5. November 2015

Unbegründete Ängste vor großen Versorgungsstrukturen und die Verkennung der tatsächlich Bedürfnisse von Zahnärzten und Patienten haben dazu geführt, dass sich die Stimmen – insbesondere aus den Körperschaften – mehren, welche die Möglichkeit der unbeschränkten Anstellung von Zahnärzten in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) in Zweifel ziehen. Dabei ist die aktuelle Rechtslage eindeutig.

Anstellung von Zahnärzten in MVZ

Die Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) stellt neuerlich die Forderung auf, die Anstellung von Zahnärzten in MVZ zahlenmäßig zu beschränken. Ähnlich äußert sich auch der Vorstandsvorsitzende der KZBV, Dr. Wolfgang Eßer, in der Fachpresse. Dabei stellt sich die Frage, woher diese Einschätzung kommt. Den Bedürfnissen der meisten Zahnärzte und Patienten entspricht sie nämlich ebenso wenig wie der aktuellen Rechtslage.

Mit der Einführung des GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) hat der Gesetzgeber für die Gründung von MVZ die Gründungsvoraussetzung gestrichen, dass diese fachübergreifend sein müssen. Damit steht endlich auch Zahnärzten die Gründung eines rein zahn-medizinischen MVZ offen. Die Besonderheit besteht unter anderem darin, dass die Grundsätze der persönlichen Leitung, wie sie für in Praxen niedergelassene Zahnärzte gilt, keine Anwendung finden. Dies hat zur Folge, dass die zahlenmäßige Beschränkung für die Anstellung von Zahnärzten für Medizinische Versorgungszentren ebenfalls nicht anwendbar ist. Dies stellt aktuell einen der zahlreichen Gründe für Zahnärzte dar, ihre Berufsausübungsgemeinschaft aufzugeben und ein MVZ zu gründen.

Seine Grundlage hat die Beschränkung der Anstellungsmöglichkeit von Zahnärzten bei Vertragszahnärzten im Bundesmantelvertrag (BMV-Z). Danach dürfen Vertragszahnärzte an ihrem Praxissitz zwar Zahnärzte anstellen. Aufgrund der Pflicht zu persönlichen Praxisführung und Leistungserbringung ist die Anzahl auf zwei Zahnärzte in Vollzeit bzw. vier Zahnärzte in Teilzeit beschränkt. Diese Vorschrift betrifft jedoch ausdrücklich Vertragszahnärzte – und damit eben nicht MVZ.

Anstellung von Zahnärzten im MVZ

Die Anstellung von Zahnärzten im MVZ erfolgt gerade nicht beim Vertragszahnarzt, sondern gemäß §103 Abs. 4a SGB V beim MVZ. Auch die Gründereigenschaft setzt nicht einmal voraus, dass der Vertragszahnarzt persönlich tätig wird. Damit bestehen rechtlich die für niedergelassene Vertragszahnärzte geltenden Anstellungsbeschränkungen schlichtweg nicht, so dass es an einer gesetzlichen Grundlage fehlt, diese auch auf MVZ auszuweiten.

Aber auch tatsächlich bedarf es keiner Beschränkung der Anzahl von Angestellten Zahn-ärzten in MVZ. Weder die Freiberuflichkeit noch die Zahnarzt-Patienten-Beziehung sind dadurch in Gefahr.

Freiberuflichkeit ist gerade nicht gleichbedeutend mit Selbständigkeit. Sie kennzeichnet in erster Linie die Tätigkeit in einem sogenannten Freien Beruf in Abgrenzung zum Gewerbetreibenden. Die Mitgliederversammlung des Berufsverbandes der freien Berufe hat 1995 folgende Definition des „Freien Berufs“ verabschiedet:

„Die Freien Berufe haben im Allgemeinen auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation oder schöpferischer Begabung die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit zum Inhalt.“

Unabhängigkeit bei der Ausübung der Zahnheilkunde

Zwar werden die freien Berufe – wie auch der des Zahnarztes – häufig selbstständig ausgeübt, Voraussetzung ist dies allerdings nicht und erst recht nicht gleichzusetzen. Entscheidend ist vielmehr die fachliche Unabhängigkeit bei der Ausübung der Zahnheilkunde, die auch im Angestelltenverhältnis stets gewahrt wird. Dementsprechend definiert das Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde diese folgendermaßen:

„Ausübung der Zahnheilkunde ist die berufsmäßige auf zahnärztlich wissenschaftliche Er-kenntnisse gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten.“

Auch die Ausübung der Zahnheilkunde stellt daher nicht auf die Selbständigkeit ab, sondern auf die wissenschaftlich fundierte zahnmedizinische Behandlung.

Das ständig wiederholte Argument, MVZs würden die Freiberuflichkeit gefährden ist also schlicht falsch und basiert auf einer Falschinterpretation der Freiberuflichkeit.

Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, warum die Zahnarzt-Patienten-Beziehung oder gar die Qualität der Behandlung durch angestellte Zahnärzte im MVZ leiden soll. Zum einen ist die freie Arztwahl ergibt sich aus der Berufsordnung, und ist somit von jedem in Deutschland tätigen Zahnarzt zu beachten. Zum anderen ist nicht nachvollziehbar, dass angestellte Zahnärzte eine vermeintlich schlechtere Arbeit leisten sollen. Hierfür gibt es keinerlei Erfah-rungswerte. Die Verpflichtung, das medizinisch Bestmögliche für den Patienten zu tun, ergibt sich aus der Berufsordnung und dem geleisteten Eid und nicht aus der selbständigen Tätigkeit als niedergelassener Zahnarzt.

Auch ein Qualitätsverlust steht nicht zu befürchten. Vielmehr stellt eine größere Anzahl an-gestellter Zahnärzte durch den Wissens- und Erfahrungsaustausch sowie verschiede Spe-zialisierung häufig einen Qualitätsgewinn in der Behandlung dar. Auch Neuanschaffungen von Geräten fallen in größeren Strukturen oft leichter, da die finanzielle Belastung durch solche Neuanschaffungen besser kompensiert werden kann und die Nutzungsauslastung höher ist. Letztlich erschließt sich auch nicht, warum ein etwaiger Preiswettbewerb zulasten der Qualität stattfinden soll. Auch hier gelten für selbständige und angestellte Zahnärzte gleichermaßen die gesetzlichen Bestimmungen der Berufsordnung und der Gebührenord-nung für Zahnärzte, wonach das Honorar angemessen sein muss und sich nach dem Arbeits- und Materialaufwand zu richten hat.

Schließlich haben sich auch Bedürfnisse der neuen Generation von Zahnärzten verändert. Diejenigen Zahnärzte, die nach wie vor die Selbständigkeit nicht scheuen, haben durch die Möglichkeit der MVZ-Gründung neben der Gründung einer Berufsausübungsgemeinschaft eine weitere attraktive Alternative der Berufsausübung mit anderen Wachstumsmöglichkeiten, Haftungsrisiken, Gestaltungsmöglichkeiten und Ausstiegsszenarien. Und umgekehrt kann man durch potentiell größere Versorgungsstrukturen von MVZ der steigende Zahl derjenigen Zahnärzte, die lieber im Angestelltenverhältnis tätig sein wollen, gerecht werden. Verkennt man diese Tendenzen, läuft man Gefahr, angesichts des hohen Versorgungsbedarfs – und gerade die soll durch das GKV-VSG ja verbessert werden – Versorgungsengpässe zu verstärken, wenn selbständige Zahnärzte keine Kollegen mehr finden, die zur ge-meinsamen selbständigen Berufsausübung mehr bereit sind und auch die Anstellungsgren-zen erschöpft sind.

Daher sollten alle Beteiligten die sich durch die Gründung rein zahnärztlicher MVZ bietenden Chancen nicht gleich wieder durch neue und nicht notwendige Restriktionen zunichte machen, bevor erste Erfahrungen und Erkenntnisse gewonnen werden konnten.

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4 Antworten

  1. Sehr geehrte Frau Stenger,
    vielen Dank für Ihre Ausführungen, die sehr interessant sind. Meine Frage ist: Kann ein Mund- Kiefer-Gesichtschirurg, der ja auch Zahnarzt ist, zusammen mit einem Zahnarzt ein MVZ gründen. Der MKG Chirurg kann ärztlich und zahnärztlich abrechnen. Wie verhält es sich dann mit Ärztlicher Leitung? Wer ist zur Zulassung zuständig, KV oder KZV

    Besten Dank für Ihre Antwort und viele Gruesse

    Ulrike Frey

  2. Sehr geehrte Frau Frey,
    ja, ein MVZ ist auch zwischen MKG´ler und ZA möglich. Zuständig sind KZV UND KV (jedenfalls, wenn der MKG´ler auch die ärztliche Zulassung haben möchte).
    Beste Grüße
    Jens Pätzold

  3. Sehr geehrter Herr Scheibner,

    gemäß § 95 Abs. 1a SGB V können medizinische Versorgungszentren nur von zugelassenen Ärzten, von zugelassenen Krankenhäusern, von Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3 SGB V oder von gemeinnützigen Trägern, die aufgrund von Zulassung, Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, oder von Kommunen gegründet werden.

    Ob sich der „MVZ gründungswillige“ Zahnarzt dabei Kapital einer Bank oder eines – um auf Ihre Frage einzugehen – Investors bedient, ist dabei eher zweitrangig. Wichtig ist, eine MVZ Gründung durch einen erfahrenen Berater begleiten zu lassen, der die rechtlichen Rahmenbedingungen kennt.

    Beste Grüße.

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