7. Juni 2013

Die moderne Zahnmedizin unterscheidet zunehmend zwischen hochästhetischen, für den Patienten unsichtbaren Restaurationen und Grundversorgungen. Das liegt daran, dass die Wahl der Versorgung und damit bspw. auch die des Füllungsmaterials multifaktoriell begründet ist. Einer der Gründe ist die Tatsache, dass die Grundversorgung, die von der GKV getragen wird, aus Kostengründen nicht alle Möglichkeiten der modernen Zahnmedizin umsetzen kann. Versorgungen, die über die Grundversorgung hinausgehen, sind nämlich aufgrund der mit ihr notwendigerweise einhergehenden, aufwändigeren Technik mit höheren Kosten, die der Patient dann als Mehrkosten selber tragen muss, verbunden.

Wie die zahnärztliche Grundversorgung durch den Gesetzgeber geregelt ist, in welchen Punkten die Gesetzgebung zwischen Grundversorgung und Mehrkostenregelung unterscheidet und welche Auswirkungen dies auf die Praxis hat, das lesen Sie in den nachfolgenden Ausführungen ebenso wie die Hinweise auf die Abrechnung der Grundversorgung bei Füllungen im Seitenzahnbereich.

Definition der Grundversorgung

Der Begriff der Grundversorgung ist gesetzlich nicht definiert. Als Grundversorgung wird in der Praxis jedoch eine Behandlungsmethode oder ein Material verstanden, welche bzw. welches von der gesetzlichen Krankenversicherung (im folgenden GKV) ersetzt wird. Dem gesetzlich versicherten Patienten wird auf diese Weise eine – weitgehend – zuzahlungsfreie Versorgung und dem Zahnarzt eine schnelle und wirtschaftliche Behandlung oder Verarbeitung ermöglicht. Bestimmte Indikationen oder Indikationseinschränkungen eines Materials sind von dem Begriff der Grundversorgung nicht erfasst und den jeweiligen Herstellerangaben und Gebrauchsanweisungen zu entnehmen.

Rechtliche Ausgangssituation: Jeder hat Anspruch auf Grundversorgung

In Artikel 20, Absatz 1 des Grundgesetzes ist das Sozialstaatsprinzip festgeschrieben, in welchem der Auftrag zur Sicherstellung der Gesundheitsversorgung in der Bundesrepublik Deutschland verfassungsrechtlich verankert ist. Weiterhin sieht der Artikel 2, Absatz 2 des Grundgesetzes vor, dass jeder Bürger der Bundesrepublik ein Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit besitzt. Auf dieser gesetzlich verankerten Grundlage existiert in der Bundesrepublik Deutschland die uns bekannte, solidarisch finanzierte Patientenversorgung, die dem gesetzlich versicherten Patienten einen Anspruch auf die im Sozialgesetzbuch beschriebene Sachleistung ohne Zuzahlung gewährt.

Grundlage, gleich welcher Versorgung, ist das Zustandekommen des Behandlungsvertrages

Der Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient (unabhängig davon, ob gesetzlich oder privat versichert) kommt regelmäßig zu Beginn der Behandlung zustande und wird im Normalfall nicht schriftlich und ausdrücklich, sondern mündlich und durch schlüssiges Verhalten (d. h. konkludent) geschlossen. In der Regel wird mit Betreten der Praxis durch den Patienten deutlich, dass der Patient eine Behandlung wünscht. Führt der Arzt dann die Behandlung durch, ist der Vertrag zwischen den beiden konkludent zustande gekommen. Weiterhin ist zu beachten, dass beim Abschluss des Behandlungsvertrages auf der Patientenseite die Geschäftsfähigkeit erforderlich ist. In der Praxis wird dies bei Minderjährigen und betreuten Personen relevant.

Vergütungsvereinbarungen über sogenannte individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL-Leistungen), d. h. Leistungen, die nicht zum Leistungsumfang der GKV gehören, aber dennoch von gesetzlich Versicherten gewünscht werden und ärztlich empfehlenswert bzw. vertretbar sind, sind nur dann wirksam, wenn der gesetzlich Versicherte ausdrücklich vorab erklärt hat, dass er auf eigene Kosten behandelt werden will und eine entsprechende Honorarvereinbarung mit dem behandelnden Arzt schließt.

Was die zahnärztlichen Leistungen betrifft, so hat allerdings die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) erst jüngst in einer Pressemitteilung verlauten lassen, dass „private Zusatzleistungen beim Zahnarzt auf keinen Fall mit den IGeL-Leistungen verwechselt werden dürfen“ (Pressemitteilung der KZBV vom 16.10.2012). Hierzu erklärte der Vorsitzende des Vorstandes der KZBV Dr. Jürgen Fedderwitz, dass es sich in der Zahnmedizin „in der Regel um Zusatzleistungen handelt, die nicht im Grundleistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen enthalten sind, bei denen aber die Wirksamkeit erwiesen ist. In den allermeisten Fällen liegt eine Behandlungsnotwendigkeit vor und die Krankenkasse beteiligt sich an den Kosten.“
Weiter führte Fedderwitz aus, dass Zusatzleistungen beispielsweise dann zustande kämen, wenn sich behandlungsbedürftige Patienten nicht mit dem Grundleistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung zufrieden gäben, sondern eine der aufwändigeren Therapiealternativen wählen würden, die es für die meisten Befunde gibt (Beispiel: notwendige Versorgung eines Seitenzahnes mit einer Krone – der Patient entscheidet sich anstelle der Kassenleistung „Vollmetallkrone“ für eine ästhetisch ansprechendere „Keramikkrone“). Unabhängig der Diskussion IGeL oder Mehrkosten, auch der Zahnarzt muss mit seinem Patienten vorab eine entsprechende Honorar- bzw. Mehrkostenvereinbarung schriftlich schließen.

Informations- und Aufklärungspflicht bei allen Behandlungen

Im Hinblick auf die Informations- und Aufklärungspflicht des Zahnarztes ist das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (im folgenden Patientenrechtegesetz) zu beachten. Dieses Gesetz sieht für den Behandlungsvertrag im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) eigenständige Regelungen vor. Der Zahnarzt ist demnach verpflichtet, dem Patienten zu Beginn der Behandlung in verständlicher Weise sämtliche wesentlichen Umstände der Behandlung zu erklären, insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung sowie die Therapie.

Des Weiteren ist der Patient auf dessen Nachfrage oder zur Abwendung von Gefahren aufgrund eines Behandlungsfehlers auch über erkennbare Behandlungsfehler zu informieren. Ebenso ist über eventuelle zusätzliche Kosten in Textform zu informieren, wenn es unklar ist, ob und wer Kosten seiner Behandlung in welcher Höhe übernehmen wird (vgl. § 630 c BGB). Ferner ist der Zahnarzt verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Die Einwilligung wiederum hat der Patient grundsätzlich vor der Durchführung einer medizinischen Maßnahme zu erteilen.

Bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere, medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können. Schließlich hat die Aufklärung mündlich durch den Zahnarzt (bzw. durch eine Person, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt), verständlich und so rechtzeitig vor einem Eingriff zu erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung wohlüberlegt treffen kann (vgl. § 630 e BGB).

Die Dokumentationspflicht

Im Hinblick auf die Dokumentationspflichten verpflichtet das Patientenrechtegesetz den behandelnden Zahnarzt, eine Patientenakte zu führen. In diese Akte sind sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. Auch Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen (vgl. § 630 f BGB).

Die Abrechnung in der Grundversorgung

Die Vergütung und Abrechnung der vertragszahnärztlichen Leistungen im Rahmen der GKV erfolgt nach § 87 SGB V sowie der Richtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses für die ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Behandlungsrichtlinie) und auf Basis der einheitlichen Bemessungsgrundlage für zahnärztliche Leistungen (BEMA). Zum 1.4.2004 trat eine Neufassung der BEMA und der Behandlungsrichtlinie in Kraft. Gleich geblieben ist dabei, dass die BEMA gemäß § 87 I 1 SGB V Bestandteil des Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) ist und somit von allen Vertragszahnärzten zu beachten ist. Demnach ist das Füllmaterial Amalgam weiterhin Teil des Versorgungsangebotes für die Füllungen von Seitenzähnen. Zudem hat der Erweiterte Bewertungsausschuss gemäß § 87 IV SGB V die Neufestlegung der Leistungsbeschreibungen und –bewertungen der plastischen Füllungsmaterialien (BEMA-Nr. 13) entschieden. Während nach den alten Richtlinien zur konservierenden Behandlung unter anerkannten und erprobten plastischen Füllungsmaterialien noch Amalgam und Komposite explizit aufgeführt waren, ist dieser Hinweis in der Neufassung der Richtlinien nicht mehr enthalten. Vielmehr heißt es in der gültigen Fassung: „4. Es sollen nur anerkannte und erprobte plastische Füllmaterialien gemäß ihrer medizinischen Indikation verwendet werden. Die aktuellen Gebrauchs- und Fachinformationen und Aufarbeitungsmonographien sollen berücksichtigt werden.

Alle nach Nummer 4 indizierten plastischen Füllungen sind auch im Seitenzahnbereich im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen.“

GKV-abrechenbar ist demnach auch das Füllmaterial EQUIA im Indikationsbereich, d. h. bei kaudruckbelasteten Restaurationen der Klasse I und II, sofern der Isthmus weniger als die Hälfte des Interkuspidalraumes beträgt. (Das liegt daran, dass das Medizinprodukt EQUIA vom Hersteller in der Indikation Seitenzahnbereich explizit freigegeben wurde und der Zahnarzt dabei die aktuelle Gebrauchs- und Fachinformation beachten muss).

Auswirkungen der gesetzlichen Regelungen auf die Praxis

Im Rahmen der GKV-Versorgung stehen dem Patienten als Alternative zum Amalgam grundsätzlich Glasionomere, Kompomere und Zemente zur Verfügung. Diese Füllungen sind wie Amalgam-Füllungen nach den Nummern 13 a bis d über die Krankenversichertenkarte abzurechnen. Letztendlich obliegt die Auswahl des Füllmaterials dem Zahnarzt im Rahmen seiner Therapiefreiheit, entsprechend in Abstimmung mit seinen Patienten.

Gewährleistung unterscheidet privaten Behandlungsvertrag und GKV-Versorgung

Im Rahmen der GKV-Versorgung schreibt § 137 Absatz 4, Satz 3 und 4 SGB V ausdrücklich folgende Gewährleistung für bestimmte Leistungen vor: „Der Zahnarzt übernimmt für Füllungen und die Versorgung mit Zahnersatz eine zweijährige Gewähr. Identische und Teilwiederholungen von Füllungen sowie die Erneuerung und Wiederherstellung von Zahnersatz einschließlich Zahnkronen sind in diesem Zeitraum vom Zahnarzt kostenfrei vorzunehmen.“

Für zahnärztliche Dienstleistungen im Rahmen eines privaten Behandlungsvertrages gelten daher keine gesetzlichen Gewährleistungsregelungen. Es gilt folgendes: Der zahnärztliche Behandlungsvertrag stellt in der Regel einen sogenannten Dienstvertrag dar, der den Zahnarzt zur Erbringung seiner Leistung „lege artis“ verpflichtet, ohne einen bestimmten Behandlungserfolg zu schulden. Behandelt der Zahnarzt also nach den Regeln der ärztlichen Kunst, bestehen gegen ihn weder Gewährleistungs- noch Schadensersatzansprüche oder etwa ein Anspruch auf Schmerzensgeld, selbst wenn ein gewisser erwarteter Behandlungserfolg nicht eintritt. Ist dem Zahnarzt hingegen ein Behandlungsfehler vorzuwerfen, weil er eben nicht „lege artis“ behandelt hat, stehen dem Privat- und dem GKV-Patienten gleichermaßen Ansprüche auf Schadenersatz sowie Schmerzensgeld zu. Diese Ansprüche verjähren innerhalb von drei Jahren ab dem Zeitpunkt, in dem der Patient von dem Behandlungsfehler Kenntnis erlangt hat.

Allerdings sollte man nicht vergessen, dass der Zahnarztvertrag im Einzelfall auch werkvertragliche Elemente beinhalten kann. Dann gilt gemäß § 634 a BGB unter den dort genannten Voraussetzungen für die Verjährung von Mängelansprüchen eine zweijährige Verjährungsfrist.

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