26. April 2013

In einer Entscheidung (C-91/12) vom 21.3.2013 hat der EUGH dazu Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen Umsätze von Heilbehandlern und Heilbehandlungseinrichtungen, die auf dem Gebiet der ästhetisch-plastischen Chirurgie generiert werden, nach Art. 132 I Buchstabe b und c der MwStSystRL umsatzsteuerfrei sind. Der BFH hatte jüngst aufgrund des in Schweden anhängigen EUGH Verfahrens bereits die Aussetzung der Vollziehung gem. 361 AO angeordnet, sollte die bisherige deutsche Sichtweise hierzu fehlerhaft sein. Die Entscheidungsgründe des EUGH weisen jedoch darauf hin, dass die bisherige deutsche Rechtsprechung Bestand haben wird.

Der EUGH Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Eine schwedische ästhetisch-plastische Klinik, die sowohl rekonstruktive als auch kosmetische Operationen durchführte ging von der Umsatzsteuerpflicht ihrer Leistungen aus, mit dem Hintergrund Vorsteuer aus Investitionen zu ziehen. Die schwedische Finanzverwaltung verneinte die Steuerpflicht. Das schwedische Gericht rief den EUGH im Wege des Vorabverfahrens an.

Der EUGH stellte zunächst klar, dass ästhetische Operationen und ästhetische Behandlungen an sich unter den Begriff der „ärztlichen Heilbehandlung“ oder „Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin“ nach Art. 132I Buchstabe b und c der MwStSystRL fallen, sofern diese Leistungen dazu dienen, Krankheiten oder Gesundheitsstörungen zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen oder die Gesundheit zu schützen, aufrechterhalten oder wiederherzustellen. Im Umkehrschluss zieht er dann die Konsequenz, dass rein kosmetischen Zwecken dienende Leistungen keine begünstigte Heilbehandlung im Richtliniensinne darstellen. Für die Einschätzung des Zwecks der Maßnahme sieht der EUGH nicht die rein subjektive Vorstellungskraft des Patienten als entscheidend an. Vielmehr sieht er den therapeutischen Zweck der Maßnahme als rein medizinische Frage, die von medizinischem Fachpersonal aufgrund von medizinischen Feststellungen beantwortet werden müsse. Daraus ergibt sich weiterhin, dass Eingriffe die unter den Begriff der „ärztlichen Heilbehandlung“ oder der „Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin“ fallen, von einer Person erbracht werden müssen, die zur Ausübung eines Heilberufs zugelassen ist, oder dass der Zweck des Eingriffs von einer solchen Person bestimmt wird.

In dem Umstand, dass die Möglichkeit besteht, dass ein und derselbe Steuerpflichtige sowohl steuerbefreite als auch mehrwertsteuerpflichtige Tätigkeiten erbringt, sieht der EUGH jedoch keine Probleme, da die aus der gemischten Umsatzstruktur folgenden Vorsteuerfolgeprobleme sogar explizit in den Art. 173ff MwStSystRL geregelt sind.

Dies deckt sich mit der bisherigen BFH Rechtsprechung zur Abgrenzung von steuerbefreiten und nichtbegünstigten ästhetischen Leistungen. Um den Status der Begünstigungsfähigkeit nach § 4 Nr. 14 UStG zu erlangen, bedarf es nach BFH Rechtsprechung ebenfalls stets eines medizinisch-therapeutischen Zwecks. Dieser ist individuell, sowohl nach Patient, als auch nach einzelner Behandlungsmethode zu ermitteln. Abzustellen ist hierbei ob objektiv ein medizinisch-therapeutischer Zweck gegeben ist. Die Selbsteinschätzung des Patienten ist unerheblich.

Zur Frage welche Anforderungen an die Ermittlung des medizinischen therapeutischen Zwecks zu stellen sind, ist die Finanzgerichtsrechtsprechung uneinheitlich. So hatte das FG Niedersachsen (2.2.12, 16 K 10148/07, Rev.. BFH V R 33/12) eine psychologische Schnelleinschätzung des behandelnden Schönheitschirurgen ausreichen lassen, das FG Rheinland-Pfalz (12.1.12, 6 K 1917/07 Rev.. BFH V R 16/12) forderte eine vor Behandlung erfolgte psychologische Fachbegutachtung. Da der EUGH insoweit in seinem Urteil von Fachpersonal spricht, ist anzunehmen, dass eine Einschätzung durch den Operateur in der Zukunft nicht mehr ausreichen wird. Die Beweislast bzw., Nachweispflicht hinsichtlich des therapeutischen Zwecks liegt beim Heilbehandler, der sich insofern nicht auf seine ärztliche Schweigepflicht oder § 102 AO berufen kann (BFH 22.2.06, V B 30/05; BFH 18.02.08 V B 35/06). Diese Besteuerungsgrundsätze beschränkt der BFH des weiteren nicht nur auf den durchführenden Chirurgen, sondern auch auf die Operation flankierenden Heilbehandler wie z.B. Anästhesisten (BFH 6.9.11, V B 64/11).

 

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