5. April 2017

Der VI. Zivilsenat am Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 04.04.2017 entschieden, dass ein Bewertungsportal sich die Äußerung eines Patienten in einem Bewertungstext zu eigen macht, wenn es ohne Rücksprache mit dem Patienten Änderungen an dem Text vornimmt. Der Betreiber haftet dann als sog. unmittelbarer Störer und kann daher auf Unterlassung von der Betroffenen (hier eine Klinik) in Anspruch genommen werden. Dies geht aus der Pressemitteilung Nr. 49/17 des BGH vom 04.04.2017 hervor. 

Zum Fall

Die Klägerin ist Betreiberin einer Klinik für HNO- und Laser-Chirurgie. Der Beklagte ist ein Bewertungsportalbetreiber. In der Klinik der Klägerin wurde ein Patient an der Nasenscheidewand operiert. 36 Stunden nach der Operation und nach Verlegung in ein anderes Krankenhaus war eine Sepsis aufgetreten. In der Folge stellte der Patient auf dem Bewertungsportal des Beklagten einen Erfahrungsbericht ein. Darin beschrieb er, dass es „bei“ einem Standardeingriff zu einer septischen Komplikation gekommen sei. Das Klinikpersonal sei mit der lebensbedrohlichen Notfallsituation überfordert gewesen, was beinahe zu seinem Tode geführt habe.

Die Klägerin forderte den Beklagten daraufhin auf, den Beitrag des Patienten zu entfernen. Ohne Rücksprache mit dem Patienten nahm dieser jedoch nur Änderungen an dem Text des Patienten durch Einfügung eines Zusatzes und Streichung eines Satzteils vor. Diese „Eingriffe“ teilte der Beklagte der Klägerin auch mit und vertrat darüber hinaus die Auffassung, dass „weitere Eingriffe“ nicht angezeigt erscheinen.

Die Entscheidung

Der BGH bestätigt die Entscheidungen der Vorinstanzen und hat die zugelassene Revision des Beklagten zurückgewiesen. Der Beklagte haftet gegenüber der Klägerin als unmittelbarer Störer auf Unterlassung. Er hat sich die von der Klägerin angegriffenen Äußerungen des Patienten zu eigen gemacht. Nach der Rüge der Klägerin hat er die Äußerungen des Patienten inhaltlich überprüft und selbst entschieden, welche Äußerungen abgeändert oder entfernt und welche beibehalten werden. Nach Auffassung des BGH hat der Bewertungsportalbetreiber damit die inhaltliche Verantwortung für von der Klägerin gerügten Äußerungen des Patienten übernommen. Bei den Äußerungen handelte es sich nach der Pressemitteilung des BGH sowohl um unwahre Tatsachenbehauptungen sowie um Meinungsäußerungen auf unwahrer Tatsachengrundlage und mit unwahrem Tatsachenkern. In diesem Fall überwiegt das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin, so dass das Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit zurück zu treten hat.

Fazit

Die Entscheidung des BGH reiht sich an vorangegangene Entscheidungen zur Verantwortlichkeit von Bewertungsportalbetreibern ein (vgl. BGH, Urteil vom 01.03.2016, VI ZR 34/15). Unwahre Tatsachenbehauptungen sowie Meinungsäußerungen, die auf einer unwahren Tatsachengrundlage beruhen und die in Bewertungsportalen im Internet veröffentlicht werden, müssen von betroffenen Ärzten, Zahnärzten und Kliniken nicht hingenommen werden.

Ein entsprechender Unterlassungs- sowie auch Löschungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist gerichtlich mit Erfolg durchsetzbar. Portalbetreiber sind verpflichtet, einer angegriffene Patientenbewertung ernsthaft auf den Grund zu gehen und sie sorgfältig auf die Richtigkeit zu überprüfen. Dies erfordert gegebenenfalls auch einen umfangreichen Prüfaufwand. Ein Bewertungsportalbetreiber kann sich die Arbeit vor allem nicht dadurch erleichtern, eigenmächtig Änderungen vorzunehmen, die er für richtig und ausreichend hält. Damit macht er sich die Patientenbewertung vielmehr zu eigen und ist als sog. unmittelbarer Störer für den gesamten Inhalt genauso verantwortlich, wie der Patient, der die Bewertung ursprünglich verfasst hatte.

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