14. Mai 2020

Das Bundessozialgericht (BSG) hat am 19.03.2020 (Az. B 1 KR 20/19 R) entschieden, dass eine fehlerhafte Aufklärung zu einem Verlust des Vergütungsanspruchs führen kann. Dies ist durchaus bemerkenswert, da dieser Ansicht in der haftungsrechtlichen Rechtsprechung bislang so noch nicht wirklich diskutiert wurde.

Ordnungsgemäße Aufklärung = § 630e

Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Aufklärung sind in § 630e BGB kodifiziert. Danach muss eine Aufklärung insbesondere mündlich, rechtzeitig erfolgen und verständlich sein. Das Patientenrechtegesetz der § 630a ff BGB ist im Wesentlich durch die Überführung der Rechtsprechung in ein Regelungswerk erfolgt. So hat sich der BGH zur Frage der Aufklärung beispielsweise bereits im Jahr 1984 (Urteil vom 28.02.1984, Az.: VI ZR 70/82) geäußert.

Eine Aufklärung über die Kosten ist gesetzlich lediglich in § 630c Abs. 3 S. 1 BGB vorgeschrieben (sog. wirtschaftliche Aufklärung), wonach gilt:

„Weiß der Behandelnde, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder ergeben sich nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte, muss er den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren.“

Bei dieser Informationspflicht handelt es sich also nur um solche Kosten, bei denen eine Kostenübernahme nicht gesichert ist. Das eine fehlende Aufklärung auch den gesamten Vergütungsanspruch betreffe soll, ist dieser Regelung nicht zu entnehmen.

Die Entscheidung des BSG bezüglich des Vergütungsanspruchs bei mangelnder Aufklärung

In dem Fall vor dem BSG stritten sich ein Krankenhaus und eine Krankenkasse um Behandlungskosten i.H.v. über € 45.000,00 für eine Behandlung mit Stammzellen eines Fremdspenders (sogenannte allogene Stammzelltransplantation). Tragischerweise ist der Patient an einem Multiorganversagen und einer Sepsis verstorben.

Die Krankenkasse verweigerte die Kostenübernahme mit der Begründung, dass der Patient nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden sein.

Das BSG hat nun entschieden, dass die ordnungsgemäße Aufklärung über Chancen und Risiken in erster Linie Bedeutung im zivilrechtlichen Haftungsrecht habe. Im Recht der GKV diene sie aber auch der Wahrung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs 1 SGB V) und habe insofern Auswirkungen auf den Vergütungsanspruchs des Krankenhauses.

Das Wirtschaftlichkeitsgebot erfordere, dass der Versicherte die Entscheidung für die Inanspruchnahme der Leistung auf der Grundlage von ausreichenden Informationen treffe. Die Aufklärung müsse dem Versicherten die Spanne denkbarer Entscheidungen aufzeigen, sodass ihm Für und Wider der Behandlung bewusst seien und er Chancen und Risiken der jeweiligen Behandlung selbstbestimmt abwägen könne. Denn im Sachleistungssystem entscheidet letztlich der Versicherte, ob er die ihm ärztlich angebotene, medizinisch notwendige Leistung abrufe.

Von einer ordnungsgemäßen Aufklärung könne bei objektiv medizinisch erforderlichen Behandlungen im Sinne einer widerlegbaren Vermutung regelmäßig ausgegangen werden.

Das gelte nicht, wenn mit der in Rede stehenden Behandlung ein hohes Risiko schwerwiegender Schäden, insbesondere eine hohes Mortalitätsrisiko verbunden sei. In diesen Situationen sei regelmäßig nicht auszuschließen, dass der Versicherte bei ordnungsgemäßer Aufklärung von dem Eingriff Abstand genommen hätte 

Fazit und Praxistipp

Die Frage einer ordnungsgemäßen Aufklärung ist prekär für den Arzt respektive das Krankenhaus, denn der aufklärende Arzt muss die Ordnungsgemäßheit beweisen. Anders hingegen bei Behandlungsfehlern; hier muss der Patient das Vorliegen beweisen.

Auf Grund dessen ist Ärzten und vor allem Krankenhausträgern nach dieser Entscheidung dringend zu raten, die Aufkärungs-Compliance auf den Prüfstand zu stellen. Gerade dann, wenn es sich nicht um eine Standardbehandlung handelt, muss der Aufklärung höchste Aufmerksamkeit gewidmet werden. Denn sonst droht neben Schmerzensgeld- und Schadensersatztforderungen auch noch der Verlust des Vergütungsanspruchs, was doppelt ägerlich ist.

Wichtig ist, dass es nach der Rechtsprechung allein auf das mündliche Aufklärungsgespräch ankommt und unterschriebene Aufklärungsbögen allenfalls als Indiz für eine ordnungsgemäße Aufklärung herangezogen werden können.

Haben Sie eine Frage rund um das Thema Aufklärung? Möchten Sie Ihr Compliance-System insgesamt einer Prüfung unterziehen oder dieses überarbeiten? Dann kommen Sie gerne auf uns zu.

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