8. Januar 2016

Der Approbationsentzug – für alle Ärzte und Zahnärzte eine der schwer wiegenden Konsequenzen, die ein Fehlverhalten haben kann. Berufsrechtlich stellt er die härteste Sanktion dar. Über die Voraussetzungen eines Approbationsentzugs und einzelne Urteile berichteten wir hier bereits mehrfach. Nun hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg, das zu diesem Thema übrigens schon fast regelmäßig Entscheidungen trifft, erneut einen bemerkenswerten Beschluss erlassen.

Approbationsentzug wegen nachhaltigen Betrug

Da die Würdigkeit sowie die Zuverlässigkeit eines (Zahn)Arztes Voraussetzungen sind, diesem die Approbation zu erteilen, ist der Wegfall eines dieser Eigenschaften im Umkehrschluss Anlass, dem jeweiligen Arzt die Approbation wieder zu entziehen, das heißt die Approbation zu widerrufen. Die Unwürdigkeit wird zum Beispiel dann festgestellt, wenn ein Arzt wegen eines nachhaltigen Betruges verurteilt wurde, wie dies auch im dem Beschluss des OVG Lüneburg zugrunde liegenden Sachverhalt der Fall war.

Nach Approbationsentzug besteht grundsätzlich die Möglichkeit, die Würdigkeit und damit auch die Approbation wieder zu erlangen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt die Wiedererlangung der Würdigkeit voraus, dass sich an der zum Widerruf führenden Sachlage nachweislich etwas zum Guten geändert hat, also der Arzt das für die Ausübung seines Berufes erforderliche Ansehen und Vertrauen zurückerlangt hat (BVerwG, Beschl. v. 15.11.2012 – BVerwG 3 B 36.12 -, Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 113; Beschl. v. 23.7.1996 – BVerwG 3 PKH 4.96 -, juris Rn. 3). Dies erfordert regelmäßig einen längeren inneren Reifeprozess zur Kompensation der zu Tage getretenen charakterlichen Mängel (vgl. Senatsurteil v. 11.5.2015 – 8 LC 123/14 -, juris Rn. 57; Senatsbeschluss v. 10.6.2015, a.a.O., Rn. 78; Sächsisches OVG, Urt. v. 13.3.2012, a.a.O., Rn. 31 und 37).

In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Fortdauer einer die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ausschließenden Berufsunwürdigkeit und des Bundessozialgerichts zur erforderlichen Dauer eines Wohlverhaltens für die Wiedererteilung einer entzogenen Vertragsarztzulassung (vgl. BSG, Urt. v. 17.10.2012 – B 6 KA 49/11 R -, juris Rn. 49: mindestens fünf Jahre nach Wirksamwerden der Entziehung der Vertragsarztzulassung) erachtet der Senat einen Reifeprozess von regelmäßig mindestens fünf Jahren bei gravierenden Verfehlungen außerhalb des beruflichen Wirkungskreises und von regelmäßig mindestens acht Jahren bei gravierenden Verfehlungen im beruflichen Wirkungskreis für erforderlich. Maßgeblich für den Beginn des Reifeprozesses ist der Zeitpunkt, in dem die zur Annahme der Berufsunwürdigkeit führenden gravierenden Verfehlungen durch den jeweiligen Arzt eingestellt worden sind, gleich ob dies auf dessen freiwilligen Willensentschluss oder auf einer Aufdeckung und Ahndung der Verfehlungen durch Dritte, insbesondere Strafverfolgungs- oder Approbationsbehörden, beruht. Der Senat geht dabei in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die durch eine gravierende Verfehlung eingebüßte Berufsunwürdigkeit bereits während des laufenden behördlichen Verfahrens über den Approbationsentzug wieder erlangt worden sein kann (vgl. etwa Senatsbeschluss v. 17.2.2015, a.a.O., Rn. 52; v. 23.7.2014 – 8 LA 142/13 -, juris Rn. 38 f.). Dem liegt die Annahme zugrunde, dass der zur Kompensation der zu Tage getretenen charakterlichen Mängel erforderliche Reifeprozess ein tatsächlicher Vorgang ist, der in der Regel bereits mit der Aufgabe der gravierenden Verfehlungen einsetzt und nicht eine behördliche oder gar gerichtliche Bestätigung der Verfehlung und einen damit verbundenen Appell zur Läuterung voraussetzt.

Wiedererlangung der Würdigkeit

Andererseits bedeutet dies nicht, dass ein bloßer Zeitablauf für die Wiedererlangung der Würdigkeit ausreicht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.7.1996 – BVerwG 3 B 44.96 -, Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 95). Denn durch den Approbationswiderruf wegen Unwürdigkeit soll nicht das bisherige Verhalten des Arztes durch eine zeitliche Verhinderung der Berufsausübung sanktioniert, sondern das Ansehen der Ärzteschaft in den Augen der Öffentlichkeit geschützt werden, dies freilich nicht als Selbstzweck, sondern um das für jede Heilbehandlung unabdingbare Vertrauen der Patienten in die Integrität der Personen aufrecht zu erhalten, denen mit der Approbation die staatliche Erlaubnis zur selbständigen Ausübung der Heilkunde verliehen ist, und in deren Behandlung sich die Patienten begeben (vgl. eingehend Senatsbeschluss v. 3.2.2015 – 8 LA 2/14). Die Würdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs besteht daher erst dann wieder, wenn der Arzt das erforderliche Ansehen und Vertrauen zurückerlangt hat, mithin wenn nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände nicht mehr zu besorgen ist, dass dessen selbstständige Berufstätigkeit das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand nachhaltig erschüttern könnte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.11.2012, a.a.O.). In die danach gebotene Gesamtwürdigung ist zum einen die Dauer des Reifeprozesses einzustellen, zum anderen insbesondere die Art, Schwere und Zahl der Verfehlungen, die zur Annahme der Unwürdigkeit geführt haben, und das Verhalten des jeweiligen Arztes nach der Aufgabe oder Aufdeckung der Verfehlungen (etwa seine Mitwirkung an der Aufklärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe, seine Einsicht in das verwirklichte Unrecht und seine Bemühungen um eine Wiedergutmachung entstandener Schäden sowie das Ausbleiben erneuter, mit Blick auf die Würdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs relevanter Verfehlungen) zu berücksichtigen.

In dem Sachverhalt, den das OVG Lüneburg mit Beschluss vom 23.09.2015 (Az.: 8 LA 126/15) zu entscheiden hatte, hatte sich der Arzt eines Betruges in elf Fällen schuldig gemacht. Mit Urteil vom 14. Februar 2012 verurteilte ihn das zuständige Amtsgericht wegen Betruges in elf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Das Amtsgericht stellte fest, dass der Arzt unter dem Vorwand der Beteiligung an einer Privatstation in einem Krankenhaus bei zwei verschiedenen Banken die Gewährung von Darlehen in Höhe von jeweils 200.000 € erwirkte und die Auszahlung der Darlehensbeträge an sich unter Vorlage von Rechnungen, die gar keinen realen Hintergrund hatten oder andere Verbindlichkeiten betrafen, veranlasste. Bei Kenntnis der wahren Sachlage hätten die Banken keine Auszahlungen veranlasst. Der Vermögensschaden resultierte aus der wirtschaftlichen Wertlosigkeit der Darlehensrückzahlungsansprüche.

Widerruf der Approbation

Den Widerruf der Approbation begründete die zuständige Kammer damit, dass ein Arzt, der seine berufliche Stellung zur Gewährung von Darlehen in sechsstelliger Höhe ausnutze, um die Darlehensmittel zweckwidrig zur privaten Zins- und Schuldentilgung zu verwenden, sein Ansehen und das Vertrauen in der Bevölkerung verspielt habe. Der Annahme einer Unwürdigkeit stehe nicht entgegen, dass die Verfehlungen nicht den Kernbereich ärztlicher Berufspflichten beträfen.

Der für die Wiedererlangung der Würdigkeit erforderliche Reifeprozess konnte frühestens mit Aufdeckung des Sachverhalts durch die Banken im Jahre 2009 zu laufen beginnen und war daher im entscheidenden Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung im Jahre 2013 noch nicht abgelaufen. Daher führte auch die inzwischen beanstandungsfreie Berufsausübung und die Wiedergutmachung des Schadens nicht zur Wiedererlangung der Würdigkeit.

Fazit zum Widerruf der Approbation

Auch wenn die stattgefundene Verfehlung Jahre zurückliegt und zwischenzeitlich der ärztliche Beruf beanstandungsfrei ausgeübt und der entstandene Schaden wieder gut gemacht wurde, reicht dies allein nicht aus, um eine Wiedererlangung der Würdigkeit nach einem Widerruf der Approbation zu begründen. Vielmehr ist ein Reifeprozess erforderlich, wobei regelmäßig fünf bzw. acht Jahre nach Aufdeckung des entscheidenden Sachverhalts eine Abwägung der Gesamtumstände vorzunehmen ist und dabei Art, Dauer und Schwere der Verfehlungen sowie das Verhalten des jeweiligen Arztes nach Aufgabe oder Aufdeckung der Verfehlungen zu berücksichtigen sind.

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