15. April 2020

Die Corona-Pandemie hat das bisherige soziale und berufliche Zusammenleben von heute auf morgen auf den Kopf gestellt. Unternehmen haben mit erheblichen Absatzeinbrüchen zu kämpfen, weil viele gerade auch große Wirtschaftszweige im Interesse des Gesundheitsschutzes gänzlich zum Stillstand gekommen sind und die Arbeit für die Anzahl der Mitarbeiter nicht ausreicht. Dies wirkt sich gleichermaßen auf die Mitarbeiter aus, die ggf. vor der Frage stehen, ob sie morgen noch ihren Arbeitsplatz haben und ihr Lebensunterhalt gesichert ist. Mehr denn je sind die Arbeitsvertragsparteien jetzt gefragt, gemeinsam an einem Strang zu ziehen, der Arbeitgeber aufgrund seiner Fürsorgeverpflichtung gegenüber seinen Arbeitnehmern auf der einen Seite, die Arbeitnehmer aus der ihnen obliegenden Rücksichtnahme- und Treuepflicht gegenüber Arbeitgeber und Kollegen.

1. Müssen Arbeitnehmer ihren Arbeitgeber informieren, dass sie an Covid-19 erkrankt sind?

An sich sind Arbeitnehmer nicht verpflichtet, ihrem Arbeitgeber mitzuteilen, an welcher Krankheit sie leiden. Im Falle der Corona-Erkrankung, die zu einer erhöhten Schutzpflicht gegenüber anderen Menschen führt, besteht allerdings auch eine Rücksichtnahmepflicht des erkrankten Arbeitnehmers gegenüber der Sicherheit und Gesundheit der Kollegen (§ 241 Abs. 2 BGB, §§ 15 Abs. 1, 16 Abs. 1 ArbSchG). Damit der Arbeitgeber die anderen Mitarbeiter schützen kann, ist es natürlich von Bedeutung, dass der Arbeitgeber auch von der Erkrankung des betroffenen Arbeitnehmers weiß. Jedenfalls dann, wenn ein erkrankter Arbeitnehmer in den letzten 14 Tagen vor Ausbruch der Erkrankung, also während der maximal angenommenen Inkubationszeit, persönlichen Kontakt zu Kollegen hatte, ist die Erkrankung dem Arbeitgeber anzuzeigen.
Umgekehrt ergibt sich hieraus für den Arbeitgeber auch das Recht, einen Arbeitnehmer zu fragen, ob er Kontakt zu einer erkrankten Person hatte oder sich in einem sog. Gefahrengebiet aufgehalten hat. Auch ist der Arbeitgeber vor diesem Hintergrund berechtigt, im begründeten Verdachtsfall, dass ein Arbeitnehmer infiziert ist, ein ärztliches Attest oder eine betriebsärztliche Untersuchung zu verlangen.

2. Welche Schutzmaßnahmen müssen Arbeitgeber für ihre Arbeitnehmer ergreifen, damit sie vor Corona-Infektionen geschützt sind?

Grundsätzlich ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle ihm zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um seine Mitarbeiter möglichst wirksam vor einer Corona-Erkrankung zu schützen (§ 618 BGB, § 3 Abs. 1 ArbSchG). Welche Maßnahmen das in concreto sein können, hängt von den Eigenarten des Betriebs, des Arbeitsplatzes, der Tätigkeit usw. ab, zusammengefasst also von den Umständen des individuellen Einzelfalls. Der Arbeitgeber ist auf jeden Fall gehalten, bisherige Maßnahmen nötigenfalls den aktuellen Erfordernissen und geänderten Gegebenheiten anzupassen (§ 3 Abs. 1 S. 2 ArbSchG).

Mögliche Schutzmaßnahmen können sein:

  • Beschaffung von bestimmter Schutzausrüstung
  • Regelung zum Kontakt zu Kollegen (z.B. Personenabstand, Husten- und Niesetikette)
  • Einrichtungen zur Handhygiene
  • Verlegung des Arbeitsortes
  • Errichten von Barrieren (z.B. Spuckschutz) oder Einschränkungen zum Zugang zu bestimmten Räumen

3. Und was passiert, wenn Arbeitgeber keine Schutzmaßnahmen ergreifen?

Arbeitnehmer haben ein sog. Zurückbehaltungsrecht (§ 273 Abs. 1 BGB), wenn Arbeitgeber ihren Schutzpflichten nach § 618 BGB nicht gerecht werden. Sie sind berechtigt, ihre Arbeit zurück zu halten, also nicht zu arbeiten und haben gleichwohl einen Anspruch auf die Vergütung nach § 615 S. 1 BGB. Ist die Leistungsverweigerung allerdings nicht gerechtfertigt, kann der Arbeitgeber unter Umständen seinerseits berechtigt sein, wegen einer Arbeitsverweigerung eine Abmahnung oder sogar eine Kündigung auszusprechen. Dies kann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber objektiv alle erforderlichen und zumutbaren Schutzmaßnahmen vornimmt, lediglich der Arbeitnehmer subjektiv die Auffassung vertritt, diese seien unzureichend oder wenn er eine spezielle Schutzmaßnahme einfordert, die nicht berechtigt ist.

Sorgt ein Arbeitgeber nicht für ausreichende Schutzmaßnahmen, haben Arbeitnehmer darüber hinaus die Möglichkeit sich gemäß § 17 Abs. 2 ArbSchG an die zuständige Aufsichtsbehörde für Arbeitsschutz zu wenden. Auch können Arbeitnehmer die Entscheidung des Arbeitgebers für oder gegen bestimmte Schutzmaßnahmen nötigenfalls gerichtlich im Klageweg überprüfen lassen.

4. Darf mein Arbeitgeber mich noch beschäftigen, wenn nur der Verdacht besteht, dass ich infiziert sein könnte? Wenn nein, habe ich noch Anspruch auf meine Vergütung?

Besteht nur der Verdacht einer Infektion, z.B. weil eine Arbeitnehmer in Kontakt mit einer erkrankten Person stand, und wird jener daraufhin behördlich unter Quarantäne gestellt, besteht grundsätzlich auch keine Arbeitspflicht. Etwas anderes kann nur gelten, wenn die die Arbeit sich problemlos auch aus der Quarantäne, d.h. von zu Hause erledigen lässt und der Arbeitgeber hierfür auch die nötigen Mittel zur Verfügung stellt. Ist die Arbeit von zu Hause allerdings nicht möglich, besteht auch keine Pflicht zur Arbeit. Grundsätzlich bleibt der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers trotzdem bestehen, wenn die Quarantäne nicht für eine erhebliche Zeit angeordnet wird (§ 616 BGB). Da die Regelung des § 616 BGB in manchen Arbeitsverträgen zulässigerweise ausgeschlossen ist, kann es aber auch sein, dass kein Vergütungsanspruch aus dem Arbeitsvertrag besteht. Arbeitnehmer erhalten dann eine Entschädigung nach § 56 IfSG.

5. Können Arbeitgeber ihren Mitarbeiter kündigen, wenn er/sie nicht zur Arbeit kommen kann, weil die Schule/Kita geschlossen hat und die Kinder betreut werden müssen?

Nein, das Nichterscheinen zur Arbeit wegen der Schul- oder Kitaschließung ist für sich kein Kündigungsgrund. Arbeitnehmer haben in dem Fall sogar das Recht, die Arbeitsleistung nach § 275 Abs. 3 BGB zu verweigern, wenn sie betreuungsbedürftige Kinder, also Kinder unter 12 Jahre, haben und keine andere Betreuung möglich ist. Allerdings ist fraglich, ob die Schließung der Schule oder Kita auch einen sog. persönlichen Hinderungsgrund für eine nicht erhebliche Zeit im Sinne des § 616 BGB darstellt, so dass der Arbeitgeber weiterhin zur Vergütung verpflichtet wäre. Dies wird nach derzeitiger Rechtslage jedenfalls dann zu verneinen sein, wenn die Schließzeit über mehrere Wochen dauert. Seit dem 30.03.2020 gibt es daher die sog. Eltern-Entschädigung nach § 56 Abs. 1 a IfSG, die bei besonderen Härtefällen vom Arbeitgeber unter Mitwirkung der Eltern zu beantragen sind. Er schafft einen Ausgleich für die erwerbstätigen Sorgeberechtigten, die keine andere Betreuungsmöglichkeit haben und daher einen Verdienstausfall befürchten müssen.

6. Dürfen Arbeitgeber in Zeiten von Corona einfach so Überstunden anordnen?

Ja, Arbeitgeber können Überstunden anordnen, wenn anderenfalls nicht abwendbare Schäden drohen. Dies kann der Fall sein, wenn aufgrund der Corona-Pandemie z.B. in Krankenhäusern mehr Patienten behandelt werden müssen als sonst und/oder aufgrund von Erkrankung anderer Mitarbeiter eine vorübergehende Unterbesetzung im Betrieb vorliegt. Die Verpflichtung des Arbeitnehmers, der Aufforderung zum Ableisten von Überstunden auch nachzukommen, ergibt sich wiederum aus der Rücksichtnahme- und Treuepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB. Auch das Arbeitszeitgesetz erlaubt für außergewöhnliche Fälle das Überschreiten der gesetzlich vorgesehenen werktäglichen Höchstarbeitszeit (§§ 14, 15 ArbZG).

7. Dürfen Arbeitgeber Urlaub oder Kurzarbeit anordnen, wenn wegen der Corona-Pandemie nicht genug oder gar nichts zu tun ist?

Wenn der umgekehrte Fall vorliegt, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter aufgrund der Pandemie nicht mehr ausreichend beschäftigen können, können sie zwar nicht einfach Urlaub gegen den Willen der Arbeitnehmer pauschal anordnen. Sie können aber im Einvernehmen mit den Mitarbeitern eine entsprechende Regelung treffen. Als weiteres Instrument können bestehende Überstunden- oder Arbeitszeitkonten abgebaut werden und Kurzarbeit eingeführt werden. Bei der Einführung von Kurzarbeit müssen allerdings auch die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, insbesondere eine entsprechende vertragliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Einzelheiten zur Kurzarbeit finden Sie in mehreren Beiträgen in unserem Blog unter www.medizinrecht-blog.de.

8. Hat der Betriebsrat in Zeiten von Corona noch ein Mitbestimmungsrecht?

Wenn in einem Unternehmen ein Betriebsrat besteht, z.B. im Krankenhaus, ist der Betriebsrat genauso zu unterrichten und einzubeziehen wie sonst auch. Der Betriebsrat ist daher auch weiterhin bei Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes umfassend zu unterrichten (§§ 80 Abs. 1 Nr. 1 und 9, Abs. 2, 89, 90 Abs. 1 BetrVG). Im Übrigen besteht neben der Unterrichtungspflicht auch bei bestimmten Angelegenheiten ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, z.B. bei Regelungen zum Gesundheitsschutz (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG), bei der Einführung von Kurzarbeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) oder auch bei der Urlaubsplanung wenn kein Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erzielt wird (§ 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG).

Fazit

Das Arbeitsrecht ist im Grunde ein Arbeitnehmerschutzrecht und hält in diversen Vorschriften strenge Regelungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bereit. Gleichwohl erfordern außergewöhnliche Umstände wie die aktuelle Corona-Pandemie auch außergewöhnliche Maßnahmen. Zudem dürfen diese Maßnahmen nicht rein theoretischer Natur sein, sondern auch realisierbar sein. Unternehmen müssen auch ihrerseits weitestgehend geschützt werden, damit die Arbeitsplätze überhaupt langfristig erhalten bleiben können. In der Praxis wird es daher wichtig sein, Kompromisse zu finden. Dazu gehört es auch, dass auch Arbeitnehmer verinnerlichen, dass sie ihrerseits zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Kollegen und des Unternehmens verpflichtet sind und Individualinteressen im Einzelfall zurücktreten müssen. Wenn Sie Arbeitgeber sind und nicht genau wissen, ob und in welchem Umfang sie welche Maßnahmen ergreifen oder Vereinbarungen mit Ihren Mitarbeitern treffen sollen, wenden Sie sich gerne an uns. Wir unterstützen Sie gerne in allen Bereichen ihrer Personalarbeit!

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