9. Februar 2017

Auch wenn ein Patient ausdrücklich eine gegen den medizinischen Standard verstoßende Behandlung wünscht, muss der Zahnarzt diese ablehnen. Führt er sie dennoch durch, macht er sich schadensersatz- und schmerzensgeldpflichtig, so das OLG Hamm (Az.: 26 U 116/14).

Zahnarzt empfahl der Patientin CMD-Behandlung vor Frontzahnsanierung

Die Patientin kam zu dem beklagten Zahnarzt mit dem Wunsch einer Frontzahnsanierung, da sie mit den bei dem vorbehandelnden Zahnarzt eingegliederten Kronen der Regio 13-23 unzufrieden war. Der Zahnarzt diagnostizierte bei der Patientin aber auch in ihrer Funktion gestörte Kiefergelenke, eine sogenannte CMD (craniomandibuläre Dysfunktion). Daher empfahl der Zahnarzt aufgrund der mangelnden Abstützung im Seitenzahnbereich zunächst eine Aufbissschienentherapie durchzuführen und dann die Seitenzähne zu stabilisieren, bevor die Frontzähne restauriert werden sollten. Aufgrund der Extrusion waren die Seitenzähne stark eingeschliffen, so dass diese überkront werden mussten. Auf Wunsch der Patientin begann der Zahnarzt nach eigenen Angaben jedoch vorzeitig mit der Frontzahnsanierung. Hierdurch kam es bei der Patientin in der Folge zu einer zu niedrigen Bisshöhe und einer schmerzhaften Kompression der Kiefergelenke.

Patientin forderte rund 46.000 Euro Schadensersatz und Schmerzensgeld

Die Patientin gab an, dass infolge der Behandlung starke Schmerzen im gesamten Gesicht, Hals und in Kiefergelenken aufgetreten seien, die auf die Halswirbelsäule und den Schulterbereich ausstrahlten. Morgens sei die Gesichtsmuskulatur derart verkrampft, dass sie den Mund nicht öffnen könne. Es seien Taubheitsgefühle in den Armen, Beinen und Händen sowie Beschwerden bis hinunter zu Lendenwirbelsäule gefolgt. Im weiteren Verlauf sei es zu einem schweren Bandscheibenvorfall gekommen, wodurch sie in ihrer Beweglichkeit zusätzlich eingeschränkt worden sei. Insgesamt sei ihr Allgemeinzustand deutlich reduziert. Seit der Behandlung könne sie keine normale Nahrung mehr zu sich nehmen. Daraus resultierten eine Mangelernährung und eine starke Gewichtsabnahme (10 kg). Zunehmend leide sie auch unter psychischen Problemen.  Die andauernden Schmerzen bedeuteten den Verlust an Lebensqualität. Sprechen falle ihr schwer.

Vor diesem Hintergrund verlangte Sie vom Zahnarzt Schadensersatz, nämlich ca. 17.300 Euro Haushaltsführungsschaden sowie die Rückzahlung des zahnärztlichen Honorars von rund 3.750 Euro, und darüber hinaus ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro.

Vorzeitige Frontzahnsanierung war behandlungsfehlerhaft

Das OLG Hamm kam wie auch das erstinstanzliche LG Bochum zu der Einschätzung, dass der Zahnarzt behandlungsfehlerhaft verfrüht eine endgültige Frontzahnsanierung vorgenommen hat. Dadurch hat er nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen behandlungsfehlerhaft eine Festlegung der Bisshöhe für die nachfolgenden Behandlungsschritte vorgenommen mit der Folge, dass in den Seitenzahnbereichen die Prämolaren und der 1. Molar zu kurz waren und ein zu großer Abstand zwischen den Antagonisten bestand.

Patientenwunsch kann keine Fehlbehandlung rechtfertigen

Das OLG Hamm führte aus, dass sich der Zahnarzt auch nicht darauf berufen kann, dass die Vorziehung der Frontzahnsanierung von der Patientin ausdrücklich verlangt worden sei. Auch bei Unterstellung eines solchen ausdrücklichen Patientenwunsches ändere das nichts daran, dass das verlangte Vorgehen gegen den medizinischen Standard verstieß und deshalb hätte abgelehnt werden müssen. Selbst eine Belehrung über die konkret drohenden Folgen, könne behandlungsfehlerhaftes Vorgehen nicht legitimieren.

Daher bestätigte das OLG Hamm im Ergebnis das Urteil des LG Bochum, das den Zahnarzt zur Rückzahlung des Zahnarzthonorars verurteilt und die Ersatzpflicht für weitere Schäden festgestellt hatte. In welcher Höhe die Patientin dann tatsächlich Schadensersatz und Schmerzensgeld erhält wird in einem gesonderten Verfahren entschieden.

Fazit:

Zahnärzte sollten stets darauf achten, dass eine Behandlung immer nach dem allgemein anerkannten medizinischen Standard durchgeführt wird, auch wenn der Patient eine andere Behandlung wünscht. Sollte die Behandlung nicht lege artis sein, muss nicht nur mit einer Rückforderung des Honorars gerechnet werden, sondern es drohen darüber hinaus Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche.

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