21. Mai 2007

Eine Massenabmahnung sorgt derzeit für Unsicherheit bei vielen Zahnärzten. Im Auftrag eines Zahnarztes aus Hohen-Neuendorf in Brandenburg fordert eine Berliner Anwaltskanzlei zahlreiche Zahnärzte im gesamten Bundesgebiet dazu auf, auf deren Internetseiten vorhandene Vorher/Nachher-Bilder zu entfernen und es künftig zu unterlassen, mit solchen Bildern zu werben.

Aufgrund der Vielzahl der bereits bekannt gewordenen Fälle, vermuten Rechtsexperten, dass diese Abmahnungen in erster Linie versendet werden, um mit Gebührenerstattungsansprüchen und Vertragsstrafenversprechen erhebliche Summen zu verdienen. Dieser Verdacht drängt sich umso mehr auf, als mit dem Hinweis auf den unzulässigen Gebrauch der Vorher/Nachher-Bilder eine Rechnung verbunden ist, die an die betroffenen Zahnärzte gleich mit versandt wird.

In Wirklichkeit dürfte es also nicht um die verlangte Unterlassungserklärung, sondern ums Geld gehen. Sollte sich dieser Verdacht bestätigen, verhält sich meines Erachtens vor allem einer standeswidrig – nämlich der Hohen-Neuendorfer Zahnarzt.

Zwar ist es nicht von der Hand zu weisen, dass der in der Abmahnung enthaltene Hinweis auf die unzulässige Verwendung der Vorher/Nachher-Bilder zutreffend ist. Aber: Nach meiner Meinung sind die im Namen des Zahnarztes aus Hohen-Neuendorf getätigten Abmahnungen allein darauf angelegt, Gebühren zu erzielen, was gemäß § 13 Absatz 6 UWG unzulässig ist. Da wurden schon viel harmlosere Fälle von der Rechtsprechung als ‚rechtsmissbräuchlich‘ eingestuft.

Den Abgemahnten ist daher zu raten, sich eingehend beraten zu lassen, die verlangte Unterlassungserklärung nicht abzugeben, im Zweifel sogar Strafanzeige wegen Betrug zu erstatten. Das Gesetz zum unlauteren Wettbewerb darf nicht missbraucht werden. Massenabmahnungen, wie sie hier vorzuliegen scheinen, dienen vorwiegend dazu, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Dies ist ein klarere Missbrauch des Gesetzes und damit unzulässig.

Wir raten betroffenen Zahnärzten zusätzlich, das Vorgehen des Hohen-Neuendorfer Zahnarztes in jedem Fall dessen Kammer zu melden. Das Vorgehen des Hohen-Neuendorfer Zahnarztes erscheint mir in hohem Maße unkollegial. Die Kollegialität ist aber auch eine Berufspflicht des Zahnarztes, die in der Berufsordnung klar definiert ist.

Fälle von Serienabmahnungen sind in der Vergangenheit immer wieder zu beklagen gewesen. Begünstigt werden die Abmahner durch eine komplizierte Rechtslage und die Unsicherheit der Betroffenen. Das Kalkül ist dabei einfach: Bei einer Serienabmahnung mit mehreren hundert „Opfern“ zahlt ein Teil der Betroffenen die Abmahngebühren und unterzeichnet strafbewehrte Unterlassungserklärungen aus Angst vor Repressalien. Die übrigen Fälle werden schlicht nicht weiter verfolgt; selten wird von den Opfern zur Abwehr eine Feststellungsklage (mit dem Antrag festzustellen, dass der in der Abmahnung geltend gemachte Anspruch nicht besteht) erhoben. Nur in einem solchen Fall liefe der Abmahner selbst Gefahr, einem Kostenrisiko ausgesetzt zu sein. Schließlich ist der Betroffene regelmäßig froh, wenn sich die Sache für ihn ohne Prozess erledigt hat.

Betroffene Zahnärzte sollten sehr sorgfältig prüfen lassen, ob überhaupt ein Wettbewerbsverstoß vorliegt. Dies erscheint in den hier bekannten Fällen bereits deshalb fraglich, weil offenbar vor allem Zahnärzte aus Nordrhein-Westfalen Ziel der Massenabmahnung geworden sind. Diese dürften aber kaum in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis mit dem Hohen-Neuendorfer Zahnarzt stehen. Dies wäre aber erforderlich, die angeblichen Unterlassungs- und Honoraransprüche durchzusetzen.

Die Problematik der Massenabmahnungen ist ein allgemeines Problem, das nicht auf das zahnärztliche Berufsrecht, sondern auf die allgemeinen Regelungen des Wettbewerbsrechts in Deutschland zurückzuführen ist. Daher ändert auch die allgemeine Liberalisierung des Berufsrechts in den vergangenen Jahren nichts an dieser Problematik. Ebensowenig würde eine Änderung des Berufsrechts solche Abmahnverfahren verhindern. Betroffenen Zahnärzten ist vielmehr zu raten, kollektiv gegen solche Abmahner vorzugehen.

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