19. März 2009

(zu den Urteilen des OLG Stuttgart vom 30.10.2008 und des OLG Celle vom 21.12.2006)

Die Frage, ob ein Augenarzt auf dem verkürzten Versorgungsweg Brillen an seine Patienten selbst verkaufen darf, hat jüngst wieder an Aktualität gewonnen. So hatte das OLG Celle erst Ende 2006 den verkürzten Versorgungsweg als zulässig erachtet. Indessen hat das OLG Stuttgart die Zulässigkeit des direkten Vertriebs von Brillen durch eine Augenarztpraxis in einem Urteil Ende 2008 nun völlig anders entschieden und erachtet diesen als rechtswidrig.

Sachverhalt

Beiden Urteilen liegt im Wesentlichen die gleiche Konstellation zugrunde: Augenärzte boten ihren Patienten in der Praxis Brillengestelle aus einem Bestand von Musterbrillen eines Brillenlieferanten an. Die erforderlichen Messungen nahm der jeweilige Arzt oder seine Arzthelferin vor. Das Ergebnis der Messungen und die ärztliche Verordnung für die Brille wurde an den Brillenlieferanten übermittelt. Die gefertigte Brille wurde dann an den Arzt gesandt, der den Sitz der Brille gegebenenfalls anpasste und kontrollierte.

Die Zulässigkeit dieses verkürzten Versorgungsweges richtet sich danach, ob hierin ein Verstoß gegen die jeweils gültige Berufsordnung für Ärzte zu sehen ist. Deshalb überprüften beide Gerichte die Vereinbarkeit mit § 34 Abs. 5 und § 32 Abs 2 in der jeweiligen Landesfassung, die mit der Musterberufsordnung (MBO) übereinstimmen:

Verbot der Verweisung

In § 34 Abs. 5 der MBO ist geregelt, dass es Ärzten verboten ist, Patienten an bestimmte Anbieter von gesundheitlichen Leistungen ohne hinreichenden Grund zu verweisen. Für beide Gerichte kam es also darauf an, ob ein solcher Grund vorlag.

Das OLG Celle sah einen hinreichenden Grund gegeben. Das Gericht sah diesen Grund darin, dass die vom Patienten aufgesuchten Optiker in der Regel eine nochmalige, unter Umständen falsche, Refraktion durchführen. Deshalb bestünde die Gefahr, dass die Wahl des Brillenglases nicht der optimalen Therapie der Fehlsichtigkeit entspreche.

Das OLG Stuttgart hingegen ist der Auffassung, dass ein solcher Grund nicht gegeben sei. Auf die Problematik der Wiederholung der Refraktion ging es dabei nicht ein. Es stellte vielmehr allgemein fest, dass es nicht erforderlich sei, dass die Brille durch den Arzt selbst angepasst werde. Schulungen, Einweisungen oder Kontrollleistungen seien regelmäßig nicht vorgesehen. Im Vordergrund stehe vielmehr eine große Zahl von Aufträgen zu erlangen.

Verbot der gewerblichen Dienstleistungen

Nach § 3 Abs.2 der MBO ist es dem Arzt untersagt, im Zusammenhang mit seiner ärztlichen Tätigkeit gewerbliche Dienstleistungen zu erbringen, soweit diese nicht wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind. Hintergrund dieser Regelung und ist, dass sich der Arzt nicht von kommerziellen Interesse, sondern ausschließlich von medizinischen Notwendigkeiten leiten lassen soll. Es war daher von beiden Gerichten zu überprüfen, ob der Verkauf der Brillen ein notwendiger Bestandteil ist. Auch hier gab es abweichende Ergebnisse:

Das OLG Celle führte aus, dass es für die Annahme der Notwendigkeit ausreichend sei, wenn ein Vorteil für den Patienten besteht. Ausreichend sei insoweit, dass der Arzt Anpassungs- oder Kontrollleistungen als erforderlich erachte und die Abgabe der Ware in direkten Zusammenhang damit vornimmt. Einen solchen Zusammenhang konnte das Gericht erkennen, weil der Arzt so eine größere Kontrolle hinsichtlich der Übereinstimmung der Brillengläser mit der Verordnung habe.

Das OLG Stuttgart beurteilte dies hingegen anders: Es sah in der Auswahl der Brillen keinen Zusammenhang mit dem medizinischen Bereich. Bei dieser Tätigkeit stünden vielmehr ästhetische und handwerkliche Erwägungen im Vordergrund.

Fazit

Durch diese beiden widersprüchlichen Urteile ist die Rechtslage unklar, so dass es zu deren Klärung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung bedarf. Das Urteil des OLG Stuttgart wurde zur Berufung zugelassen. Es bleibt somit abzuwarten, ob Revision zum BGH eingelegt wird und wie dieser die Rechtslage beurteilen wird.

Nach derzeitiger Einschätzung ist zu vermuten, dass der BGH der Auffassung des OLG Stuttgart folgen wird, denn bisher hat der BGH in ähnlichen Fällen einen verkürzten Versorgungsweg nur als zulässig erachtet, wenn im Einzelfall eine medizinischen Notwenigkeit der Abgabe der Ware durch einen Arzt vorlag. So etwa, wenn Schulungen erforderlich sind, oder ein Notfall vorliegt. Das OLG Celle konnte insoweit zwar einen Zusammenhang und auch einen Vorteil der Abgabe der Ware durch den Arzt feststellen, die nach BGH-Rechtsprechung erforderliche medizinische Notwendigkeit wird in dem Urteil hingegen nicht ausdrücklich festgestellt.

 

 

Kategorien
Newsletter
Wollen Sie unter den Ersten sein, die über aktuelle Entwicklungen im Gesundheitsrecht und der Gesundheitspolitik informiert werden?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.