

Verlässt ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin die Praxis, mag es je nach Situation als ärgerliches Übel aufgefasst werden, wenn Praxisinhaber ausstehende Resturlaubsansprüche abgelten müssen. Insofern sollte z.B. auch während der Probezeit Urlaub gewährt werden, um selbst im Falle des Ausscheidens mögliche Abgeltungsansprüche möglichst gering zu halten. Wichtig ist, dass Praxisinhaber sich mit den Urlaubsregelungen und möglichen besonderen Szenarien rechtzeitig befassen, um auch einschätzen zu können, was in welcher Form und in welchen Konstellationen (z.B. Probezeit, Schwangerschaft oder Elternzeit) gerade auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Sachen Urlaub auf einen zukommen und ggf. auch geregelt werden kann, um Überraschungen zu vermeiden.

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