3. Juli 2013

Korruptionsvorwürfe, zahlreiche Ermittlungsverfahren, gerichtliche Verurteilungen und eine nach Skandalen heischende Presse haben in der Gesundheitswirtschaft zu erheblichen Unsicherheiten geführt, ob und gegebenenfalls wie die Zusammenarbeit zwischen der medizintechnologischen und der pharmazeutischen Industrie einerseits und den Leistungserbringern andererseits organisiert werden kann. „Herzklappenskandal“ oder „Kopfpauschale“ sind nur zwei von beliebig vielen Beispielen, die in der Vergangenheit die Gesundheitswirtschaft beschäftigt haben.

Die Diskussion hat an Brisanz zugenommen, seit der Bundesgerichtshof im vergangenen Jahr entschieden hat, dass Kassenärzte, die von einem Pharmaunternehmen Vorteile als Gegenleistung für die Verordnung von Arzneimitteln dieses Unternehmens entgegennehmen, sich nicht wegen Bestechlichkeit nach § 332 StGB strafbar machen.

Ursprung dieses vielbeachteten Urteils war eine Pharmareferentin, die Kassenärzten Schecks über einen Gesamtbetrag von etwa 18.000 € übergeben hatte. Der Übergabe des Schecks hatte ein als “Verordnungsmanagement” bezeichnetes Prämiensystem des Pharmaunternehmens zugrunde gelegen. Dieses sah vor, dass Ärzte als Prämie für die Verordnung von Arzneimitteln des betreffenden Unternehmens 5 % des Herstellerabgabepreises erhalten sollten.

Dass aufgrund gesetzlicher Vorgaben eine Strafbarkeit der Ärzte wegen Bestechlichkeit ausschied, ließ die Politik wie stets bei solcher Gelegenheit reagieren: Mit dem reflexhaften Ruf nach neuen und schärferen Gesetzen. Dass das beschriebene Handeln in jedem Fall einen Verstoß gegen die ärztliche Berufsordnung und gegen § 7 HWG (Heilmittelwerbegesetz) darstellt, blieb in der politischen Diskussion weitgehend unberücksichtigt. In jedem Fall ist aber durch dieses Urteil die Diskussion über Korruption im Gesundheitswesen wieder auf die Tagesordnung gesetzt worden. Der Bedarf nach einem geeigneten Compliance-Management hat entsprechend zugenommen.

Mehr denn je sollte auf die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen geachtet werden, wenn es um die Zusammenarbeit zwischen Industrie und Ärzten geht. Insbesondere wenn die Industrie Anreizsysteme zur Absatzsteigerung installieren möchte.

Dabei sind die einschlägigen Gesetze ebenso zu beachten, wie die branchenspezifischen Industriestandards und sonstigen Kodizes. Denn mögliche Regelverstöße sind, auch wenn sie unbewusst geschehen, ein erhebliches wirtschaftliches Risiko und können darüber hinaus zu einem erheblichen Imageverlust führen. Beispielsweise wenn ein Hersteller von Medizinprodukten seinen Kunden Rabattsysteme anbietet und die Kunden diese Rabatte entgegen den abrechnungsrechtlichen Vorgaben für sich vereinnahmen. Sollte eine Reihe von Ärzten aufgrund eines solchen Verhaltens hierfür zur Verantwortung gezogen werden, kann dies unmittelbar auf das Unternehmen zurückfallen, das entsprechende Rabattsysteme installiert hat.

Für die Bewerbung von Medizinprodukten sind daher Rückvergütungen, wie in dem vom BGH entschiedenen Fall, gänzlich ungeeignet. Kundenbindungssysteme sind zwar auch für Medizinproduktehersteller denkbar. Jedoch sind bei der Entwicklung solcher Systeme zahlreiche gesetzliche Vorschriften zu beachten. Neben den speziellen gesetzlichen Regelungen des Heilmittelwerbegesetzes, ist stets auch das allgemeine Wettbewerbsrecht, insbesondere die Vorschriften des UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb), zu beachten.

Wird an dieser Stelle nicht sorgfältig gearbeitet, läuft der Medizinproduktehersteller Gefahr, von Wettbewerbern abgemahnt oder mittels einstweiliger Verfügung zur Unterlassung der jeweiligen Werbeform gezwungen zu werden.

Im Vergleich zur Werbung für Arzneimittel ist die Bewerbung von Medizinprodukten im HWG liberaler geregelt, weil die von Medizinprodukten ausgehende Gefahr meist geringer ist. Gleichwohl ist die Entwicklung von Werbemaßnahmen für Medizinprodukte eine komplexe Angelegenheit.

So ist es nach § 7 Abs. 1 HWG grundsätzlich verboten, Medizinprodukte mit Werbegaben zu bewerben. Werbegaben sind alle tatsächlich oder vorgeblich unentgeltlich gewährten Vergünstigungen. Hiermit soll vermieden werden, dass sich die Angehörigen der Heilberufe in ihrer Therapiefreiheit beeinflussen lassen, weil sie sich aufgrund von Zugaben zum Kauf bestimmter Medizinprodukte verleiten lassen, die sie ohne die Zugabe nicht gekauft hätten.

Dem entsprechend wurde im Herbst 2012 einer der weltweit führenden Hersteller von optischen Gläsern verurteilt, Optikern keine iPads als Prämie dafür anzubieten, dass diese ihren Umsatz bei dem Hersteller steigern. Dies hat das Oberlandesgericht Karlsruhe in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden. Das OLG Karlsruhe bejahte (natürlich!) eine Verletzung des Zuwendungsverbotes nach § 7 Abs. 1 S. 1 HWG.

Was war passiert? Der Hersteller hatte im Rahmen eines “Partnerprogramms” Augenoptikern ein “Gratis Beratungs-iPad” im Wert von über 400 Euro angeboten. Bedingung war allerdings, dass die Optiker im Gegenzug ihren Umsatz im Vergleich zum Vorjahr signifikant steigern sollten.

In den Entscheidungsgründen betone das OLG die besondere Gefährdungslage bei Gewährung von Sachleistungen. Und genau darum geht es im § 7 HWG: Dass nämlich der Leistungserbringer nicht unsachlich beeinflusst wird und der Patient sich darauf verlassen kann, dass sein Leistungserbringer aus medizinischer Notwendigkeit heraus handelt und nicht, weil seinem Anbieter daraus ein monetärer Vorteil erwächst. Hier sah auch das OLG das Problem, dass nämlich die angesprochenen Augenoptikbetriebe bereits eine Vorauswahl der anzubietenden Gläser zugunsten der Produkte des Herstellers treffen, um in den Genuss des iPad zu kommen.

Damit werde eine allein auf sachlichen Gründen beruhende Entscheidung des Verbrauchers verhindert.

Unter Bezugnahme auf diesen Gesetzeszweck hat auch das Landgericht München das Angebot eines Pharmaunternehmens an Ärzte zum verbilligten Bezug eines Wasserspenders für unzulässig erklärt, weil die Preisersparnis bei rund € 400,– lag. Dies soll bereits die Therapiefreiheit in unzulässiger Weise beeinträchtigt haben.

Ebenso hatte das Oberlandesgericht Köln 2010 einen Fall zu entscheiden (Az. 6 W 2/11), in dem ein Anbieter im Dentalmarkt einen Scanner erheblich günstiger anbot, wenn sich die Kunden zur Abnahme einer Mindestmenge an Einheiten für Zahnersatz verpflichteten.

Natürlich stellte das Gericht auch hier einen Verstoß gegen das Heilmittelwebegesetz und damit einen wettbewerbsrechtlichen Verstoß fest.

Zum gleichen Ergebnis kam der Bundesgerichtshof bereits im Jahr 2003. In dem damals zu entscheidenden Fall hielt der BGH das Angebot zum Bezug eines Arzneimittels zusammen mit einem „wunderschönen Kleidersack“ zu einem Gesamtpreis, der gegenüber den Einzelpreisen beider Produkte eine Preisersparnis von DM 44,– beinhaltete, für geeignet, die Entscheidungsfreiheit der umworbenen Ärzte zu beeinträchtigen.

Der BGH vertrat dabei die Auffassung, dass „eine derartige Vergünstigung die Angesprochenen veranlassen kann, die beworbenen Fertigarzneimittel nur wegen des damit verbundenen sachfremden Vorteils zu erwerben“.

Das Gesetz lässt jedoch Ausnahmen zu, die allerdings von Medizinprodukteherstellern nur allzu oft nicht im möglichen Umfang genutzt werden. Die Vielzahl der zu diesem Komplex ergangenen Gerichtsentscheidungen zeigt, dass in diesem Bereich oft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gearbeitet wird. In der Folge bleiben vorhandene Potentiale ebenso oft ungenutzt. Tatsächlich stößt man im Internet auf Bonussysteme, die die Vorgaben des HWG dadurch zu umgehen versuchen, dass der Bonus nur auf den Kauf von „Nicht-Medizinprodukten“ beschränkt wird. Für Unternehmen, die zum überwiegenden Teil Medizinprodukte vertreiben, ist eine solche Idee weder hilfreich, noch empfehlenswert.

Sollen die Möglichkeiten, die die gesetzlichen Vorgaben zulassen, genutzt werden, ist unbedingt zu vermeiden, dass der Eindruck entsteht, dass die Abnehmer in ihrer Therapiefreiheit in unzulässiger beeinflusst werden. Wenn in diesem Bereich rechtssichere und zugleich vertriebsstarke Werbekonzepte entwickelt werden sollen, hat sich eine enge Zusammenarbeit zwischen den Vertriebsexperten des Medizinprodukteherstellers und einem Rechtsanwalt, der mit dieser Thematik vertraut ist, bewährt.

Nur auf diese Weise kann gewährleistet werden, dass der Vertrieb gestärkt und gleichzeitig die Compliance sichergestellt wird.

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